Münchner
Friedensbündnis
Münchner Friedensbündnis - c/o Friedensbüro e.V.,
Isabellastr. 6, 80798 München
Redebeitrag von Clemens Ronnefeldt am Hiroschimatag 5.8.05
Liebe Freundinnen und Freunde,
wer heute (5.8.05) die Süddeutsche Zeitung aufschlug, fand die
Überschrift: „Vor 60 Jahren fielen die Atombomben auf Hiroshima
und Nagasaki“. Die beiden Bomben fielen allerdings nicht von selbst –
sie wurden bewusst im Auftrag der US-amerikanischen Regierung von
Menschen abgeworfen. Damals war Japan mit den Achsenmächten
Deutschland und Italien verbündet.
Nach dem 11. September 2001 hat Präsident George W. Bush wohl in
bewusster Parallelsetzung zum Begriff der „Achsenmächte“ des 2.
Weltkrieges ein neues Dreierbündnis, eine neue „Achse des
Bösen“, entdeckt: Irak, Iran und Nordkorea.
Im Irak wurden nach dem offiziellen Kriegsende Städte wie
Falludscha, Talafar oder Al Qaim mit Flächenbombardierungen
überzogen, um den Widerstand gegen die Besatzung zu brechen. Es
ist ein Skandal, dass sich der UN-Sicherheitsrat bisher in keinster
Weise mit diesen völkerrechtswidrigen Kriegsverbrechen an der
irakischen Zivilbevölkerung befasst hat.
Das zweite Land auf der Achse des Bösen, das dieser Tage besonders
viele Schlagzeilen
macht, ist Iran.
Ich möchte vier Punkte bezüglich Iran etwas näher
beleuchten:
1. Worum geht es im Atomstreit?
2. Gibt es Perspektiven für
eine zivile Lösung?
3. Wie geht es in nächster
Zukunft weiter?
4. Was können wir tun?
1. Worum geht es im Atomstreit?
Im Streit um das iranische Atomprogramm geht es im Kern um die Frage
eines regionalen Ungleichgewichtes: Während Israel, Pakistan,
Indien und Russland in unmittelbarer Nachbarschaft des Iran über
Atomwaffen verfügen, versuchen die USA und Europa, dies der
Regierung in Teheran zu verbieten.
Dass die Menschen im Iran sowie die Regierung sich in ihrer Existenz
bedroht fühlen, lässt sich leicht erklären, wenn man
einen Blick in die Nachbarstaaten wirft: Iran ist von US-Truppen
im Irak, im persischen Golf, in Afghanistan sowie einigen früheren
Sowjetrepubliken regelrecht umzingelt.
Für einen Teil der politischen Kräfte im Iran würde der
Besitz von Atomwaffen so etwas wie eine Überlebensversicherung
bedeuten: Ein Angriff von Seiten der USA oder Israels würde sehr
viel unwahrscheinlicher.
Westliche Geheimdienste vermuten allerdings, dass es noch mindestens
drei bis fünf Jahre dauern wird, bis Iran in der Lage ist, eine
Atombombe zu bauen.
Einem weiteren Teil der iranischen Elite geht es schlicht um gleiches
Recht für Alle: Mit welchem Recht soll Iran die friedliche Nutzung
der Atomenergie verboten werden? Der
Atomwaffen-Nichtverbreitungsvertrag verbietet nicht einmal die
Urananreicherung für zivile Zwecke.
Solange US-Truppen im Nachbarland Irak gebunden und daher kaum in der
Lage sind, einen neuen Krieg gegen Iran zu beginnen, scheint offenbar
einigen iranischen Entscheidungsträgern die Gelegenheit
günstig, zur Atommacht aufzusteigen.
2. Gibt es Perspektiven für eine zivile Lösung?
Der erste Schritt für eine zivile, diplomatische Lösung des
gegenwärtigen Streites um das iranische Atomprogramm
bestünde im Anerkennen des atomaren Ungleichgewichtes in der
Region Naher und Mittlerer Osten.
Zur Beseitigung dieser grundlegenden Konfliktursache wäre die
Einberufung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im
Nahen und Mittleren Osten geeignet, die auf eine ABC-waffenfreie Zone
von Israel bis Indien hinarbeiten könnte.
Forderungen nach der Umsetzung einer solchen ABC-waffenfreien Zone
finden sich bereits in mehreren UN-Resolutionen bezüglich Iraks,
wurden allerdings bisher noch nie ernsthaft aufgegriffen.
Zur kurzfristigen Entschärfung des Konfliktes würde ein
umfassendes Hilfsprogramm beitra-gen, an dem Iran aufgrund seiner
wirtschaftlich sehr schlechten Situation größtes Interesse
hat.
Im Gegenzug zum atomaren Waffenverzicht Teherans könnten die USA
und die Europäische Union eine umfassende Sicherheitsgarantie
für Iran abgeben. Die US-Regieurng könnte die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen anbieten und das Embargo aufheben.
Die Mullahs als eigentliche Machthaber im Iran sind an einem Aufbrechen
der zunehmenden Isolation des Landes und seiner US-Umzingelung ebenso
interessiert wie an einer raschen Verbesserung der wirtschaftlichen
Lage. Ein wichtiger Anreiz für Zugeständnisse Teherans
wäre daher die Aufnahme Irans in die Welthandelsorganisation WTO.
Die Eskalation ist allerdings schon sehr weiter fortgeschritten:
Der frühere US-Waffen-Inspektor der UN-Abrüstungs-Kommission
im Irak, Scott Ritter, behauptet, der US-Krieg mit Iran habe bereits
begonnen.
Dafür nennt er folgende Indizien:
a. Bereits jetzt fliegen unbemannte US-Drohnen über Iran und
verletzten damit die Souveränität des Landes.
b. Die iranische oppositionelle Mudjahedin-Organisation "el-Khalq", die
früher vom irakischen Geheimdienst unter Saddam Hussein
geführt wurde, führe bereits jetzt im Auftrag des
US-Geheimdienstes CIA Terroranschläge im Iran aus.
c. Im nördlichen Nachbarland des Iran, in Aserbaidschan, bauten
US-Militärs derzeit eine Basis für eine massive
Militärpräsenz aus, die Ausgangsbasis für eine
spätere militärische Einnahme der iranischen Hauptstadt
werden soll.
Dennoch gibt es Anzeichen, dass eine Entscheidung für oder gegen
militärische Schläge noch nicht abschließend gefallen
ist.
3. Wie geht es in nächster Zukunft weiter?
Heute übergibt das EU-Verhandlungstrio, bestehend aus
Großbritannien, Frankreich und Deutschland, ein in Teheran lange
erwartetes Schreiben mit Vorschlägen, wie der Streit um das
iranische Atomprogramm beigelegt werden könnte. Die EU wird darin
vermutlich wirtschaftliche und politische Anreize bieten, wenn Iran auf
sein Atomprogramm verzichtet.
Für den morgigen Samstag kündigte die iranische Regierung die
Wiederaufnahme der Verarbeitung von Uran an, allerdings noch nicht die
Anreicherung von Uran. Dies hat zu großer Empörung in
zahlreichen westlichen Staaten geführt.
Für kommenden Dienstag haben europäische Diplomaten eine
Dringlichkeitssitzung der Internationalen Atomenergiebehörde in
Wien beantragt. Ob es in diesem 35-Staaten-Gremium eine Mehrheit
für eine harte Linie gegen Iran gibt, ist derzeit völlig
offen.
Sollte die Wiener Behörde den Fall Iran demnächst an den
UN-Sicherheitsrat übergeben, würde vermutlich eine
ähnliche Eskalationsspirale ablaufen wie im Falle Irak.
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich komme zu meinem vierten und letzten Punkt:
4. Was können wir tun?
Ich möchte zwei Dinge nennen:
a) Hier in Deutschland können wir die Zeit des Vorwahlkampfes
nutzen, um Bundestagsab-geordneten in Briefen oder persönlichen
Gesprächen deutlich zu machen, dass sie für uns nicht
wählbar sind, wenn sie Militärschläge gegen Iran
befürworten.
b) In Petitionen an die Parteien können wir unsere Forderung
vorbringen, nicht noch einmal wie Im Falle Irak Deutschland als
militärische Drehscheibe zu benutzen. Überflugrechte für
US-Kampfflugzeuge dürfen nicht noch einmal auf der Basis falscher
Behauptungen gewährt werden! Dafür könnten wir bereits
jetzt Stellungnahmen und Zusagen einholen – und diese nach den Wahlen
einfordern.
Nach dem 15. Februar 2003, als in rund 600 Städten der Erde
mehr als 12 Millionen Menschen für den Frieden und gegen einen
Irak-Krieg demonstrierten, schrieb die New York Times von einer
„zweiten Supermacht“. Sie meinte damit die durch die Friedensbewegung
weltweit geprägte öffentliche Meinung, Krieg als Mittel der
Politik abzulehnen.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass diese weltweit wachsende Bewegung
für Gerechtigkeit und Frieden so stark wird, dass sie die
Menschheit von den Geiseln der Ungerechtigkeit, atomarer Waffen und des
Krieges befreien kann.
Ich danke fürs aufmerksame Zuhören.
Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des internationalen Versöhnungsbundes, A.-v.-Humboldt-Weg
8a, 85354 Freising, www.versoehnungsbund.de