Siko-Proteste 2007 - Finanzierungskonferenz

Gegenaktionen 2007 * Magdy Gohary * Tobias Pflüger * Monty Schädel * Jeffrey Schevitz *

Rede zur Kundgebung am Freitag, 9.02.2007 auf dem Marienplatz

Heute findet die zweite Finanzierungskonferenz der „Nordafrika- Mittelost-Initiative der Deutschen Wirtschaft“ statt: Mitwirken werden hochrangige Vertreter von Unternehmen, internationalen Finanzierungsinstituten, Geschäftsbanken und Politik, aus Deutschland sowie aus Nordafrika und Mittelost. - Ein Einführungsreferat wird interessanterweise der persönliche Beauftragte der Bundeskanzlerin für die G8 Gipfel, Dr. Bernd Pfaffenbach, halten.

Worum geht es auf der 2. Finanzierungskonferenz Nordafrika-Mittelost?

Zwei Podiumsdiskussionen setzen die Schwerpunkte dieses Kapitalistentreffens:
  1. „Geschäftsmöglichkeiten für Investoren aus Nordafrika und Mittelost in Deutschland“.
  2. „Stärkung der Handels- und Investitionsbeziehungen mit Nordafrika und Mitttelost“.
Die Erschließung sogenannter „Schlüsselmärkte“ wie Algerien, Libyen und die Golfstaaten, alle finanziell gut aufgestellt wegen ihrer Erdöl- und Erdgasvorkommen, steht dabei im Vordergrund deutscher Wirtschaftsinteressen. Das in diesen Ländern vorhandene Anlagekapital soll zudem durch gezielte Maßnahmen der Standortwerbung, wie etwa auf dieser Konferenz, stärker für den deutschen Wirtschaftsstandort mobilisiert werden.

Ähnlich wie im Rahmen der EU-Osterweiterung drängt die deutsche Wirtschaft außerdem auf Privatisierung staatlicher Unternehmen und gleichzeitiger Aufhebung von Investitionsschranken in der gesamten Region. Deshalb fordert die Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft: „Die Rahmenbedingungen für Investitionen müssen den internationalen Standards angeglichen werden, z.B. die Möglichkeit von 100%-igem ausländischen Besitz. Die Öffnung im Banken-, Versicherungs- und Dienstleistungssektor sollte vorangetrieben werden“. - Zitatende

Dass es auf dieser Konferenz nicht ausschließlich um deutsche Wirtschaftsinteressen geht, belegt die Anwesenheit von Vertretern der „International FinanceCorporation“ - das ist eine Gesellschaft der Weltbankgruppe - und der „Europäischen Investitionsbank“.

Wer steckt hinter der Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft (NMI)?

Für Deutschland war die Neuordnung des Balkans und die EU-Osterweiterung entscheidendes Projekt der Neunziger Jahre, die Präsenz deutscher Unternehmen in der Mittelmeerregion war hingegen eher marginal. Um dieses „Defizit“ wettzumachen und deutsche Kapitalinteressen in der Region wahrzunehmen, wurde 1996 die „Nordafrika Mittelost Initiative“ vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) ins Leben gerufen. Zusammen mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag, dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels und dem Nah- und Mittelost-Verein. - Später kamen der Afrika-Verein sowie der Bundesverband deutscher Banken hinzu.

Die hochkarätige Besetzung des NMI-Präsidiums, u.a. aus den Chefetagen von Daimler-Chrysler, Siemens, Deutscher Bank, Commerzbank, ABB, MAN und Dresdner Bank, lässt darauf schließen, dass es der Initiative um lukrative Geschäfte für deutsche Konzerne und Banken geht. - Insgesamt betreut die Nordafrika- Mittelost-Initiative der Deutschen Wirtschaft 21 Länder der Region.

Weshalb eine Finanzierungskonferenz zu dieser Region?

Im letzten Jahr veröffentlichte die NMI einen Forderungskatalog an die neue Bundesregierung, der mit der Feststellung begann: „Nordafrika und der Mittlere Osten sind unmittelbare Nachbarregionen Europas. Hier liegen mehr als 50% der weltweiten Reserven an den wichtigen Energieträgern Erdöl und Erdgas“. - Zitatende

Um den bundesdeutschen Energiehunger zu stillen, drängen sich deshalb die rohstoffreichen Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens als Objekt der Begierde geradezu auf. Beispielsweise ist Libyen inzwischen der viertgrößte Erdöllieferant Deutschlands, unmittelbar gefolgt von Algerien auf Platz 5. Algerien ist zudem nach Russland der wichtigste Erdgaslieferant der EU.

Es geht jedoch nicht nur um die Ausbeutung der reichhaltigen Rohstoffvorkommen, sondern um die noch ungesättigten Absatzmärkte und billige Produktionsmöglichkeiten. Deutsche Unternehmen nutzen etwa Tunesien wegen des dort üblichen geringen Lohnniveaus und des Ausbleibens sozialer Proteste als zuverlässige Billig-Produktionsstätte. Um ausländische Investoren anzulocken wird der libysche Staat bis zum Jahr 2008 360 bisherige Staatsunternehmen privatisieren. Allein für die Überholung der Erdölindustrie sollen 8,6 Milliarden Euro an Auslandsinvestitionen angezogen werden. Prompt wurden bereits 2004 wieder die bundeseigenen Hermes-Bürgschaften für Investitionen in Libyen eingeführt.

Der Ressourcenreichtum in der Region weckt nicht nur Begehrlichkeiten von außen, sondern ist auch fatal für die eigene wirtschaftliche Entwicklung. Beispielsweise stammen 98 % der Staatseinnahmen Algeriens aus dem Erdöl- und Erdgasexport. Dies wirkt sich geradezu vernichtend auf die Entwicklung einer einheimischen produktiven Ökonomie aus, da die Deviseneinnahmen die Sicherung der Grundbedürfnisse ohne eigene Produktivität ermöglichen.

Ein weiteres statement aus dem Forderungskatalog der NMI lautet: „Instabilität und Konflikte in der Region Nordafrika/Mittelost berühren Europa und auch Deutschland direkt. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in diesem Raum werden die Sicherheit und den Wohlstand Europas im 21. Jahrhundert wesentlich mitbestimmen“. Zitatende

Es wird vom Westen zwar immer wieder die Respektierung der Menschenrechte, als Grundvoraussetzung für politische und Entwicklungszusammenarbeit, eingefordert. In der praktischen Politik scheint jedoch das unmittelbare Interesse an einer "Stabilität" zu dominieren. Wahlen, die jedes demokratischen Sinnes entleert sind, werden zum willkommenen Anlaß für die Unterstützung von Regimen herangezogen, die sich nur durch Terror gegen die eigene Bevölkerung an der Macht halten können.

Deutschland kooperiert seit Jahrzehnten mit den repressivsten Regimen in der Region: Saudi-Arabien, Tunesien, Algerien, Marokko und Libyen. Dies nicht zuletzt um unerwünschte Migration aus den afrikanischen Elendsstaaten in die europäischen Wohlstandszentren zu verhindern. So demonstriert Berlin mit einer eigenständigen Aufrüstung der nordafrikanischen Küstenüberwachung seine nationalen Handlungsoptionen. Die vom ehemaligen Innenminister Schily geforderten Auffanglager in den Maghreb-Staaten, sollen zudem die Abschottung der Außengrenzen des europäischen Wohlstandsblocks vervollständigen.

Andererseits wird die Anwerbung gesuchter Fachkräfte von der deutschen Wirtschaft, als ein wichtiger "Schlüssel des Standortvorteils" angesehen. Den Ruf der Kapitalisten nach einem maßgeschneiderten Zugriff auf die regionalen Arbeitsmärkte, gilt es mit dem "Schutz" der Wohlstandsinseln vor den Ansturm der "Unnützen" in Einklang zu bringen.

Ein flüchtiger Blick auf die Braune Vergangenheit

Zu den NMI-Trägerorganisationen gehören der Nah- und Mittelost-Verein und der Afrika-Verein, beide 1934 gegründet. In seiner Selbstdarstellung rühmt sich der Nah- und Mittelost-Verein auch seiner Erfolge in der Zeit des Nationalsozialismus, ohne diesen auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Bezeichnend ist zudem, dass der Hamburger Industrielle und frühere NS-Geheimdienstspezialist, Alfred Toepfer, einer der Nachkriegs-Vorsitzenden war. Toepfer finanzierte u.a. Thies Christophersen, den Autor des Buches „Die Auschwitz-Lüge“.

Der Afrika-Verein wiederum unterstützte aktiv die Politik des Naziregimes zur Rückgewinnung der Kolonien und die südafrikanische Nationalpartei bei der Etablierung der Apartheid, der Rassentrennung.

2 Konferenzen 1 Ziel

Der Mittlere Osten und Nordafrika werden vom Westen auch als „Krisenbogen von Marokko bis Pakistan“ bezeichnet und als Zentrum internationaler geopolitischer Ordnungsbemühungen und Auseinandersetzungen eingeschätzt. Während der Sicherheitskonferenz 2004 versuchte deshalb der damalige Außenminister Fischer eine „transatlantische Initiative für den gesamten Mittelmeerraum“, auf die Tagesordnung zu setzen. Der BDI ergriff die Gunst der Stunde und beraumte für 2005, unter dem Slogan „spezifische Sicherheitsinteressen behindern Handel und Investitionen in der Region“, die 1. Finanzierungskonferenz an, ganz bewusst in Kooperation mit der Sicherheitskonferenz.

Die Angliederung der Zusammenkunft der deutschen Wirtschaftselite an die Münchner Militärkonferenz ermöglicht nämlich einen Abgleich wirtschaftlicher und militärischer Expansionskonzepte. Die Eliten aus Wirtschaft, Militär und Politik treffen sich an diesem Wochenende hier in München, um weitere Pläne für die Umgestaltung der Region nach kapitalistischen Verwertungskriterien zu entwerfen. Machen wir den Kriegstreibern im „Bayerischen Hof“ und den Wirtschaftsbossen im „Haus der Bayerischen Wirtschaft“ mit unseren Aktionen deutlich, dass sie hier nicht willkommen sind - auch nicht anderswo.