Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Trauernde,
Wir nehmen Abschied von Marion Lehmicke, die uns am 5. Dezember 2007 viel zu früh für immer verlassen hat. Nur 60 Jahre alt ist sie geworden. Ihre letzte Lebenszeit war überschattet von einer schweren Krebskrankheit. Eine Krankheit, die Marion auch deshalb besonders empfindlich traf, weil sie ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Stimme raubte.
Gerade Marion, einer Frau, die es so liebte, zu reden, zu diskutieren, die sich so trefflich aufs sprachliche Formulieren verstand und dies jahrzehntelang auch mit öffentlichen Reden und Referaten unter Beweis gestellt hatte, gerade Marion musste das widerfahren. Ihr, die so gerne im geselligen Kreis die Argumente tauschte und dabei Kontroversen nicht scheute.
Unsere Freundin Marion Lehmicke gehörte zu den in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts politisierten jungen Menschen, die ihren Weg in die Reihen der Friedensbewegung und in die VVN-BdA, die zum Bund der Antifaschisten erweiterte Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes nicht zuletzt über die Auseinandersetzung mit der eigenen Elterngeneration fanden. Der Tochter eines ehemaligen Offiziers der Wehrmacht war nicht an der Wiege gesungen worden, dass sie schließlich über die Gewerkschaftsjugend zur politischen Linken finden und sich dann ab Ende der 70er-Jahre zunehmend für Antifaschismus und Friedenspolitik engagierte würde.
Marion Lehmicke machte das in verschiedenen Funktionen, vor allem aber weit über ein Jahrzehnt lang als bayerische Landesgeschäftsführerin der VVN-BdA, deren Profil sie auf Landes- und Bundesebene maßgeblich prägte. Daneben gehörte sie zu den nimmermüden Organisatorinnen und Initiatorinnen der Friedensbewegung, ohne deren Tatkraft es nicht möglich gewesen wäre, den Aktionen, Demonstrationen und Kundgebungen gegen Hochrüstung, für Frieden und Völkerverständigung in der alten Bundesrepublik die damalige massenhafte Resonanz zu verschaffen.
Auch nach den großen - nicht allein für Marion enttäuschenden und in vielem desillusionierenden - weltweiten gesellschaftlichen Umbrüchen nach 1989/90 engagierte sie sich weiter für Frieden, Völkerverständigung und soziale Gerechtigkeit, gegen alten und neuen Faschismus. So behalten wir sie auch besonders in Erinnerung als souveräne Moderatorin vieler gemeinsamer Veranstaltungen von DGB und Münchner Friedensbündnis zum 1. September, dem Antikriegstag.
Eine inzwischen seit über 20 Jahren zu einer Institution gewordene internationale Gedenkveranstaltung geht unmittelbar auf die Initiative von Marion Lehmicke zurück: Der alljährlich im Frühjahr im Anschluss an die Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Dachau stattfindende "Friedensweg". Die so benannte Gedenkstunde am ehemaligen SS-Schießplatz Hebertshausen, wo Tausender ermordeter sowjetischer Kriegsgefangener gedacht wird. Marion war es, die 1985, anlässlich des 40. Jahrestages der Befreiung von Faschismus und Krieg, den Impuls zu dieser Veranstaltung in Friedensbewegung und Verfolgtenorganisationen hineintrug.
Bis zuletzt streitbar, war Marion nicht immer eine bequeme Gefährtin für ihre Freundinnen und Freunde. Aber sie war eine, deren Anregungen und deren Engagement, deren großes Wissen, nicht nur auf politischem, sondern auch auf manchem kulturellem Gebiet uns allen immer wieder neue Impulse und auch Kraft gab.
Ganz aktuell merken wir das in diesen Tagen. War doch ein Schwerpunkt in Marions politischem aber auch ganz alltäglichen Wirken ihr Auftreten gegen jede Form von Rassismus, für Toleranz und ein friedliches Miteinander der Menschen unterschiedlichster Herkunft und Hautfarbe.
Im Vorfeld der Wahlkämpfe in diesem Jahr 2008 müssen wir derzeit an Plakatwänden und in Medien ausländerfeindliche, rassistische Kampagnen erleben, wie schon lange nicht mehr. Und dies nicht nur von Neofaschisten, sondern auch von Politikern demokratischer Parteien. Wir wissen, wie vehement sich Marion, wäre es ihr noch möglich, gegen solche Entwicklungen engagiert hätte. Und wir vermissen sie sehr.
Liebe Marion, wir werden Dich nicht vergessen.