Beim Plenum des Friedensbündnisses am 19. April berichtete darüber Ursula Dersch (BIFA und Sozialforum) beim Punkt Europaweiter Widerstand gegen die Verarmungspolitik. Sie beteiligt sich an einer Initiative des Münchner Sozialforums zur Solidarität mit Griechenland. Schon im Ostermarschflugblatt wurde dazu kurz Stellung genommen.
Inzwischen läuft - auch in desem Zusammenhang - eine Europaweite Kampagne zu Aktionstagen im Mai, in Deutschland u.a. am 17.- bis 19. Mai mit Aktionen in Frankfurt

Drei Aspekte:

- Die soziale Situation in Griechenland
- Souveränität und Demokratie
- Die Rolle Deutschlands

Die soziale Situation in Griechenland

Die Troika (aus EU, EZB u. IWF) hat Griechenland ein Verzichtprogramm von historischem Ausmaß verordnet.
Die Schuldenkrise soll durch die Masse der Bevölkerung bewältigt werden, die kleine Gruppe der Superreichen bleibt verschont.

Von der Troika angeordnete Maßnahmen:
(Beispiele, keine vollständige Liste !)

  1. Privatisierung öffentlichen Eigentums
  2. Kürzung von Staatsausgaben im sozialen und kulturellen Bereich
  3. Entlassungen im öffentlichen Dienst (und in der Privatwirtschaft)
    Arbeitslosenquote : 20 %, bei Jugendlichen 50 %
  4. Kürzung des Arbeitslosengeldes um 30 % auf 322 €
  5. Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf 1 Jahr, danach keine staatl. Hilfe
  6. Lohnkürzungen um ca. 40 %
  7. Rentenkürzungen um ca.40 %
  8. direkte Eingriffe in die Tarifautonomie:
    Einfrieren der Löhne u. Gehälter bis 2015
    keine Lohnerhöhungen, solange die Arbeitslosenrate über 10 % liegt.
  9. Senkung des Mindestlohns von 751 € auf 586 € (= - 25 %) geplant
  10. Erhöhung der Mehrwertsteuer selbst bei lebenswichtigen Gütern auf 23 %

Folgen:

Über 25 % der Menschen in Griechenland leben bereits heute unter der Armutsgrenze.

Die Versorgung im Krankheitsfall ist für viele nicht mehr gewährleistet, da Medikamente und Behandlungskosten privat bezahlt werden müssen.

Ziel dieser Sparmaßnahmen ist die Minimierung der staatl. Neuverschuldung.
Wie in vielen Staaten vorher, in den der IWF dieses neoliberale Konzept anwandte, wird die Verschuldung in Griechenland nicht geringer, ganz im Gegenteil, sie nimmt rasant zu:

Entwicklung der Staatsverschuldung:

2009 : 120 % vom BIP 2011 : 160 % vom BIP

Souveränität und Demokratie

Prof. Kotzias, ein griechischer Politologie, der Ende März einen Vortrag in München gehalten hat, spricht von Abbau der Souveränität und Demokratie in Griechenland.

Belege:

  1. 1.Die Troika kontrolliert den griech. Staatshaushalt.
  2. Es wurde ein Sperrkonto eingerichtet,auf das ein Teil der griech. Staatseinnahmen automatisch fließt. Die griech. Regierung hat keinen Zugriff darauf.
  3. Griechenland darf keine Kredite von China oder andere Ländern nehmen, auch nicht direkt von der EZB, sondern nur von Geschäftsbanken wie der Deutschen Bank zum Zinssatz von 5-6%. Die Geschäftsbanken erhalten Geld von der EZB für aktuell 1% !
  4. Das griech. Kabinett hatte 1 Stde Zeit, um das „Memorandum II“ (das zweite Sparprogramm) zu prüfen. Das Memorandum hat 672 Seiten und ist in engl. Sprache abgefasst.
  5. Weder das griech. noch das EU-Parlament haben bei den von der Troika angeordneten Sparprogrammen ein Mitspracherecht, Obwohl das Budgetrecht eines der wichtigsten Kontrollrechte eines Parlaments sind.
  6. Der „Verzicht auf Souveränitätsrechte ist ein einseitiger Prozess: die mächtigen Staaten kontrollieren die wirtschaftlich schwachen.

Frau Merkel hat in einem Radio-Interview die „Marktkonforme Demokratie“ gefordert.

Prof. Kotzias spricht von Demokratie-Abbau und sieht Ursachen dafür im Wandel der Kräfteverhältnisse:

Europas führende Nationen dachten in den 90 er Jahren, dass Europa im 21. Jh. die größte Macht weltweit werden könnte, dass die Demokratie und die europ. Sozial- politik das Regierungsmodell im 21 Jh. weltweit sein würde und Europa die südost- asiatischen Staaten beeinflussen könne.
Die Europäer haben nicht mit der Machtverschiebung vom Atlantik zum Pazifik gerechnet. Unter den Konkurrenzbedingungen mit den asiatischen Staaten nimmt die Tendenz zum „autoritären Kapitalismus“ zu,

Zu diskutieren wäre, ob nicht im kapitalistischen Wirtschaftssystem selbst die ent- scheidenden Ursachen für den Sozialabbau und die undemokratischen Tendenzen zu suchen sind.

Die Rolle Deutschlands

Johanna Panegiotou wird in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift „Drachme“ einen Aufsatz zur Rolle Deutschlands veröffentlichen.

Sie verweist auf das Londoner Schuldenabkommen von 1953, in dem auch Griechenland auf die Eintreibung dt. Schulden aus der Kriegszeit verzichtete. Deutschland wurde damals keinem Spardiktat unterworfen, es wurden wachstumsfördernde Maßnahmen beschlossen.

Außerdem entlarvt die Journalistin einige „Märchen“, die deutsche Medien verbreiten:

1. Mit Blick auf das Rettungspaket von 130 Mrd € wird in deutschen Medien darauf hingewiesen, dass Deutschland ein „großzügiger Spender“ sei. Ausgezahlt an Griechenland hat Deutschland bisher 15,2 Mrd € (Laut Monitor vom 1.3. 2012)

2.Unglaubwürdig sei auch eine andere Behauptung, nämlich die; die dt. Wirtschaft sei durch Griechenland gefährdet. Nach Prof. Gustav Horn vom Institut für Makro-ökonomie und Konjunkturforschung steigen durch die Abwertung des Euro die Exportchancen für die dt. Firmen.

Deutsche Rüstungsgeschäfte mit Griechenland

Griechenland ist für deutsche Rüstungskonzerne einer der wichtigsten Kunden: Von den dt. Rüstungsgütern gingen 15 % nach Griechenland, 11 % nach Südafrika und 10 % in die Türkei.
Griechenland hat mehr Leopardpanzer in seinen Kasernen als die Bundeswehr. Fachleute halten den Kauf für unsinnig, da der Panzer im unwegsamen griech Gelände nicht einsetzbar ist. (Der damalige griech. Verteidigungsminister , der 2003 den Kauf der Leopardpanzer veranlasste, erhielt eine Mio € Bestechungsgelder!)
Auch im Jahr 2010, als das Ausmaß der griech. Staatsverschuldung bekannt war, hat Dtschld. darauf bestanden, dass Griechenland U-Boote kauft.
Thyssen-Krupp und Kauss-Maffei-Wegmann fordern die Bundeswehr auf, dass mit dem deutsche Anteil an den Krediten für Griechenland zunächst die Forderungen der deutschen Firmen beglichen werden.