Rede von Esen Kahraman auf dem Marienplatz beim Ostermarsch München 30.3.2002

Liebe Freunde
Liebe Friedensanhänger!

Wir freuen uns dass das Münchener Friedenbündnis uns Kurden die Gelegenheit gibt im Ostermarsch euch anzusprechen.

Liebe Freunde, wir kommen aus einem Land,
einem Land voller Leiden und Schmerz,
einem Land in dem die Bevölkerung von den diktatorischen und militärischen Regierungen terrorisiert wird,
einem Land, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten wird,
einem Land, das von den europäischen Kolonialisten willkürlich in vier Teile geteilt wurde und in allen vier Teilen unter Verfolgung, Vertreibung, Mißhandlung, Ausbeutung, Assimilation, Ausrottung und unglaublichen barbarischen Taten zu leiden hat,
einem Land, mit dem größten Volk auf der Erde ohne Staat,
einem Land, in dem unsere Brüder und Schwestern mit den deutschen und europäischen hochentwickelten Waffen getötet werden.

Ich komme aus diesem Land.

Mein Land Kurdistan, in dem Saddam Hussein im Jahr 1988 die kurdische Stadt Halabja mit Giftgas samt ihrer Einwohner ausgelöscht hat und er heute noch, wenn er die Möglichkeiten hätte, die Kurden in Irakisch-Kurdistan ein für allemal aus der Welt schaffen würde.

Auch die Türkei hat jeden Versuch der Kurden, ihr Recht auf Verbesserung der sozialen und kulturellen Situation ihres Volkes einzufordern, wie gewöhnt mit militärischem Einsatz niedergeschlagen. Und die Türkei führte mit Hilfe der Industriestaaten einen 17 Jahre dauernden Krieg gegen Kurden. 4000 Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht, mindestens 4 Mill. Kurden wurden aus der Heimat vertrieben, Zehntausende wurden ermordet, und mehr als zehntausend vegetieren in den berüchtigten Gefängnissen der Türkei, wo Hunderte den Tod fanden.

Die Menschen, die vor dieser Katastrophe geflüchtet sind, nehmen ihr Leid und die traumatischen Erinnerungen mit, die ihr Leben veränderten. Die Friedensbewegungen haben das Leid und Problem der Kurden nicht richtig wahrgenommen. Kaum jemand spricht darüber, wie dem kurdischen Volk, das unter der blutigen Unterdrückung durch die türkische Armee leidet, geholfen werden kann. Wie einst Bertold Brecht sagte " Jeder nennt den reißenden Fluß gewalttätig, aber niemand spricht über das Flußbett, das ihn einengt."

Da uns in unserem Land die Grundlage des Rechts und des Lebens weggenommen wurde, flohen und fliehen Kurdinnen und Kurden nach Europa und Deutschland. In Deutschland leben mehr als 600.000 Kurdinnen und Kurden, die als Arbeitsimigranten oder Asylbewerber gekommen sind. Liebe Freunde! Die Kurden sind weltlich und westlich orientiert und sie haben keinen religiösen Fundamentalismus.

Das Natoland Türkei rüstet sich für den Eintritt in die EU. Aber es leugnet die kurdische Identität weiterhin. Seit Anfang dieses Jahres haben Zehntausende kurdische StudentInnen und SchülerInnen bei den türkischen Behörden einen Antrag auf Kurdisch als Wahlfach gestellt. Die Türkei reagierte wie gewohnt und nahm Hunderte Kurdinnen und Kurden fest. Die Studenten wurden für ein Jahr von der Universität verwiesen und viele Mütter, die den Antrag für ihre Kinder gestellt hatten, inhaftiert. Der türkische Innenminister wies die Behörden zudem an, alle Anträge abzulehnen.

Liebe Freunde die kurdische Seite hat seit drei Jahren auf Gewalt als Mittel der Politik verzichtet. Die PKK hat seit Januar dieses Jahres ihre Aktivitäten unter dem Namen PKK und innerhalb der Grenzen der Europäischen Union eingestellt, um den Regierungen von europäischen Staaten und der Türkei den Weg frei zumachen das Kurdenproblem auf friedlicher Basis zu lösen.

Wenn die Kurden innerhalb der Grenzen der Türkei durch eine territoriale und kulturelle Autonomie das Kollektivrecht ihres Volkes erhalten würden, würden die Kurden nicht an eine Spaltung der Türkei denken. Deshalb fordern wir ,

Eine politische Lösung in Kurdistan wäre auch ein Gewinn für Deutschland. Deshalb brauchen die Kurden Eure Solidarität. Wenn die Deutschen Kurden und Türken sich gemeinsam für politische Rechte der Kurden einsetzen, wird ein Schritt für Völkerverständigung und Demokratie getan.

Bitte appelliert an die Regierenden in Berlin und Brüssel und fordert muttersprachlichen Unterricht für Kurden in der Türkei. Und solidarisiert euch mit uns, weil wir euch sehr brauchen. Die Kurden brauchen in dieser Zeit eure Hilfe und die menschliche Wärme.

Biji Asiti! Es lebe Frieden! Yasasin baris!