Günter Wimmer am 21. Juli 2006 auf dem Odeonsplatz
Stoppt Israels Feldzug gegen die arabischen Nachbarn und die Besatzung Palästinas!
Gegen j e d e n Rassismus wie etwa Antisemitismus oder Verachtung und Vernichtung von Arabern!
Ich möchte drei miteinander verschränkte Stichworte
aufgreifen, die weitgehend das Denken beherrschen: Verteidigung,
Sicherheit, Frieden.
Wenigstens ein paar Facetten davon beleuchten!
Ich werde hauptsächlich von Erfahrungen in der Westbank berichten,
erkläre dann aber, was das mit dem Libanon zu tun hat. Im
übrigen bin ich überzeugt, dass der derzeitige Libanon-Krieg
ganz wesentliche Wurzeln in der „Palästina-Frage“ hat,
weshalb auch dort endlich viel engagierter Lösungen gesucht und
gefunden werden müssen.
Engagiert bin ich seit vielen Jahren u. a. im Münchner
Friedensbündnis sowie im jüngeren Münchner Bündnis
gegen Krieg und Rassismus.
In Israel und in der Westbank war ich Februar/März 2002,
jeweils April/Mai 2003 und 2004, zwei Monate lang September bis
November 2005 und zuletzt wieder einen Monat lang im Mai dieses
Jahres. Wir erleben die jeweils vielfältige Situation mit ihren
Schrecken, Ängsten, Hoffnungen etc. in Israel und in der Westbank.
Als Internationale können wir uns auch nicht völlig frei
bewegen, aber letztlich doch meist überall hin. Ganz anders als
die Israelis und Palästinenser: Die meisten Israelis trauen sich
als Zivilisten nicht in die Westbank, abgesehen von den dortigen
israelischen Siedlungen, erreichbar auf weitgehend nur Israelis
vorbehaltenen Siedlerstraßen.
Zumal ihnen ihre Regierung auch die meisten anderen Regionen in den
besetzten Gebieten zu befahren und betreten verbietet. Dies angeblich
zu ihrem Schutz. Tatsächlich aber hauptsächlich, weil es mehr
als lästig ist, wenn die – die inneren und
äußeren, jeweils meist unsichtbaren
„Grenzen“ überwindenden – Israeli „auf der
anderen Seite“ erleben und zuhause berichten, was das
Militär im Besatzungsgebiet anrichtet und wie die
Palästinenser wirklich leben und sind. Israelische Soldaten
erleben Palästinenser bei ihren – deren Leben zumindest
belastenden – Aktionen wie Dienst an Checkpoints, bei
nächtlichen Hausdurchsuchungen und vielem mehr in der Regel als
reserviert bis ablehnend, subjektiv oft auch als bedrohlich. Und es hat
„natürlich“ auch schon Anschläge auf Soldaten
gegeben. So bewegen sich auch Soldaten in den besetzten Gebieten trotz
häufigen Eindringens in ihnen „nach Oslo“ eigentlich
versperrte Zonen oder in Privathäuser bis in die Schlafräume
hinein zwar oft sehr „ungeniert“-verletzend, letztlich aber
auch nicht wirklich „frei“. Und Palästinenser
dürfen aus ihrer Stadt oder ihrer engeren Dorfregion allenfalls
mit – von den israelischen Behörden äußerst
restriktiv vergebenen – Permits fahren, wenn sie Glück haben
etwa zur Arbeitsstelle.
So waren seit Beginn der 2. Intifada, also Herbst 2000, die meisten
Leute z.B. aus Bethlehem, auch wenn sie Verwandte dort haben, nicht
einmal im nur 30 km entfernten Hebron oder gar im – bis zur
Innenstadt! – nur 11 km entfernten Jerusalem, also dort auch
nicht im muslimischen oder christlichen Teil bei ihren Verwandten (und
umgekehrt). Und selbst der Besitz eines Erlaubnisscheins garantiert
nichts: Ich erlebte an ständigen oder temporären Checkpoints
mehrmals offensichtlich willkürliche massive Verzögerungen
und auch Zurückweisungen. Das beeinträchtigt dann
natürlich auch die Arbeitgeber empfindlich und belastet insgesamt
mit die so dringend nötige wirtschaftliche Entwicklung.
Recht auf Selbstverteidigung
Natürlich haben Bush und Merkel Recht, dass Israel ein Recht auf
Selbstverteidigung hat. Wie jeder andere Staat oder auch jeder Mensch.
Und die tief sitzenden Traumata aus Pogromen durch Jahrhunderte und
dann alles übersteigend aus dem Holocaust müssen wir ernst
nehmen, und wir tun dies. Dennoch: Auch unsere Bundeskanzlerin
macht sich des Verbrechens der Beihilfe zu Menschen- und
Völkerrechtsverletzungen mitschuldig, wenn sie die Fortdauer der
Angriffe auf ebenso wenig schuldige Araber dadurch letztlich
fördert, dass sie nicht dazu sagt: Die Angriffe im Gazastreifen
und im Libanon sind eben keine "Selbstverteidigung"! Weil die
„Anlässe“ (zunächst: relativ wenig
zerstörender, aber natürlich immer ängstigender Beschuss
durch Qassamraketen, dann Entführung von Soldaten) nicht der
wirkliche Grund, sondern vorgeschobene Grund sind, und weil sie
ihrerseits nicht ein erster Zug im tödlichen Spiel sind, sondern
bereits Reaktionen (Ohne Qassamraketen gutzuheißen: Wenn die
Weltöffentlichkeit den israelischen Rückzugs aus dem Gaza als
„Friedensangebot“ missversteht, aber die unerträglich
abgeschlossen-eingesperrte Situation von 1,4 Mio. Menschen trotz
Erklärungen auf Konferenzen etc. nicht wahrnimmt: Muss es dann
verwundern, dass einige in dieser einzig ihnen verbleibenden Form auf
ihre Situation aufmerksam zu machen versuchen?). Im Übrigen ist
Kollektivbestrafung auch internationalrechtlich verboten, kann nie
wirklich gerechtfertigt werden. Und selbst, wenn es eine zunächst
verständliche Bestrafung und Schutzmaßnahme wäre: Sie
wäre weit überzogen, in ungeheuerlichem Prozentsatz und auch
in grauenhaften absoluten Zahlen werden unschuldige Zivilisten
getötet, verletzt, ihrer Habe beraubt. Dazu wird – sogar
noch gezielt! – lebenswichtige Infrastruktur (z.B.
Stromversorgung, Brücken) zerstört, was den angeblichen
Aktionszwecken (Soldat befreien, Terroristen entwaffnen bzw.
entsprechende Strukturen ausschalten) nicht oder allenfalls nur
zufällig dient, meist aber gerade kontraproduktiv wirkt, weil
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben... Gleiches gilt für
den Libanon. Dort etwa wurde die Hisbollah in den frühen
1980-er-Jahren gerade durch das Vorgehen israelischen Militärs
(inklusiv Gewährenlassen, ja Absichern von Massakern durch Dritte,
„Christen“) stark!
Schutz der israelischen Bevölkerung?
Oder den bzw. die Soldaten freibomben? Nein, es geht der Regierung um
anderes. Im Fall Gaza will sie in Wirklichkeit eine gewählte
Regierung endgültig liquidieren. Über die vorher („Wir
haben keinen palästinensischen Gesprächspartner“) immer
als u. a. korrupt abgelehnte, aber nun, wenn noch sorgfältiger
„auszusiebend“, als doch noch leichter dirigierbar erkannte
Fatah-Regierung will Israel in der Westbank dem Ziel näher zu
kommen, sich immer noch mehr Teile von Palästina
einzuverleiben. Und im Libanon soll im Verbund mit den USA die erst vor
kurzem dort protegierte Regierung in eine noch willfährigere, ihr
Land wie die derzeitige Irakregierung gänzlich
„ausverkaufende“ neue ausgetauscht werden. Und es
würde mich nicht wundern, wenn auch damit gepokert würde,
dass der über kurz oder lang verständlicherweise nach Syrien
überschwappende Protest bzw. Angriffe von dort dann „Grund
genug“ sind, auch gleich dort „endlich
aufzuräumen“. Syrien hat, gewiss, eine despotische Regierung
– wie es freilich viele „anerkannte Partner“ der USA
sind! – aber dort die Menschenrechte und
„Demokratisierung des Landes“ durchzusetzen wäre so
glaubwürdig und so schrecklich „wirkungsvoll“ wie etwa
im Irak. Die sich immer wieder abwechselnden Behauptungen israelischer
Spitzenpolitiker, es gehe im Libanon darum, die Hisbollah zu
entwaffnen, auszulöschen, hinter eine Pufferzone von mal 40, mal
30 km zurückzudrängen (Beirut liegt weit jenseits solcher
Korridore, wird aber flächenweise zerstört) machen alles
nicht glaubwürdiger. Und 1982 in ähnlicher Situation wurde
Hisbollah erst richtig stark. Es kann nicht funktionieren, alle
Gewalttäter auszuschalten. Dann kommen weiter reichende Raketen.
In einer z.B. 500-km-Zone läge sogar das südlichste Eilat.
Den Menschen in Israel, verständlicherweise verängstigt, aber
über die realen Gefährdungen hinaus von der Regierung
langfristig großenteils medial „hartgekocht“,
geht es zwar - verständlicherweise - um ihre Sicherheit.
Leider glauben die meisten aber nicht oder nicht mehr an die Möglichkeit, in
Frieden mit Arabern leben zu können. So denken zu viele statt an
umfassende Lösungen unter Einbeziehung auch der vitalen Interessen
„der anderen“ „einfach“ an
„Maßnahmen für die eigene
‘Sicherheit‘“.
Und es stellt eben nur eine Minderheit der jüdischen Israelis, die
es wagt, die mentale wie die politische „Greenline“
zwischen Israel und Palästina zu überschreiten, fest: Der
ganz, ganz große Teil der Palästinenser hat längst das
Existenzrecht Israels anerkannt, will in Frieden mit auch diesem
Nachbarn leben, und wäre dazu fähig! – Wenn sie denn
überhaupt wirklich leben könnten, ihnen also die
Lebensgrundlagen nicht immer noch mehr vorenthalten würden, und
wenn „man“ (auch die Weltöffentlichkeit) ihnen zu
einem selbst bestimmten Leben in Würde verhelfen würde.
Gewiss, es gibt auch andere Palästinenser:
Die nach jahrzehntelangem eigenen Leiden oder bei jungen Menschen ihnen
ebenfalls buchstäblich in Herz und Nieren steckendem Leiden ihrer
Familien verzweifelt oder hasserfüllt in totale Hoffnungslosigkeit
abgerutscht sind (das sind dann solche, die ihrem buchstäblich
aussichtslosen Leben ein Ende bereiten, dabei dann „aber
wenigstens noch einige aus dem Volk der Peiniger“ mit in den Tod
nehmen wollen).
Und es gibt schließlich die wenigen, die aus ideologischen
Gründen nach wie vor das Existenzrecht Israels ablehnen, nicht an
für beide Bevölkerungen akzeptierbaren Lösungen
interessiert sind (was insoweit meiner Beobachtung nach für einen
viel größeren Prozentsatz der Israelis gilt!) und von denen
wiederum ein Teil dann (weil sie auf palästinensischer Seite nicht
auf die Militärmaschinerie zurückgreifen können)
für die total und damit tödlich Verzweifelten die dazu
erforderliche Infrastruktur wie Suizid-Sprengstoffgürtel und
„Einsatzpläne“ organisiert.
Wobei wir Internationalen alle so erstaunt sind, dass – so
schrecklich jede einzelne Explosion eines Menschen und das Leid der
wiederum unschuldig Mit-Getroffenen ist – die Zahl solcherart
aggressiver Palästinenser angesichts des erlittenen Leides in dem
Volk von ca. 3,5 Mio. Menschen so erstaunlich gering ist.
Jedenfalls realisieren zumindest die Israelis, denen das Schicksal auch
der Palästinenser nicht – wie vielen ihrer Landsleute
– „egal“ ist: Suizidanschläge, Qassam- und aus
dem Libanon Katjuscharaketen zeigen: So unüberwindlich und hoch
können Mauer -und Zaun-Anlagen, so stark kann ein Militär nie
sein, dass Israel dadurch wirklich geschützt werden kann.
Militär ist nur scheinbar effektiv, in Wirklichkeit – und
noch verstärkt, wenn derart martialisch –
kontraproduktiv.
Frieden und daraus folgend ein zumindest relatives Maß an Sicherheit erwächst aus ganz anderen Essenzen:
- Aus Gerechtigkeit, damit u. a.
- aus der Möglichkeit für die Menschen auf beiden Seiten, selbst bestimmt und in Würde zu leben.
Aber all den Regierungen in Israel bisher ging und geht es - entgegen
aller Beteuerungen -. nicht um Frieden: Es geht um Erweiterung Israels.
Wenig beachtet, aber verräterisch wird die Idee des
Groß-Israel als Mini-Karte auf jeder 10-Achorot-Münze
gleichsam in alle Hände gelegt!
Es geht auch Olmert nicht um Frieden mit den Palästinensern,
sondern in einem noch brutaleren Sinn als beim einseitig dekretierten,
eben nicht mit der Palästinensischen Autonomiebehörde
vereinbarten und in den Modalitäten abgestimmten Abzug aus dem
Gazastreifen: „Frieden“ ohne Palästinenser, ohne diese
„Fremden“. Dazu, um das zu „rechtfertigen“,
müssen diese als Terroristen beschimpft, entmenschlicht verteufelt
werden! Es geht um Vertreibung, die man aber nicht so nennt, nicht mal
– ohnehin „fortgeschritten“ schon beschönigend
– „ethnische Säuberung“.
Das noch mehr verharmlosende, verhüllende offizielle Wort
dafür ist TRANSFER. Und dennoch: Immer wieder führen sogar
Minister – Arroganz der Macht – in schonungsloser,
zynischer Offenheit aus: Den Palästinensern sollen die
Lebensmöglichkeiten - mit ganz verschiedenen Mitteln - immer noch
mehr geraubt, ihnen soll das Leben gänzlich unerträglich
werden, bis hin zu "gezielten Tötungen" (Terror unter dem
Vorwand der Terroristenjagd) und etwa Unterbindung von
Hilfslieferungen, so dass Lebensmittel, Medikamente etc. fehlen. Damit
die restlichen überlebenden „Araber“ endlich auch
verschwinden, auswandern, sich in der Welt vollends zerstreuen. Das
nennt das internationale wie das deutsche Strafrecht Völkermord.
Auch wenn ein dann genügend kleiner Rest verbleiben wird/, um
unvermeidliche niedrige Arbeiten erledigen zu
„dürfen“, dann auch womöglich noch dankbar,
wenigstens diese Anstellung zu finden... Was in Israel geschieht, ist
eng verflochten mit und teilweise ein Vorreiter von
„Erscheinungen“ des Neoliberalismus, Auswüchsen der
globalen Entwicklungen.
Es gibt in Israel die Tageszeitung Haaretz. Aber sie wird von viel zu
wenigen Menschen gelesen. Weil sie dort in vielen Artikeln lesen
könnten, was das Militär anrichtet. Dass das allermeist keine
Vergeltungsaktionen sind, sondern die Umsetzung einer
Vertreibungspolitik ist. Weil dort die Menschen auf beiden Seiten, also
auch die Araber und speziell Palästinenser, ein Gesicht bekommen,
mit ihren vielen Facetten und damit v. a. in ihrem Leid vorgestellt
werden. Damit nicht mehr einfach als Terroristen abgetan werden
können. Das wollen viele nicht lesen, weil sie dann gewohnte
Anschauungen und vertrautes Verhalten überprüfen und
über Bord werfen, ihre eigen Regierung in die Pflicht nehmen
müssten, politische Forderungen aufstellen und vertreten, sich
also zunächst außerhalb des Mainstreams stellen, sich
angreifbar machen (Freilich: Wir brauchen nicht auf diese Menschen
herunter zu schauen. Wie wenig informiert sind wir oft, und wie viel
wissen wir trotzdem, und wie wenig tun, „realisieren“
wir!). Jüdische Freunde wie Gideon Levy, Journalist der Haaretz,
sagen klar: In den mehrfach erfolgten monatelangen Pausen zwischen den
schrecklichen Serien von Selbstmordattentaten wurden die
Drangsalierungen an Checkpoints nicht weniger, die
Hauszerstörungen, die gezielten Tötungen nicht beendet, die
Zahl der palästinensischen Gefangenen in Israels Gefängnissen
von 8 auf 10.000 erhöht (z.B. vor den Kommunalwahlen und kurz
darauf vor der Parlamentswahl wurden viele mutmaßlich
„falsch“ Wählende – insbesondere der Sympathie
für Hamas „Verdächtige“ – unter
Vorwänden inhaftiert; aber auch viele Kandidaten, damit sie nicht
gewählt werden konnten!!).
Sehr viele Anklagen und Urteile würden wirklich rechtsstaatlicher
Überprüfung nicht standhalten, führen aber zu
jahre-, jahrzehnte- und auch lebenslanger Haft. Darüber
hinaus bleiben sehr viele – denen wird oft nicht einmal gesagt,
was sie denn verbrochen haben sollen – ohne Anklage und damit
ohne Urteil in sog. „Administrativhaft“, monate- und
jahrelang eingesperrt! Palästinenser hören den Satz, Israel
sei der einzige Rechtsstaat im Nahen Osten, mit Bitterkeit: Sie selbst
bemühen sich, mit Erfolg, um eine rechtsstaatlich saubere Wahl,
aber Israel stört diesen Prozess ganz massiv und handelt
hinsichtlich Palästinensern ganz oft, als gebe es keine
Grundrechte. Auch Fatah-Anhänger, auch Fatah-Bürgermeister in
der Westbank sagten mir: Wenn Hamas die Wahlen landesweit gewonnen hat,
dann muss sie auch regieren dürfen. Sie verstehen nicht recht,
wieso im Gaza solche Kämpfe zwischen Fatah und Hamas toben, sie
jedenfalls könnten bei aller Unterschiedlichkeit von
politischen Zielen und Wegen gut zusammenarbeiten! Zurück zu
den massiven Wahlbeeinflussungen mittels Verhaftungen: Wundert es, dass
sich „das Volk“ das „nicht bieten“ lassen
wollte und nicht so wählte, wie es von ihnen erwartet wurde?
Abgesehen davon, dass sie selbst die korrupte Vorgängerregierung
mehrheitlich ablehnten. Die Wahl war also überwiegend nicht eine
Hinwendung zum Islamismus, sondern ein Ausdruck der Ablehnung der
Fremdbestimmung. Außerdem ist „die“ Hamas ein so
vielfältiges Gebilde, dass – für mich gerade im Mai des
Jahres sehr erkennbar – zwischen den Flügeln auch wirklich
um die angemessenen Lösungen gerungen wurde. Wir sollten sie also
nicht versimplifizieren, nicht verteufeln, sondern behutsam (!) die
dort durchaus auch starken Reformer, die realistischen Kräfte
fördern, und nicht durch Pauschalverurteilungen wieder
„Schulterschluss“ provozieren. Selbst Avi Primor wies im
Februar darauf hin, dass die Hamas in der ganzen Westbank nicht eine
einzige Moschee, aber medizinische und Sozial-Stationen baute
(angesichts der Not viel zu wenig, so viel sie mit ihren schwachen
finanziellen Kräften halt schaffte)! Es gibt in der Hamas
militante und fundamentalistische Strömungen. Viel bedeutsamer,
tragend (und für viele andere Palästinenser lebenswichtig)
sind vor allem die sozialen Aufgaben, denen sich viele Hamasleute
beständig verschrieben haben; nicht nur, wie von israelischer
Seite oft gesagt wird, um „Menschen nur zu ködern“.
Ähnlich soll es übrigens auch bei der Hisbollah im Libanon
sein, wozu mir aber eigene Erfahrungen fehlen.
Ich fragte im Mai eine seit Jahren in Palästina lebende
Internationale, wie sie die Entwicklung z.B. hinsichtlich Hamas
einschätzt. Sie meinte, sie sehe die Gefahr: Die Hamas hatte ja
vor den Wahlen offensichtlich ehrlich versprochen, insbesondere im
sozialen Bereich für Entlastung und spürbare Verbesserungen
zu sorgen; „Dank“ der gesperrten Rücküberweisung
der den Palästinensern zustehenden Steuern und Abgaben, aber auch
der Sperrung der EU-Gelder und insgesamt der Konten (so dass
nicht einmal private, institutionelle oder staatliche Hilfen
ankommen) wird die Situation aber ja nochmals schlimmer. Hier
könnten eben fundamentalistische Kreise innerhalb der Hamas
versucht sein, dann ihrer speziellen Klientel wenigstens
„etwas“ zu bieten: Bildungsprogramme für Frauen und
auch deren Rechte einschränken. Wenn die anderen
Hamas-Gruppierungen und Strömungen nichts vorweisen können,
können sie reaktionären Strömungen auch kaum etwas
entgegensetzen. Das Ergebnis wäre, dass „der“ Westen
dann sagt: Wir haben es ja immer gewusst, worauf „die“
Hamas hinarbeitet – ohne zu realisieren, dass wir am Ergebnis
kräftig Mitverantwortung tragen...
Wenn von palästinensischer Seite keine Gewalt ausgeübt wurde,
nahm "die Welt" das Leid der Palästinenser kaum mehr wahr. Aber
die unmenschliche und insgesamt völkerrechtswidrige Besatzung mit
unendlich vielen menschenrechtsverletzenden Einzelaktionen wie etwa
zermürbenden nächtlichen Razzien ging und geht weiter. Und
als „Extras“:
In der Westbank werden entgegen Kriegsvölkerrecht, entgegen der
„Roadmap“ und entgegen allen Beteuerungen weiter Siedlungen
ausgebaut, vergrößert, auch ganz neue gebaut, der Landraub
und die Zerstückelung des Rests also immer noch mehr
„zementiert“ (bzw. betoniert) .
Im Gaza wurden und werden 1,4 Mio. Menschen derart abgeriegelt, dass
sie vom so notwendigen Außenhandel abgeschnitten sind; damit gibt
es viel zu wenig Produktion und Dienstleistung, damit in diesem
weltweit größten faktischen Gefängnis noch weiter
gestiegene Arbeitslosigkeit – und keine Perspektiven!
Ohne dass ich Gewalt befürworte: Gegen Besatzung und
Besatzungskräfte (nicht gegen unbeteiligte Zivilisten) ist
Widerstand inklusive Gewalt völkerrechtlich legal! Aber dies
zählt für viele leider nicht. Wenn in dieser Not ein
Angehöriger dieser peinigenden, die Luft abschnürenden Armee
gefangen genommen (und durchaus auch gefeiert) wurde, dann schreit
„die Welt“ wenig wegen der wirklichen Gewalt-Ursachen auf,
sondern wegen der im Vergleich dagegen winzigen, aber angeblich
„ungeheuerlichen Gewalt-Übergriffe“ der
Palästinenser. Ein israelischer Soldat sagte mir im Herbst letzten
Jahres „The Palestinians don't count“. Sie zählen
nicht. Wie die Tausende gefangenen Palästinenser. Aber wegen
des 1 israelischen Soldaten (wo in
vergleichbaren Fällen bisher mehrmals und meist recht
geräuschlos der Austausch mit wenigstens einigen der arabischen
Gefangenen funktionierte) wurde und wird nun statt entsprechender
Verhandlungen die Gaza-Bevölkerung u. a. mit Panzer-,
Apache-Hubschrauber- und F4-Raketen beschossen, die ungleich
zerstörerischer und todbringender sind als alle
palästinensischen Qassam. Hinter solchen Haltungen und
verharmlosend „Militäraktionen“ genannten
Terror-Unternehmen steckt gnadenlose, die Chance und Macht nun endlich
voll ausnutzende Politik. Und tiefer Rassismus! Palestinians don't
count... Viele Beispiele könnte ich erzählen, etwa von
Graffitis wie „Gas the Arabs“, also vergast die Araber.
Und die Entführung der beiden Soldaten in den Libanon? Ich kann
dies nicht belegen, hörte aber glaubwürdig, dass sie
innerhalb ihrer Einheit (völkerrechtlich unerlaubt) im Libanon
„operierten“ und dort festgenommen, also nicht in den
Libanon „entführt“ wurden! Natürlich versucht der
iranische Präsident Ahmadinedschad sein
„Süppchen“ zu kochen, zu „schüren“.
Aber ein wesentlicher Grund der Verschleppung dieser zwei israelischen
Soldaten war offensichtlich zum einen der Versuch, in Solidarität
mit den – nach dem Coup der dortigen militanten
Gruppen zusätzlich so geschlagenen –
Gaza-Palästinensern sie zu entlasten und deren Chance auf
Gefangenenaustausch zu erhöhen, zum anderen eine eigene Chance zu
eröffnen, ihre eigenen ebenfalls größtenteils zu
Unrecht in israelischen Gefängnissen einsitzenden Kameraden per
Gefangenenaustausch herauszuholen. Erneut fragen die israelischen
Politiker (und „unsere“ wie etwa Steinmeier, Merkel, Rice
oder Bush!) wie leider auch die Mehrheit der Israelis (und vielleicht
auch bei uns) nicht nach den Gründen, sondern sehen sich bzw. die
Israelis nur ungerechtfertigt angegriffen und meinen, "die Araber
verstehen nur die Sprache der Gewalt". Ich betone nochmals, das ist
– ich finde: besonders schrecklich bei einem Volk, das so sehr
unter Rassismus gelitten hat – purer Rassismus.
Ich sagte einer Rabbinerin, Mitglied der Rabbis for Human Rights, auf
einer gemeinsamen Fahrt in der Westbank, der sog. Sicherheitszaun (eine
monströse Sperranlage, nicht nur dort, wo es die 8 m hohe Mauer
ist) sei schlicht weiterer Land- und Wasser-Diebstahl, habe nichts mit
Sicherheit, nichts mit dem berechtigten Wunsch nach Sicherheit für
Israelis zu tun. Sie pflichtete mir nicht nur bei, sondern betonte:
Nothing has to do with security! Das alles hat nichts mit Sicherheit zu tun!
Lassen Sie mich ein anderes Instrument herausgreifen. Ich hatte lange
gebraucht, bis ich sicher war, dass nicht einmal die Checkpoints
– trotz aller vordergründigen Aktivitäten dort –
das wirkliche Ziel haben, zu checken im Sinn von Kontrolle zur
Erhöhung der Sicherheit für Israelis. Ich bin gerne bereit,
nach der Kundgebung auf Anfrage weitere Beispiele zu nennen und Karten
zu zeigen, möchte hier nur 1 Beispiel kurz schildern:
In Hebron gibt es den TelRumeidaBezirk, einen Stadtteil am Rande der
Altstadt. Dort und in anderen Teilen ist, wie im Osloprozess
vereinbart, für die Sicherheit zuständig nicht die sog. PA,
die Palestinian Authority oder Palästinensische
Autonomiebehörde, sondern Israel. Im TelRumeidaBezirk leben in
einigen Häusern sog. Siedler, Israelis, in unmittelbarer
Nachbarschaft aber auch Palästinenser. Weil für die
Palästinenser der Zugang so erschwert ist (Umwege z.B. durch
Gärten, um israelischen Häusern nicht „zu nahe zu
kommen“, dennoch Schläge, Steinwürfe -!- und auch
stärkere Bedrohungen durch Israelis) gibt es von
schätzungsweise 20 Läden nur noch einen einzigen
Lebensmittelladen, 1 Stoffzuschneidebetrieb in einer Garage und einen
ebenfalls winzigen Lederzuschneidebetrieb für die
berühmte Hebroner Schuhfabrikation. Viele Bewohner sind
weggezogen. Die verbliebenen müssen also (wenn sie überhaupt
eine Arbeitsstelle haben, denn auch im sonstigen Hebron ist die
Arbeitslosigkeit enorm hoch) täglich mindestens zweimal „zur
Gewährleistung der Sicherheit der jüdischen Bewohner des
Bezirks“ einen bestimmten Checkpoint passieren. Ebenfalls –
in anderer Richtung – Lehrerinnen und ein Großteil der
Schülerinnen der von früher her im Rumeida-Bezirk stehenden
Cordoba-Mädchenschule, deren Sprengel aber weit darüber
hinausreicht. Je nach Soldaten-Mannschaft etwas unterschiedlich,
aber oft sehr, sehr ekelhaft und langwierig findet trotz Metalldetektor
(übrigens auch hinaus, nicht nur beim Weg in den
Sicherheitsbezirk) oft noch umständliche Taschenkontrolle,
Befragung und immer wieder willkürliche Verweigerung des
Durchlasses statt. Viele schlimme Erlebnisse könnte ich
erzählen. Zum Beispiel gerade im Fastenmonat Ramadan, wo die
Menschen nach heißen Tagen hungrig und durstig großenteils
von der Arbeit nach Hause eilen und so kurz wie irgend möglich
nach Sonnenuntergang und natürlich im Kreis der Familien –
endlich – das tägliche Fastenbrechen begehen wollen (Auch
wenn oft nicht viel am Tisch steht, aber immer in festlicher Stimmung:
Jedes Mal eine wichtige kleine Familienfeier). Etliche Soldaten hielten
nach Hause Eilende und damit deren Familien besonders lange hin.
Aber nun kommt es: 400 m vom Checkpoint entfernt, den Hügel
hinauf, kann jede und jeder völlig ohne Checkpoint in den unten so
"bewachten" Bezirk und auch heraus gehen. Kein Soldat, kein Polizist,
keine sonstige Kontrolle. D.h. wenn die Palästinenser so
gefährlich wären, hätten sie seit Jahren stangen- und
Rucksackweise Sprengstoff und Waffen hereintragen können. Nur: Der
tägliche Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen, oder auch der
Weg zum Arzt, zur Behörde ist dort "außenherum" in aller
Regel nicht möglich, weil sich die Straße innen eben
über die 400 m sehr steil eine hohe Geländestufe
hinaufwindet, zu der es außerhalb des Bezirks keine Straße
hinauf gibt. D.h. sie müssten täglich 6 km mit Sammeltaxi
einen Umweg fahren, im spitzen Winkel weg und dann zurück, um
außen dorthin zu kommen. Das kann aus finanziellen Gründen
niemand! Privat-Pkw ist diesen Palästinensern gar nicht erlaubt,
abgesehen davon, dass viele andere natürlich auch keinen haben.
Also: Auch hier ist der Alltag massiv erschwert, aber der angebliche
Sicherheitscheck am Checkpoint ist nur Zeitdiebstahl und immer wieder
neue Lebens-Behinderung, Demütigung, Entwürdigung.
Das hat mit der Sicherheit mit Sicherheit nichts zu tun, schürt allenfalls Zorn, Wut und Hass.
Ich schildere dieses eine von - bitte glauben Sie mir - vielen erlebten
Beispielen, weil es im „Kleinen“ zeigt, was im
Großen, so auch jetzt im Libanon gespielt wird: Was als
Sicherheitsmaßnahme oder Terroristenjagd „verkauft“
wird, ist allermeist einfach ein massiver willkürlicher Eingriff
in das Leben, Einbruch in Privat- und Familiensphären, oft auch
zusätzliche Behinderung im ohnehin danieder liegenden
Geschäftsleben, um die Wirtschaft vollends kaputt und die Menschen
mürbe und bereit zum Auswandern zu machen. Diese
(Ausreise-)Anträge werden dann auch interessanterweise sehr
schnell bearbeitet, während die israelische Bürokratie
– wenn es sonst um Palästinenser geht – meist
unerhört langsam und restriktiv arbeitet. So ist es (wenn der
Emigrationswillige die Aufnahmezusage eines Ziellandes erhält!)
insofern auch viel leichter auszuwandern, als etwa eine Genehmigung zu
erhalten, Europa einfach zu besuchen (wenn er dort freilich
Vorträge über die Situation zuhause halten will, darf er das
nicht zu erkennen geben (Genau so, wie wir Internationale bei der Ein-
und Ausreise-Befragung einfach Touristen sind, kein Wort von unserer
Friedensarbeit sagen können, weil wir sonst zurückgeschickt
werden oder wie bereits Dutzende vor uns ein Wiedereinreiseverbot
erhalten. Wir gelten als Staatsfeinde, obwohl nicht das Benennen der
Missstände, sondern diese selbst verfolgt werden sollten. Ich bin
überzeugt, dass wir im Sinn der so überfälligen
Versöhnung und damit auch der jüdischen Israelis handeln,
auch wenn dies viele dies und anderes nicht „wahrhaben“
wollen). Die Auswanderung der Palästinenser, sollte ich noch
anmerken, erfolgt dann freilich i. d. R. mit allen Konsequenzen und
ohne Rückkehrrecht. Was eines Rechtsstaats auch nicht würdig
ist. .
Wie oft werden wir Internationalen gefragt/gebeten: Erzählt Ihr
auch, was Ihr hier erlebt?! Sie wissen, dass viele unserer Medien sehr
selektiv berichten. So ist z.B. klar, dass der Korrespondent Thorsten
Schmitz der Süddeutschen Zeitung, von der doch viele Leser
zuverlässige Informationen erwarten, Kritik an der israelischen
Regierung allenfalls in so geringen Dosen bringt, dass er es nicht
gefährdet, von ihr weiter „mit Informationen versorgt“
zu werden, um so mit möglichst wenig aufwändigen Recherchen
leicht „berichten“ zu können. Er liest sich
streckenweise wie eine Verlautbarung des israelischen Militärs.
Wie selten fährt er in die Westbank! Und dann mit gelbem,
israelischem Kennzeichen, meist auf Siedlerstraßen, an
Checkpoints durchrauschend, kaum erlebend, wie das Leben dort und sonst
wirklich aussieht. Und selbst das Gespräch mit
Palästinensern! Wie viele haben Angst, dass ihre Kritik so
(weiter-) berichtet werden könnte, dass Militär oder
Geheimdienst seine Identität entschlüsseln können! Oder:
z.B. die Touristen oder Pilger, die nach Bethlehem fuhren, meinen, sie
hätten doch vom dortigen palästinensischen Reiseleiter die
Situation aus erster Hand erfahren. Sie wissen nicht, dass viele
israelische Reiseleiter, wenn sie die Gruppe am Checkpoint wieder in
Empfang nehmen, harmlos plaudernd stichprobenartig in Erfahrung bringen
wollen, was „der drüben“ denn so erzählt hat. Und
wenn dann – arglos – etwas zuviel „rüber
kommt“ von den Drangsalen durch die Einschnürung durch die
Separations- oder Apartheidmauer... (Dieser Begriff ist z.B. bei der
Israelitischen Kultusgemeinde als „diffamierend“ verfemt,
wird aber auch von jüdischen Südafrikanern verwendet, die
beide Situationen gut kennen!) Oder der palästinensische
Reiseleiter verwies zu stark auf die vielen Probleme mit den auch
Bethlehem zusätzlich einschnürenden Siedlungen. Oder er
berichtet gar Erlebnisse während der Ausgangssperren und
Beschießungen und sonstigen Zerstörungen, etwa durch ganze
Straßenzeilen aufreißende oder ebenso mutwillig Autos
überrollende Panzer, oder gezielte Tötungen oder...
Dann wird solch ein palästinensischer Reiseleiter halt
künftig nicht mehr als „Partner“ verpflichtet. Da aber
die Arbeitslosigkeit in der durch z.B. viele christliche Stellen von
außen noch relativ stark unterstützten, also „relativ
privilegierten“ Stadt Bethlehem trotzdem bei über 40 % liegt
und der oft einzige „in Brot und Lohn Stehende“ meist eine
verzweigte Familie mit zu füttern hat... Können Sie sich
vorstellen, wie viel Not der Reiseleiter Fremden gegenüber
wirklich offenbaren wird?
Ein griechisch-orthodoxer Priester in Ramallah bat mich im Mai: Please
tell the truth. Sag draußen, was wirklich wahr ist! Wenn Du die
Erfahrung machst, dass hier Terroristen sind, dann sag es! Wenn nicht,
dann sag es auch! Es ist für uns lebenswichtig, dass mehr Menschen
„draußen“ wissen, was hier los ist und Druck auf ihre
Regierungen ausüben. Wie oft hörte ich das auch in
ähnlicher Weise. Aber nie hatte ich das Gefühl, es ginge
ihnen darum, gegen „die Juden“ Stimmung zu machen, sondern
über die wirklichen Konsequenzen der israelischen
Regierungspolitik aufzuklären. Gewiss, ich erlebte auch Menschen
mit Hass (und Hass will immer töten) gegen Juden, mit Bewunderung
für Hitler etc. Aber das sind Minderheiten,
größtenteils Ungebildete, wie wir sie leider in jeder
Gesellschaft haben. Ich erlebte bei allen Besuchen mehr Hass umgekehrt,
auf jüdischer Seite gegen Palästinenser. Blinden und tauben
Hass: Es interessiert sie nicht, wie es den anderen geht. Auch wenn ich
weiß, dass eigenes Leid leicht verschließen kann, weil
„man voll ist“: Nur das Ernstnehmen beider Traumata kann zu
Lösungen führen, die eben auch einem selbst helfen.
Ich sah „stinkreiche“ Palästinenser, eine winzige
Schicht. Reich gewiss nicht durch noch so fleißiges Arbeiten.
Welche mafiösen Strukturen mit wem?!
Ich erlebte oft, dass es den palästinensischen Christen aus
verschiedenen Gründen insgesamt immer noch ein wenig weniger
schlimm geht, aber was ist das schon! Aber sonst erkannte ich keine
Abgrenzungen und erfuhr ich von keinen zwischen den beiden Religionen.
Wohl aber gibt es zwischen christlichen Konfessionen z. T.
beschämende Rangeleien. Die Menschen dort haben unter der
Besatzung kaum deshalb zu leiden, weil sie (mehrheitlich) Muslime,
sondern weil sie Araber sind. Übrigens gibt es unter Muslimen
– wenn auch wohl im geringeren Prozentsatz als bei uns Christen
– natürlich auch sehr Religionsfremde. Insgesamt aber glaube
ich, dass die angesichts der vielen erlittenen Gewalt erstaunlich
geringe Aggression dem Koran zu verdanken ist. Ich weiß, viele
werden sagen: kennt er denn nicht die aufhetzenden Suren? Doch, ich
kenne sie, aber noch mehr die vielen ebenso von manchen Fanatikern wie
z.B. G.W. Bush wie einen Steinbruch verwendeten schlimmen Aussagen im
sog. Alten (besser: Ersten) und im sog. Neuen Testament. Da haben wir
bei uns so viel Aufklärung noch zu leisten, dass wir es uns kaum
„leisten“ sollten, auf Muslime oder Araber herunter zu
schauen. Nochmals: Ich spreche vom Wunder, dass es noch nicht ganz
anders gekracht hat, trotz der vielen Toten auch auf israelischer
Seite. Die schrecklich bleiben, auch wenn sie gegenüber den
palästinensischen Toten und Verletzten „nur“ etwa ein
Drittel sind. Zahlen helfen hier freilich nicht weiter. Aber das
Menschenrecht auf Leben für JEDEN, das sollten wir doch ernster
nehmen und mutiger verteidigen. Auch gegen Freunde. Da ist es oft am
schwierigsten, wenn sie meinen, Krieg etc. rechtfertigen zu
können.
Ich hoffe und glaube, dass hier nur Menschen sind, die
- das Lebensrecht aller Menschen, damit auch der Israelis, verteidigen. Und
- das Existenzrecht des Staates Israel in seinen Grenzen bis 1967,
also bis zur Greenline, der Waffenstillstandslinie von 1948/49,
anerkennen. Von Seiten der Palästinenser ist das ein enormes
Zugeständnis, wird aber, anders noch als 1948, und anders, als es
auch in Medien immer wieder verbreitet wird, inzwischen längst von
den allermeisten Palästinensern befürwortet. Dazu gehört
– für uns selbstverständlich –
- das Recht a u c h der Palästinenser
auf ein menschenwürdiges und damit selbst bestimmtes Leben.
Die Frage der Einstaatenlösung (also in einem gemeinsamen Staat
mit den bisherigen Israelis) oder Zweistaatenregelung
(also 2 friedlich neben- und hoffentlich auch miteinander lebende
Völker in je eigenem Staat) kann ich hier nur sehr kurz
anreißen: Ich glaube, dass ein gemeinsamer Staat das Ziel sein
sollte; dass er aber zumindest zunächst nicht möglich sein
wird, weil viele Juden vor der demographischen Entwicklung vorerst
unüberwindliche Angst haben: Sie meinen, dass sie dann schon sehr
bald „fremdbestimmt" wären, der Staat nicht mehr
jüdisch „bestimmt“, geformt wäre, dann aber auch
ihre Sicherheit verloren wäre, in einem eben eigenen Staat zu
leben, aus dem sie niemand mehr vertreiben kann. Da sie dennoch
praktisch ständig „ums Überleben kämpfen“ zu
müssen meinen, selbst mit dem gigantischen Militärapparat
wirkliche Sicherheit also nicht zu erkaufen ist, weil sich das leicht
zum Militärstaat „weiterentwickelnde“ staatliche
Militär „bisher immer noch als ausreichend“,
aber doch nichtunverletzlich erwies. Die Angst steckt doch tief, wenn
es heißt: „Es nützt nichts, 5- oder 10-mal
gewonnen zu haben: 1 Krieg verloren, und wir sind weg von der
Landkarte“. Also bringt noch so hochgerüstetes Militär
keine wirkliche Sicherheit, hilft auch ein
„Mehr-des-selben“ nicht wirklich (schafft eben
zusätzliche Probleme und fördert den Hass), sondern braucht
es andere Erfahrungen:
- Auch „die anderen“ müssen „etwas
zu verlieren haben“, um nicht ggf. selbstmörderisch zu
handeln,
- Das erfordert ein Mindestmaß an Gerechtigkeit, d.h.
u. a. auch Möglichkeit zu wirtschaftlicher Prosperität,
wogegen die israelische Politik bislang in besonderer Weise
verstößt (unterstützt durch die USA und trotz dortiger
Kritik immer noch zu weitgehend geduldet durch die EU)
- Dazu müssen Wirtschaft und Staat der Palästinenser
lebensfähig sein, dürfen nicht durch Zaun/Mauer, Siedlungen
und dorthin führende Siedlerstraßen in winzige
Bruchstücke parzelliert, ja atomisiert werden. Aber selbst wenn
künftig größere Einheiten geschaffen oder gelassen
würden: Westbank und Gaza zusammen sind so klein, dass sie
keinerlei zusätzliche Einengung vertragen. Westbank und Gaza
zuverlässig zu verbinden, ohne wiederum die
„kreuzende“ Mobilität und Sicherheit der Israelis
einzuschränken: Dass und wie dies und anderes möglich ist,
hat der israelische „Friedensblock“ Gush Shalom schon vor
Jahren in seinen 80 Thesen veröffentlicht (www.gush-shalom.org).
- Zaunanlage/Mauer auf der Grünen Linie wäre –
dort! - zwar völkerrechtlich kaum zu beanstanden, erscheinen mir
angesichts der – nicht nur in Zeiten der Globalisierung –
für alle (nicht nur Nachbarländer gegebenen Wichtigkeit
vielfältigen regen z.B. wirtschaftlichen und kulturellen
Austausches und noch dazu angesichts der „Größe“
dann beider Staatsgebilde besonders absurd.
- Wenigstens vorübergehend in zwei Staaten erleben(!), dass
„man" mit den jeweils anderen wirklich und auch besser als
alleine leben kann.´, bis die o. g. Ängste genügend
reduziert sind...
Die Qassam- und anderen Raketen zeigen, dass schon aus diesem Grund die
verzückt teuere und eben palästinensisches Land, Olivenhaine,
Wasserquellen etc. raubende Zaun- und Maueranlage nicht wirklich
hilft.
Frau Knobloch, Präsidentin des Zentralrates der Juden in
Deutschland, sagt, z.B. Frau Wieczorek-Zeul sei nicht genügend
informiert von der Situation. Kennt denn Frau Knobloch die
Situation a u c h der Palästinenser
wirklich? Ist (auch) ihr hinreichend bewusst, dass die häufige
Aussage „Die Palästinenser interessieren mich nicht, ich
kümmere mich um meine Leute“ auch und gerade dafür
schädlich ist? Frau Knobloch empfiehlt den die israelische Politik
kritisierenden Deutschen einen
"Perspektivenwechsel: Die Vorstellung, wie es ist, wenn Raketen auf das eigene Haus fallen".
E b e n ! Ich empfehle dem Zentralrat und allen israelitischen Kultusgemeinden auf der Welt
– gerade in Solidarität zu ihren Verwandten und Glaubensbrüdern und -schwestern –
sich einzufühlen, wie es sich unter Militärbesatzung lebt.
Wenn wir alle daraus Konsequenzen ziehen, kann – endlich!
– Frieden werden.
Kein Friedensprogramm, wohl kein einzelner Schritt zum Frieden ist
wirklich leicht umzusetzen. Aber leichter und konstruktiver allemal als
weitere Jahrzehnte Angst trotz (oder wegen!) Vergeudung gigantischer
Beträge für ein Militär, das nur Scheinsicherheit
bietet. Geld das so dringend gebraucht wird etwa für
Bildungsprogramme, Kulturaustausch, Sozial- und Wirtschaftspolitik und
vieles andere. Auch hier lässt mich die Verflochtenheit der
Katastrophen im Libanon und in Palästina Wege „an beiden
Fronten“ suchen. Natürlich habe ich nicht
„die“ perfekte Lösung, aber Vorschläge, die m. E.
sehr dringlich im unverzüglichen und fairen Dialog geprüft,
ergänzt, korrigiert und umgesetzt werden könnten:
a) Zunächst sofortiger, notfalls einseitiger Waffenstillstand (wie
ihn die Hamas einseitig erklärt und trotz der weiter
verschärften Abschnürungspolitik Israels erstaunliche 1
½ Jahre bis zum Frühjahr 2006 durchgehalten hatte).
Waffenstillstand, weil Menschenleben in Staaten, die den Anspruch
haben, Rechtsstaat zu sein, oberste Priorität haben!
Befürchtungen (? Oder doch eher Behauptungen?!), die Gegenseite
würde die Zeit nur nutzen zum Wiederaufrüsten, dürfen
nicht auf Kosten von Menschenleben „durchschlagen“,
müssen im Übrigen politisch bearbeitet werden. Sonst ist
alles Gerede vom Krieg als angeblich „letztem Mittel“ eben
nur Gerede.
b) Verbindliche Erklärung, glaubwürdiger Wille und erste
Schritte dessen, der militärisch ungleich stärker ist, dass
ab sofort innen- und außenpolitisch daran gearbeitet wird,
(auch) für die Palästinenser im eigenen Land und
außerhalb gerechte Lebensverhältnisse zu schaffen.
c) Mittels solcher (überfälliger) Erklärung und
Maßnahmen, die meinetwegen auch als „Vorleistung“
verstanden werden können, über die internationale
Staatengemeinschaft, damit auch arabische Staaten, genügend Druck
erzeugen, dass militante, u. U. uneinsichtige Gruppen wissen: Sie
handeln ggf. nicht im Sinn der Mehrheit, isolieren sich im Falle
weiterer Angriffe.
d) Frustrationstoleranz in Führungseliten wie in den Völkern
lernen und üben(!), d.h. bei Rückschlägen wie etwa
dennoch stattfindenden Anschlägen den „Operationsplan“
überprüfen, ggf. weiterentwickeln und erforderlichenfalls
rechtsstaatlich bzw. mittels entsprechender UN-Gremien
reagieren/sanktionieren, aber nicht das ganze Ziel und Programm in
Frage stellen – auch, um „Renitenten“ nicht noch mehr
Macht zuzuführen.
e) Soweit irgend möglich alles in Kooperation bzw. mit
gegenseitigen Verständigungen planen und durchführen, um
Alleingänge und Überraschungen zu vermeiden, auch z.B.
niemanden unnötig vor vollendete Tatsachen zu stellen (wie es
hochproblematisch beim „Gaza-Rückzug“ folgt war), und
insgesamt, um Lösungswege im Dialog soweit möglich zu
optimieren.
f) Unter anderem in Bildungsprogrammen beidseits darauf hinwirken, dass
intensivere und korrekte Kenntnisse von einander gewonnen werden und,
wo noch nicht vorhanden, Bereitschaft und Fähigkeit gefördert
wird, in friedlicher Nachbarschaft neben- bzw. miteinander zu leben
(gewaltfreie Konfliktlösung etc.).
g) Verzicht auf das Ziel Großisrael.
h) Entwicklung eines Programms, unter Berücksichtigung des
nächsten Punktes, ansonsten
alle jüdischen
Siedler und entsprechendes produzierendes oder dienstleistendes Gewerbe
auch aus der Westbank abzuziehen; aber ohne – wie im Gaza –
mittels unnötiger Zerstörungen. „Verbrannter
Erde“ folgen zusätzliche Probleme wie Aufräumarbeiten,
verstärkter Vandalismus..
i) Soweit in der Zeit, so lange noch kein einheitlicher Staat gebildet
wurde, jüdische Siedler in ihren Siedlungen verbleiben wollen,
sollen sie – wenn keine berechtigten anderweitigen
Eigentumsansprüche entgegenstehen – die Möglichkeit
erhalten, zu bleiben, die zusätzliche palästinensische
Staatsangehörigkeit anzunehmen und analog den – endlich
gerecht zu gestaltenden(!) – Lebensbedingungen der bisherigen
„48-er-Palästiinenser“ in Israel verbleiben
können. Keine „closed areas“!
j) Privater Waffenbesitz, Waffentragen und -verwendung wird sowohl
für Siedler und andere jüdische und palästinensische
Gruppen und Einzelpersonen per gleichlautenden Gesetzen auf das
individuell nachzuweisend erforderliche Maß beschränkt.
k) Die vielen zu Unrecht oder überlang festgehaltenen Gefangenen
freilassen. Gegebenenfalls juristische Überprüfungen unter
internationaler Aufsicht. Haftentschädigung.
l) Das internationalrechtlich verbriefte Rückkehrrecht aller
Flüchtlinge in Israel, in Westbank, Gazastreifen, in anderen
arabischen Ländern und überall auf der Welt anerkennen und
– soweit irgend möglich, also ohne neuerliches
Vertreibungsunrecht zu bewirken – umsetzen.
m) Korrekte Entschädigung für die palästinensischen Flüchtlinge
n) Jerusalem (hier Ost-Jerusalem) als Hauptstadt (auch) für die
Palästinenser der Westbank und des Gazastreifens ermöglichen,
ohne die Mobilität zwischen West- und Ostjerusalem sowie Umgebung
einzuschränken. Abbau aller entsprechenden Sperranlagen hier und
überall.
o) Internationale Aufbauhilfen für die zerstörten
Einrichtungen im Libanon unter maßgeblicher Beteiligung Israels
und der USA (Wiedergutmachung).
p) In vielen oder vielleicht allen Punkten wird es – ohne
Verzögerungsabsicht – der Einsetzung entsprechend
kompetenter und gerecht zusammengestellter Gremien bedürfen, die
mit großem Nachdruck die diversen z. T. schwierigen
Umsetzungsfragen klären.
DANN werden die palästinensischen wie auch jüdischen
Hardliner sehr schnell wie die Fische im Trockenen sein und können
und müssen bei etwaigen weiteren Übergriffen oder
Anschlägen mit juristischen Mitteln eingedämmt werden, wie
sie in Rechtsstaaten üblich sind. Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit Ubermaßverbot
lässt national wie international nur angemessene Rechtseingriffe
und andere Mittel zu, die zur Abwehr notwendig und voraussichtlich
geeignet sind.
Ich möchte Ihnen und Euch darüber hinaus gerne noch etwas sehr Persönliches mitgeben:
Seit Jahren bündle ich meine Grüße und Wünsche meist in den beiden semitischen Wörtern
SHALOM u n d SALAM!
Weil im hebräischen und im damit eben verwandten arabischen
Begriff unmittelbarer als in unserem Wort FRIEDEN die GERECHTIGKEIT und
das WOHLERGEHEN – auch für den/die andere/n – steckt!
Auch wenn solch schöne Botschaft gerade in jener Weltregion so besonders arg verraten wird.
Dieser Doppelgruß und -wunsch bzw. die Verstärkung durch
Berücksichtigung auch der anderen „Sicht“ ist mir
weiter wichtig,
weil shalom nicht ohne salam und salam nicht ohne shalom möglich ist.
Weil zu nachhaltigem Frieden immer gehört, die Erfahrungen,
Traumata, Ängste, Hoffnungen, Lösungs-vorstellungen
etc. a u c h des und der anderen fair m i
t einzubeziehen.
...
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen,
den Israelis und den Palästinensern hier und zuhause, allen
Menschen, damit auch in Tschetschenien, im Sudan, im Kongo... von
Herzen
Shalom u n d salam!
In der Rede am 21.7. machte ich, als ich im Zusammenhang mit Hebron den
Osloprozess erwähnte, einen kurzen Einschub etwa mit den Worten:
Immer wieder höre ich von Juden und von insbesondere
fundamentalistischen Christen, die wegen der deutschen Schuld an Juden
Kritik an der jetzigen israelischen Politik als illegitim ansehen, und
die meinen, „die Palästinenser“ hätten sich
„doch noch nie auf Friedensvorschläge eingelassen“.
Der Oslo-Prozess ist eines der etlichen Beispiele, dass dies nicht
stimmt. Und gegen Nazi-Propaganda nicht nur „sein“, sondern
sich ihr – wenn Nazis durch die Straßen und durch die
Gesellschaft „durchmarschieren“ wollen: auch wörtlich
– zu widersetzen, ist lange schon wichtig. Aber nicht der
„gibt den Nazis Munition in die Hand“, der von
entsprechendem Unrecht berichtet, sondern der, der es begeht oder
geschehen lässt.
Über die Rede hinaus möchte ich hier gerne ergänzen,
weil es für das Gesamtverständnis der ja noch viel
komplexeren Geschichte gegenseitiger Verletzungen etc. von Juden und
Palästinensern wenigstens eine Spur aufzeigt:
Warum war der von Israelis und Palästinensern so hoffnungsbeladene Friedens-Prozess gescheitert?
Zu den Oslo-Verhandlungen „gehört“ die Legende vom so
weitgehenden Angebot („Das weitreichendste je. Wenn das Arafat
nicht annahm, zeigte er doch, dass er keinen Frieden wollte“).
Tatsächlich machte der damalige israelische Ministerpräsident
Barak anfänglich gewisse, aber für eine tragfähige
Lösung längst nicht ausreichende
„Zugeständnisse“. Dann jedoch schraubte er die
Forderungen schnell und immer noch weiter hoch
(„Nachbesserungen), so dass das nach diesen Vorstellungen
„zugestandene“ verbleibende palästinensische
Restgebilde absolut nicht funktions- und lebensfähig gewesen
wäre. Ein Grund für das Misstrauen der Palästinenser in
die ohnehin nur vagen, wenig verbindlichen und v. a. unzumutbaren
israelischen „Zusagen“ im Osloprozess und mit ein Grund
für dessen Scheitern war, dass Ministerpräsident Barak den
Aus- und Weiterbau der israelischen Siedlungen in Palästina
während der Phase der „Verhandlungen“ sogar noch
verstärkt vorangetrieben hat, also den Friedens-Worten
widersprechende Fakten geschaffen hat. Irgendwann mussten die zum
Diktat verkommenen „Friedens-Gespräche“ dann von
Arafat abgebrochen werden, weil selbst Arafat die
„Ergebnisse“ seinem Volk nicht zumuten konnte. So
problematisch seine Persönlichkeit und Vita auch war –
Arafat mit seiner dennoch starken Integrationskraft hatte als einziger
überhaupt so weit entgegenkommen können. Israel wäre ihm
also eigentlich zu Dank verpflichtet, statt in seiner
übermäßigen Ablehnung von eigenen mindestens ebenso
problematischen Verwerfungen abzulenken!
Bei Israelis wie Palästinensern, die beide so dringend auf
Versöhnung, Ruhe, Frieden, Sicherheit (und die Palästinenser
zusätzlich: auf ein normales, selbst bestimmtes Leben) gehofft
hatten, bewirkte das Scheitern des Oslo-Prozesses tiefste
Enttäuschungen, Ängste, Zorn, Wut. Bei denen, die
existentiell auf die erhofften „Autonomie-Gebiete“ und eine
(wirkliche) „Palästinensische Autorität“ (PA)
angewiesen waren, auch Verzweiflung. Die Lebensverhältnisse waren
kaum noch ertragbar. Zusammen mit der Enttäuschung und
Perspektivlosigkeit auf palästinensischer Seite ergab das eine
hoch explosive Mischung. In diese Situation hinein machte der damalige
Oppositionsführer Scharon – mit Billigung Baraks! – im
September 2000 den verhängnisvollen „Marsch auf den
Tempelberg“. Mit 2000 Sicherheitsleuten! Auf das für Muslime
weltweit drittgrößte Heiligtum! Scharon mit einer, meiner
tiefen Überzeugung nach, noch mörderischeren Vergangenheit
als Arafat (Jeder meinte von sich, er sei Freiheitskämpfer bzw.
Retter des Vaterlandes, verbreitete zu jener Zeit aber fortan nie
vergessene Angst und Terror) war im übrigen wohl auch noch
korrupter als Arafat; nur wurde das trotz aller Tricks doch nicht mehr
vermeidbare Strafverfahren „ewig“ verschleppt. Dieser
Ex-General, gewohnt, strategisch zu denken, legte nun mit dem für
Palästinenser unerträglichen Affront die Lunte an das
Pulverfass. Und als es „prompt“ von – m. E. zu recht
– empörten Palästinensern in Israel und von
Palästinensern in der Westbank und im Gazastreifen riesige
gewaltfreie, aber wütende Demonstrationen gab, wurden diese
von Polizei bzw. Armee immer wieder gewaltsam
„aufgelöst“. Nach zumindest Dutzenden von Toten
und ca. vier (!) Monaten (!) einseitiger (!) Gewalt – bis auf,
wie in der ersten Inifada, reaktive Steinwürfe – kam es dann
zu ersten erheblichen Gewaltaktionen von Palästinensern und dann
ab wohl Ende Januar 2001 sehr schnell auch zu Anschlägen mit
Suizid-Bombengürteln. Diese Darstellung wird von vielen Israelis
als böse Lüge abgelehnt, aber von verschiedensten, sehr
seriösen anderen jüdischen Leidtragenden eindeutig und
detailliert bestätigt. .
Ein weiterer mich sehr beschäftigender Aspekt in diesem
Zusammenhang: Die in Israel lebenden Palästinenser
(„48-er-Palästinenser“, weil sie durch die israelische
Staatsgründung, dort lebend, zu Israelis wurden), ca. 20 Prozent
der dortigen Bevölkerung, haben zwar einen israelischen Pass und
nominell weitgehend gleiche Rechte; das Leben der Mehrheit von ihnen
wird aber hauptsächlich durch Militärverfügungen derart
behindert und eingeschränkt, dass von Gleichberechtigung, aber
auch Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges
Leben nicht gesprochen werden kann. Diese in Europa praktisch
nicht wahrgenommene und letztlich unvorstellbare Problematik von
Benachteiligung, von Vertreibung aus Heimatregionen und
Flüchtlingsdasein innerhalb des eigenen Landes, von
„nichtanerkannten“ Dörfern und auch Städten (wo
die Bewohner normal Landes-Steuern zahlen, aber praktisch nichts an
Infrastruktur-Hilfen für Straßen, Wasserleitungen, Schulen
etc. zurückkommt), ist erschütternd-eindringlich und
präzise beschrieben von der britischen Jüdin und Israelin
Susan Nathan in „Sie schenkten mir Dornen – Ausgegrenzt im
Land der Verheißung“. Gustav Lübbe Verlag Bergisch
Gladbach, 2005. 383 Seiten. Titel der Originalausgabe ist „The
Other Side of Israel: My Journey Across the Jewisch-Arab Divide“.
Es verwundert nicht, dass Frau Nathan zu den Juden gehört, die
viele „eigene“ Leute als Nestbeschmutzer, Verräter
etc. abzutun versuchen, weil sie das Schicksal „der
anderen“ nicht interessiert, sie also kaum richtige Vorstellungen
und Kenntnisse haben, die ungeheuerlichen Vorwürfe für
„unmöglich“ ansehen, sich nicht vorstellen
können, dass man gerade aus Liebe zum eigenen Land benennen und
dagegen ankämpfen muss, was ja nicht „nur“ andere
Menschen entrechtet, sondern auch die eigene Gesellschaft und Menschen
verroht und vielfältig massiv gefährdet.
Warnungen... So war ich sehr erschüttert, im letzten Herbst
innerhalb von sechs Tagen von einem jüdischen Freund in Jerusalem
und von einem Palästinenser in Jenin im Norden der Westbank in
fast gleichen Worten – obwohl sie sich nicht kennen – zu
hören: Wenn die vielfältig unterdrückende Politik der
israelischen Regierung nicht wirklich in naher Zukunft
„radikal“ (der andere: „um 180 °“)
geändert wird, dann wird „dieses bisher trotz aller
Selbstmordanschläge überwiegend so bewundernswert geduldige
und leidensfähige Volk“ („werden wir“)
plötzlich mal einfach absolut nicht mehr können. Dann wird es
(„Sie haben nichts mehr zu verlieren“) eine Eruption geben,
gegen die die beiden Intifadas nur „ein laues
Lüftchen“ waren. Der Freund weiter: „Dann werden nicht
‘nur‘ die anderen, sondern dann werden auch wir Juden in
einem Maß leiden, das sich bei uns die meisten gar nicht
vorstellen können, dann kann es sein, dass wir in einem
grauenvolles Inferno untergehen“. Der Palästinenser sagte:
„So, wie sie uns seit Jahrzehnten behandeln, wäre es besser
gewesen, sie hätten uns 1948 oder 1967 wie so viele andere auch
gleich alle getötet, nicht ‘nur‘ vertrieben“...
Palästinenser, die in der Westbank oder im Gaza leben, haben in
manchen Bereichen noch größere Schwierigkeiten als die in
Israel. Dennoch greife ich hier „nur“ heraus: Mangels Staat
haben sie keinen Pass, nur eine „ID“ bzw. Identity-Card.
Etliche Juden wie z.B. der israelische Botschafter Shimon Stein oder
ihnen besonders Nahestehende sagen, die Palästinenser lebten nicht
in Palästina, sie sprechen auch nicht von der Westbank, sondern
von den „besetzten Gebieten“ oder nur von „den
Gebieten“; Religiöse sprechen manchmal von Judäa und
Samaria, um den eigenen Anspruch gleichsam biblisch zu
„dokumentieren“. Ich erlebte häufig, dass den seit
Jahrhunderten dort lebenden Palästinensern ihre Identität
genommen, zumindest auf die „ID“ beschränkt werden
soll. Das gesamte frühere britische und französische
Mandatsgebiet war Palästina. Palästina sei schon in der Bibel
und damit von Gott den Juden zugesprochen, es gebe also insofern kein
„eigenes“ Palästina für „die Araber. Ich
frage mich oft, welches „Gottesbild“ die nach ihrem
Selbstverständnis frommen Menschen haben, wenn sie glauben,
ein/ihr Gott schenke einem auserwählten Volk etwas „auf
Kosten“ anderer, ER sei gegen andere Menschen, einfach, weil sie
einer bestimmten Gruppe angehören oder aber nicht angehören.
Gott ein Rassist?.
Häufig wird „Araber“ gesagt, um entweder die in Israel
und die in Westbank und Gaza lebenden voneinander zu separieren. Viele
nennen sie aber auch Araber in der verbreiteten Meinung,
„die“ könnten und sollten doch „in ihre Heimat
in Arabien zurückgehen“, also verschwinden. Im heutigen
Gebiet Israels wie der Westbank und des Gaza lebten über
Jahrhunderte praktisch ausschließlich (insgesamt mehrheitlich
muslimische, aber z.B. in Bethlehem mehrheitlich christliche)
Palästinenser; daneben eine all die Zeit immer winzige, aber dort
weitestgehend problemlos mit den Palästinensern nachbarschaftlich
zusammenlebende jüdische Minderheit. Beider Heimat ist nicht
„Arabien“, sondern ihre palästinensische Heimatregion
(wie ich, obwohl auch Dänen „Indogermanen“ sind, diese
nicht einfach in ihre angebliche Heimat Deutschland oder nach Indien
vertreiben kann). Da ein Teil des historischen und
ursprünglich geographischen Gesamt-Palästina 1948
„Israel“ benannt wurde (andere Teile sind Jordanien, Syrien
etc.), halte ich es für legitim, dass die Bewohner des
„Restes“ (Westbank und Gazastreifen) ihren Teil
„Palästina“ nennen. Es ist ein Unterschied für
meine Identität, ob ich in einem „Gebiet“ oder in
einer historisch, kulturgeschichtlich bedeutsamen und eben benannten
Region lebe.
Ich kann nachempfinden, dass die Palästinenser 1947/48
mehrheitlich nicht damit einverstanden waren, dass ihr Land geteilt,
ihnen damit ein – sogar größerer – Teil
weggenommen wurde: Nicht sie hatten ja die große Schuld am Leid
der Juden auf sich geladen und ein „Refugium“ nötig
gemacht (das sich einige Zeit lang etliche Juden auch in Afrika oder
Kalifornien vorstellen konnten). Der durch den Holocaust massiv
verstärkte Immigrationsdruck machte vielen – wie sich
längst herausstellte: begründete – Angst, dass
über kurz oder lang nun sie ihre Heimat verlieren würden.
Zumal schon der Teilungsplan der Vereinten Nationen vom 29.11.1947
für die Juden 56,5% des Landes beanspruchte – Dieses
große „Angebot“ auf Kosten Dritter war stark
motiviert auch aus dem schlechten Gewissen, dass viele Länder
während des von Deutschen begangenen Holocaust die Aufnahme von
Juden oder von mehr Juden verweigert hatten..
Trotz der jüdischen Einwanderungswellen seit Ende des 19.
Jahrhunderts waren sie auch in den 1940-er-Jahren noch klare
zahlenmäßige Minderheit, besaßen im übrigen
inzwischen immerhin 6,5% des Landes. Da 0,6 % des Landes wie
später Niemandsland als Puffer an manchen Stellen gewesen
wären, wäre für die Bevölkerungsmehrheit ein
Palästinenser-Staat von gerade 42,9% ihres ursprünglichen
Bereiches übrig geblieben. Darauf mochte/konnte sich die Mehrheit
der Palästinenser damals aber noch nicht einlassen.
Auch der „Überfall ‘der‘ Araber“ auf den
(weil der 15.5.1948 ein Schabat war) schon am 14.5. ausgerufenen,
gegründeten Staat Israel „innerhalb von 24 Stunden“
ist nicht so einfach-einseitig zu sehen, wie es überall
„gesicherte Wissen“ zu sein scheint. Vom Westen
militärisch bestens ausgestattete jüdische (je nach
Sichtweise Befreiungs-, Eroberungs- oder Terror-) Schon im Vorfeld der
Staatsgründung machten Gruppen wie Irgun (Kommandant Menachem
Begin), die Sterngang (geführt von Yitzhak Shamir, später
sogar mehrmals Ministerpräsident) etc. deutlich, sich nicht einmal
mit den 56,5% der Fläche zu begnügen: Sie verübten immer
wieder Überfälle (Hunderte von Toten), verbreiteten damit
Angst und Schrecken, entleerten (tötend und in die Flucht
schlagend) und vernichteten nicht „nur“
palästinensische Dörfer, sondern ganz Landstriche, wie etwa
am Rande Jerusalems. Als sich dann am 15.5. auch mit Hilfe von –
schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten – arabischen
„Brudervölkern“ eine breitere Gegenwehr, aber noch
außerhalb des laut Teilungsplan dem neuen Staat zugesprochenen
Gebietes, formierte, kam es zu noch mehr „Ausfällen“
der vorher paramilitärischen jüdischen und nun regulären
israelischen Truppen. Hilfe erfuhren die Palästinenser von anderen
arabischen Völkern, kaum aber durch deren – v. a.
eigene Interessen verfolgende – Regime; was heute noch gilt! Mit
zunächst enormen Verlusten auch auf israelischer Seite, dann aber
Dank Feuerkraft und durch rücksichtslose Vertreibung (Die Angaben
„mindestens eine ¾ Million“ oder „mehr
als 800.000“ Menschen erscheinen verbürgt) machte das junge
israelische Militär erhebliche Landgewinne. Die dann 1949 endlich
erreichte Waffenstillstandslinie, die sog. Grüne Linie, markierte
bis zum 6-Tage-Krieg im Juni 1967 die zwar nicht völkerrechtliche,
aber faktische Grenze, wie wir sie zwischen Israel und Westbank sowie
Gazastreifen kennen. Die Palästinenser hatten (wenn auch zu
Jordanien – bzw. Gaza zu Ägypten – gehörend)
statt laut Teilungsplan wenigstens 42,9 % seit dem
Waffenstillstand, also 1949 bis 1967, nur noch 22% des ehemaligen
britischen Mandatsgebietes. Der Krieg 1967 „führte“
zur Besetzung von Westbank, Gaza, Golanhöhen (zu Syrien
gehörend, später gänzlich okkupiert) und Sinai (in den
1970-ern schrittweise an Ägypten zurückgegeben). Im Madrid-
bzw. dann Oslo-Prozess und später 2002/2003 in der
„Roadmap“, einem „Friedensfahrplan“ des
„Nah-Ost-Quartetts“ (UN, USA, EU, Russland) wurde
wieder wie 1947 auch ein palästinensischer Staat (nun „bis
2005“) anvisiert bzw. wurden dann relativ verbindliche Schritte
dazu festgelegt. Die Roadmap war der PA (Palestinian Authority,
Palästinische Autonomiebehörde faktisch vorgesetzt, von ihr
aber akzeptiert worden, während bei der Abfassung Israels
Bedürfnisse über die USA weitestgehend berücksichtigt
worden waren. (Dass es bei der „PA“ mit Autorität und
Autonomie „nicht viel her war“ und beides nicht lange
„lebte“, lag auch an palästinensischen
„Machtträgern“, vor allem aber an den bald
unzähligen Über- und Eingriffen der Israelischen Armee und
andererseits der Nichtunterstützung, wenn z.B. nur viel zu wenige
Häftlinge freigelassen wurden, die PA also keine Erfolge vorweisen
konnte). Nach der Roadmap sollten insbesondere die „Terrorgruppen
entwaffnet“, aber ebenso die seit 1967 in Westbank und Gaza
gebauten und wie Krebsgeschwüre wuchernden, gerade bestes Land
konfiszierenden und auch mit den dazugehörigen Straßen das
Land zerstückelnden israelischen Siedlungen aufgelöst werden.
Weltweit wurde ganz überwiegend nur die erste Forderung verfolgt.
Die „PA“ musste daran scheitern, war insbesondere durch die
systematische Zerstörung der Regierungs- und Polizeigebäude,
-fahrzeuge etc. selbst viel zu schwach, die weitgehend im Untergrund
agierenden Kräfte tatsächlich zu entwaffnen, konnte
angesichts der vielfältigen Gewalt durch die Besatzungsmacht und
die erkennbare Verweigerung Israels, die Forderung nach Auflösung
der Siedlungen überhaupt nur zu betreiben, jedoch auch nicht
genügend gesellschaftlichen Druck zu dieser faktisch einseitigen
Entwaffnung aufbauen. Dass der palästinensischen Polizei zu jenem
Zeitpunkt von Israel sogar das Tragen von Pistolen verboten wurde,
macht zusätzlich deutlich, wie „unmöglich“ das
Ansinnen war, sie „sollten Ordnung schaffen“. Angesichts
der blutigen Vergangenheit und der aktuellen Gewaltpolitik von z.B.
Ariel Scharon wirkte und wirkt auch die ständig vorgebrachte
Behauptung, Israel habe keinen wirklichen Gesprächs- und
Verhandlungspartner berechnend-vorgeschoben (Arafat sei ein Verbrecher
gewesen, Abu Maazen habe die Hamas nicht entwaffnet , die Hamas sei
terroristisch und „mit Terroristen verhandeln wir nicht“).
Ähnlich auch nun im Libanon: Zu beklagen, dass die Libanesischen
Sicherheitskräfte nicht mit der Hisbollah fertig würde und
daher ganze riesige Wohnviertel zerbombt werden müssen, ist
zynisch: Durch die mit ähnlichen Lügen
„begründeten“ israelischen Militäraktionen im
Libanon 1982 war Hisbollah erst groß geworden, und auch heute
sehen viele Libanesen, die keine Affinität zu Glaubenskriegern
haben, diese als einzige Gegenwehr gegen ungeheuerliche
Machtansprüche Israels. Ähnlich dem Irak wird es nicht
gelingen können, eine komplizierte Situation mit Terror zu
„befrieden“. Selbst wenn es für einige Zeit zu einer
„Friedhofsruhe“ kommt werden zumindest nach einer
Erschöpfungsphase nur noch mehr Menschen in den Widerstand gehen.
Und da zu viele gerade auch von den „Machthabern“ nichts
hinsichtlich Gewaltfreiheit und konstruktiveren
Konfliktlösungsmöglichkeiten abschauen und lernen konnten,
werden um so mehr zur scheinbar effektiven Möglichkeit greifen,
irgendwann wieder so weit gestärkt, dass sie mit noch
leistungsfähigeren Waffen wieder angreifen...
Frieden ist nicht nur das Ziel, sondern muss auch der Weg sein (Martin
Luther King): Er kann nur mit (auch selbst-) kritischer Offenheit, (so
weit irgend möglich) gerechten Verhältnissen und dialogisch,
also im gemeinsamen Suchen entwickelt werden. Selbstherrlich, sogar
wenn „man“ die einzig verbliebene Weltmacht ist oder sonst
ein „auserwähltes Volk“, wird man keine optimalen
Lösungen finden, handelt man also auch gegen eigenes
längerfristiges Interesse: Weil man die auch in den einzelnen
anderen steckende Kreativität und die in Gruppenprozessen noch
ganz anders sich entwickelnden Ideen etc. nicht nutzt, vergeudet.
Aber: Auch wenn man gemeinsam i. d. R. „weiter kommt“
bleibt ein (dann kleinerer) Rest an Unsicherheit, weil Menschen,
Gruppen und Institutionen immer auch zwie- , wenn nicht gar
mehr-spältiger Natur sind und nicht alle Konflikte dialogisch
ausreichend bearbeitet werden können. Diese Rest-Unsicherheit muss
ausgehalten werden (Versprechen z.B., „den Terror
auszuschalten“ oder „die Kriminalität zu
beseitigen“ sind in sich totalitär! Es kann immer nur
– und muss – daran gearbeitet werden, Probleme so gering
wie möglich zu halten oder sie wieder zu beschränken). Dazu
bedarf es dem Ziel entsprechende Mittel. Wenn das Verhalten aber zu
stark gemeinschaftsschädlich ist muss es rechtsstaatlich
korrekt durch die dazu kompetenten, legitimierten und kontrollierten
Institutionen (z.B. Justiz) und Fachleute „geklärt“,
be-/verarbeitet oder Dritte oder die Allgemeinheit anders
geschützt werden. Wenn aber die USA und Israel den für solche
„Rest-Fälle“ errichteten Internationalen
Strafgerichtshof (IStGH) boykottieren, muss die übrige
Staatengemeinschaft Mechanismen entwickeln, um zu verhindern, dass sich
einzelne Staaten weiter außerhalb des Rechts stellen.
Außerdem gilt es, für den IStGH auch noch eine geeignete,
ebenfalls kompetente und nach Rechtsstaatsprinzipien zustande gekommene
und kontrollierte „Ausführungsstelle zu benennen oder zu
entwickeln. Die UN-Strukturen müssen dahingehend korrigiert,
demokratisiert, die UN insgesamt gestärkt und vor
Erpressungsversuchen durch bestimmte Staaten geschützt werden.
Herabsetzungen, Störungen etc. wie solche durch Israel und USA
sind erforderlichenfalls zu ahnden. Das System des undemokratisch
zustande gekommenen Sicherheitsrates muss überwunden werden.
Die Widerstände dagegen sind gigantisch und werden es bleiben, die
Arbeit daran ist gleichwohl weiter dringlich.