Liebe Freundinnen und Freunde,
die Ostermärsche finden dieses Jahr einmal mehr im Vorfeld zweier geplanter Militäreinsätze durch die westlichen Großmächte statt, die beide auf ihre Weise prototypisch für Kriege im 21. Jahrhundert sind.
Angesichts schwindender Weltölvorräte ist die Eskalation im Iran – über die Clemens Ronnefeldt ja bereits viel gesagt hat – ein Vorbote für die sich ankündigende Zunahme so genannter Ressourcenkriege.
Demgegenüber ist der praktisch beschlossenen Einsatz der Europäischen Union im Kongo Ausdruck dessen, was ich als westlichen Globalisierungsinterventionismus bezeichne und auf den ich hier zu sprechen kommen möchte.
Es kann dabei nicht deutlich genug betont werden, dass Globalisierung – das Codewort für die Ausweitung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung – und westliche Kriegspolitik zwei Seiten einer Medaille sind. Denn die von diesem Wirtschaftssystem verursachte Verarmung weiter Teile der Weltbevölkerung, ist ursächlich für die Eskalation von Konflikten in der Dritten Welt verantwortlich.
Da weder die USA, noch die Länder der Europäischen Union an einer grundsätzlichen Richtungswandel interessiert sind, ist es fast zwangsläufig, dass die ökonomische Ausbeutung zunehmend um die militärische Knute ergänzt wird und Staaten so lange unter westliche Schirmherrschaft gestellt werden sollen, bis sie im Rahmen dieser Weltwirtschaftsordnung halbwegs "funktionieren".
Für uns als Friedensbewegung bedeutet das, dass wir nicht gegen Krieg protestieren können, ohne die herrschende kapitalistische Ordnung grundsätzlich in Frage zu stellen!
Begründet wird diese Kriegspolitik natürlich als ein völlig selbstloses Unterfangen. Dabei ist es besonders perfide, dass die Herrschenden im Rahmen der so genannten zivil-militärischen Zusammenarbeit auch noch versuchen, Friedensbewegung und Entwicklungshilfe vor ihren Kriegskarren zu spannen!
Dem dürfen wir nicht auf den Leim gehen! Wir müssen also die Lügen enttarnen, mit denen diese Kriege gerechtfertigt werden. Auf vier Lügen möchte ich zu sprechen kommen:
Derzeit ist viel die Rede von so genannten "Neuen Kriegen", innerstaatlichen Gewaltkonflikten, die angeblich völlig neue Merkmale aufweisen würden. Erstens hätten sie ihre Ursachen in religiösen, ethnisch-kulturellen Streitigkeiten, und zweitens habe der Westen keinerlei Schuld an diesen Konflikten.
Betrachtet man das empirische Material stellt sich aber ein ganz anderes Bild dar. Viele Konflikte in der Dritten Welt, werden von westlichen Waffenlieferungen maßgeblich angeheizt. Sie entstehen vorwiegend dort, wo Rohstoffreichtum zum Fluch wird, weil das westliche Interesse an deren Ausbeutung maßgeblich vorhandene Konflikte schürt.
Der entscheidende Faktor aber, weshalb Konflikte gewaltsam eskalieren, ist Armut, wie inzwischen selbst Weltbank-Studien bestätigen. Somit trägt also der Westen, der durch die Ausweitung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung maßgeblich für die Verarmung weiter Teile der Weltbevölkerung gesorgt hat, die primäre Verantwortung für Kriege und Konflikte in der Dritten Welt.
Sie wollen uns glauben machen, ihre Kriegseinsätze seien völlig selbstlos, man könne ja nicht tatenlos zusehen, wenn sich Menschen die Köpfe einschlagen. Der Soziologe Ulrich Beck spricht etwa vom "militärischen Humanismus des Westens", der auf einem "Weltmonopol an Macht und Moralität" gründe.
Natürlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Was das Beispiel Kongo anbelangt, spricht Verteidigungsminister Franz Josef Jung Klartext. "Es geht auch um zentrale Sicherheitsinteressen unseres Landes! [...] Stabilität in der rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft."
Allgemeiner lässt sich sagen, dass die Globalisierung den westlichen Großkonzernen neue Profitmöglichkeiten eröffnete, sie aber gleichzeitig auch anfälliger für Krisen und Konflikte in der Dritten Welt gemacht hat.
Christian Schmidt, CSU-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, schreibt etwa: "Die Destabilisierung bestimmter Entwicklungs- und Schwellenländer kann das internationale Wirtschafts- und Finanzgeschehen und unsere Interessen als Exportnation negativ tangieren."
Noch deutlicher wurde Jürgen Thumann, der Chef des Bunds Deutscher Industrieller, hier in München bei der Sicherheitskonferenz 2005: "Investitionen in Entwicklungsländern schaffen Jobs und Einkommen. [...] Aber die Wirtschaft braucht sichere Rahmenbedingungen. Mangelnde Rechtssicherheit und Rechtstaatlichkeit machen Investitionen schwer verantwortbar. [...] Die Grundhypothese 'ohne Entwicklung keine Sicherheit' stellt sich häufig genau anders herum dar. 'Ohne Sicherheit keine Entwicklung'."
Was hier gefordert wird, ist nichts anderes, als einen militärischen Investitionsschutz für die Realisierung westlicher Profitinteressen.
Derzeit ist viel die Rede davon, man wolle ja nur militärisch für die Einhaltung "universeller Normen und Werte" sorgen, wie es im European Defence Paper heißt. Hierbei handelt es sich um eine unglaubliche Heuchelei. Wenn Industrielle wie Thumann davon sprechen, man müsse militärisch einen Rechtsstaat aufbauen, ist damit wohl am ehesten das Recht zum Plündern gemeint.
Nirgends zeigt sich dies deutlicher als anhand der westlichen Eskalation gegenüber dem Iran. Es kann nicht deutlich genug betont werden, dass dieses Land gegen keinerlei internationales Abkommen verstoßen hat. Dennoch überzieht der Westen den Iran mit Kriegsdrohungen bis hin zum Einsatz von Atomwaffen.
Was wir derzeit erleben ist die Rückkehr zum Faustrecht, oder, in den Worten Robert Coopers, dem Autor der Europäischen Sicherheitsstrategie, "Doppelter Standards":
"Der postmoderne Imperialismus hat zwei Komponenten. Die erste ist der freiwillige Imperialismus der globalen Ökonomie. Er wird normalerweise von einem internationalen Konsortium durch internationale Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank ausgeübt. [...] Die Herausforderung der postmodernen Welt ist es, mit der Idee doppelter Standards klarzukommen. Unter uns gehen wir auf der Basis von Gesetzen und offener kooperativer Sicherheit um. Aber wenn es um traditionellere Staaten außerhalb des postmodernen Kontinents Europa geht, müssen wir auf die raueren Methoden einer vergangenen Ära zurückgreifen - Gewalt, präventive Angriffe, Irreführung, was auch immer nötig ist, um mit denen klarzukommen, die immer noch im 19. Jahrhundert leben, in dem jeder Staat für sich selber stand. Unter uns halten wir uns an das Gesetz, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir ebenfalls das Gesetz des Dschungels anwenden."
Angesichts solcher Sätze fühlt man sich an den alten Spruch "Legal, Illegal, Scheißegal" erinnert, der die westliche Kriegspolitik wohl am treffendsten beschreibt.
Die letzte ist zugleich auch die dickste Lüge, auf die ich hier zu sprechen kommen möchte. Denn sie betrifft uns als Friedensbewegung auch direkt, da sie versucht uns für westliche Kriegszwecke zu instrumentalisieren.
Mit dem Argument, dies sei eine notwendige Bedingung für die nachhaltige "Stabilisierung" von Konfliktregionen, wird derzeit immer stärker die enge Verzahnung ziviler Akteure (zivile Konfliktbearbeitung und Entwicklungshilfe) mit dem Militär gefordert.
Die operative Führung bleibt dabei aber beim Militär, womit vormals rein zivile Akteure zu einem integralen Bestandteil der militärischen Logik westlicher Interessenspolitik gemacht werden und zudem auch noch als Legitimationselement für militärische "Friedensmissionen" dienen.
Hierüber soll die westliche Kriegspolitik erheblich effektiviert werden. Ein wichtiges EU-Papier, die "Human Security Doctrine for Europe", schlägt bereits den Aufbau einer zivil-militärischen Truppe aus 10.000 Soldaten und 5.000 Zivilisten (Verwaltern) vor.
Die Friedensbewegung muss jegliche Beteiligung an derartigen westlichen Protektoratestruppen ebenso kategorisch ablehnen, wie eine wie auch immer geartete Kooperation mit dem Militär.
Denn wer "Sicherheit" und "Staatlichkeit" herbeibomben will, um Länder anschließend so lange unter die Schirmherrschaft westlicher Protektorate zu stellen, bis sie neoliberalen Spielregeln gehorchen, perpetuiert damit lediglich den Teufelskreis aus Armut und Gewalt. Exakt dies ist aber die traurige Praxis, die sich hinter dem beschönigenden Begriff des "Stabilitätsexports" verbirgt.
Diejenigen, die westliche Militäreinsätze fordern unterschreiben eine moralische Bankrotterklärung, denn sie legitimieren hierdurch, dass weiterhin Milliarden in die Rüstung gepumpt werden, während gleichzeitig die abermillionen Opfer, der in unserem Wirtschaftssystem begründeten strukturellen Gewalt ignoriert werden, für sie ist kein Geld da
Die Europäische Sicherheitsstrategie nennt die Zahl von 45 Millionen Menschen, die jährlich an Hunger und Unterernährung und Krankheiten sterben. Es ist diese soziale Perspektivlosigkeit und die nackte Angst vor dem Überleben, die Menschen in die Gewalt treibt und die wiederum – da eine Beendigung der westlichen Ausbeutungspolitik nicht in Frage kommt – militärisch "befriedet" wird.
In diesem Zusammenhang ist es der Gipfel des Zynismus, dass viele der EU-Einsätze aus dem Topf des Europäischen Entwicklungsfonds bezahlt und somit der direkten Armutsbekämpfung entzogen werden.
Beispielsweise steuerte der Entwicklungsfond ca. 90 Mio.€ für den EU-Einsatz AMIS II im Sudan bei. Gleichzeitig tragen deutsche Großkonzerne, unterstützt von der Bundesregierung, dort massiv zur Eskalation des Konfliktes bei und der UN-Koordinator für Nothilfe im Sudan gibt an, es gäbe keine Gelder für die dringend notwendige humanitäre Hilfe!
Hierbei handelt es sich um eine skandalöse Zweckentfremdung von Entwicklungshilfe. Die Verantwortlichen hierfür gehören wegen der Veruntreuung von Steuergeldern angeklagt!
Fazit: No Justice, No Peace! Kein Friede ohne Gerechtigkeit!
Ohne grundsätzliche Änderung des neoliberalen Wirtschaftssystem wird es zu immer weiteren Konflikte kommen, die der Westen dann "befriedet" um den Teufelskreis aus Armut und Gewalt und damit den Dampfkessel der Globalisierungskonflikte halbwegs unter Kontrolle zu halten.
In diesem Sinne, "No Justice, No Peace!" Kein Friede mit der westlichen Kriegspolitik, kein Friede mit dem kapitalistischen System. Vielen Dank!