Unter dieser Losung fand am 14. und 15. März 2009 in Berlin eine vom Europäischen Friedensforum, dem Weltfriedensrat und der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V. einberufene Europäische Friedenskonferenz statt.
Politisches Ziel der Konferenz war es, im Rahmen der Aktionen der europäischen Friedensbewegung gegen den NATO-Gipfel in Straßburg, Kehl und Baden-Baden von Berlin aus, ein Zeichen gegen die aggressive Politik und Praxis der NATO sowie ihrer Führungsmacht USA zu setzen. Vertretern von Friedensgruppen, Parteien und anderen gesellschaftlichen Organisationen aus ost- und mitteleuropäischen Ländern
sollte die Möglichkeit gegeben werden ihre Positionen in diese Bewegung einzubringen.
Mehr als 160 Vertreter von Friedensgruppen und gesellschaftlichen Organisationen aus 10 Ländern - Belarus, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Polen, Russland Serbien Tschechien und der Ukraine waren der Einladung gefolgt.
In den Referaten und Diskussionsbeiträgen wurde einhellig zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Überfall der USA und der NATO auf Jugoslawien vor nunmehr 10 Jahren Frieden und Sicherheit in Europa und in der Welt mehr denn je bedroht sind.
Die NATO ist mit ihrer Strategie der humanitären Interventionen in ein neues Stadium ihrer Aggressivität eingetreten. Mit der Osterweiterung, der Organisation sogenannter bunter Revolutionen, mit dem medialen Aufbau neuer Feindbilder haben die USA und die NATO die Situation weiter verschärft.
Die Regierenden in den europäischen Ländern wurden aufgefordert einen wirksamen Beitrag zur Beilegung von Konflikten, namentlich im Nahen und Mittleren Osten und anderen Brennpunkten der Welt mit friedlichen und nicht mit militärischen Mitteln zu leisten. Sie sollten einen politischen Prozess fördern, der für die Schaffung einer stabilen Friedens- und Sicherheitsstruktur in Europa einen Helsinki-2 Prozess ermöglicht und die Rolle der UNO in der Welt stärkt. Die Kriege und Kriegseinsätze, die die NATO heute führt - wie die Intervention in Afghanistan - und noch plant, wurden scharf verurteilt und ein - von mehreren Rednern unterstützter Vorschlag eingebracht - neben der einhelligen Forderung zur Auflösung der NATO ein gesellschaftliches Tribunal zur Verurteilung ihrer Verbrechen zu organisieren.
Von den Teilnehmern aus dem In- und Ausland wird eingeschätzt, dass "ein Europa, von dem nur Frieden ausgeht", wie es schon 1990 in der Charta von Paris gefordert wurde, breite Aktionen der Friedens- und Sozialbewegung in West- und Osteuropa verlangt. Das Europäische Friedenforum könnte dabei eine geeignete Plattform für Zusammenarbeit, Informations- und Erfahrungsaustausch sein.
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Im Ergebnis der Konferenz gaben die Präsidenten des Forums nachfolgende Erklärung ab.
"Wir wollen ein Europa von dem Frieden ausgeht", erklärten im November 1990 mit dem Ende der Blockkonfrontation 34 KSZE-Staaten, einschließlich USA und Kanada, in der Charta von Paris. Sie verkündeten das Ende der Konfrontation der Nachkriegszeit und der Teilung Europas. Das war eine trügerische Verheißung. Nach der längsten Friedensperiode in seiner neueren Geschichte, die als Kalter Krieg zugleich die größte geopolitische Auseinandersetzung der Neuzeit war, gehen von Europa nicht nur wieder neue Kriege aus, sondern Europa ist selbst wieder Schauplatz blutiger Konflikte geworden.
Der Überfall der USA und der NATO auf Jugoslawien 1999, dessen Folgen mit der völkerrechtswidrigen Sezession des Kosovo noch weit in die Zukunft reichen werden, die blutigen Bürgerkriege im Kaukasus - zuletzt der Krieg Georgiens gegen Südossetien, die gespaltene Haltung europäischer Staaten zu den Kriegen gegen Afghanistan und den Irak sowie die Zurückhaltung vieler europäischer Staaten, das brutale Besatzungsregime in Palästina und das Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der Zivilbevölkerung in Gaza zu verurteilen, haben die Hoffnungen der weltweiten Friedenskräfte auf eine europäische Friedensordnung zutiefst erschüttert.
Mit dem Fortbestand der NATO trotz Auflösung des Warschauer Vertrages, mit ihrer wortbrüchigen Osterweiterung, mit der im Rahmen einer forcierten Einkreisungs-politik gegenüber Russland noch immer geplanten Stationierung amerikanischer
Raketensysteme in Polen und Tschechien, mit den Bemühungen der Europäischen Union um eine eigenständige Militärmacht und dem Festhalten am autoritären Projekt des Lissabonner Reformvertrags, der den Mitgliedsstaaten die Pflicht zur Erhöhung ihrer Rüstungsausgaben und der globalen Teilnahme an Militäreinsätzen mit oder ohne NATO aufbürdet, sowie die zu erwartenden Bemühungen Russlands, die richtigen Antworten auf die neuerlichen Einkreisungsversuche zu finden, droht Europa wieder ins Zentrum eines neuen Ost-West-Konflikts zu rücken, mit allen erdenkbaren militärischen Folgen.
Für die Bewertung der Sicherheitslage Europas gilt, dass die NATO hauptsächlich ein strategisches Instrument der Vereinigten Staaten von Amerika ist, mit der sie versuchen, auf dem alten Kontinent maßgeblich die sicherheitspolitischen, ökonomischen und politischen Weichen zu ihren eigenen Gunsten zu stellen. Washington ist bestrebt die ehemaligen Sowjetrepubliken zu Vasallen zu machen und versucht die Europäischen Verbündeten als Hilfstruppen in seinen Kriegen zu benutzen. Aber nicht alle europäischen Verbündeten folgen weiterhin blind der amerikanischen Führung, weder in den US-Kriegen im Irak noch in Afghanistan. Zugleich wurden auf der Münchner Sicherheitskonferenz die großen Hoffnungen auf die neue Präsidentschaft Obama gebremst als der neue Vizepräsident der USA Joseph Biden die
Europäer zu erhöhter Kriegsbereitschaft aufforderte und erklärte: "Wir bitten unsere Verbündeten, ihre eigenen Ansätze zu überdenken - einschließlich ihrer Bereitschaft Gewalt anzuwenden, wenn alles andere fehlschlägt."
Die durch die neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsideologie verursachte, tiefe soziale Krise unseres Kontinents wird durch die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise zusätzlich verschärft. Das ideologische Fundament der herrschenden Eliten ist zutiefst erschüttert. Zugleich droht die Vision einer dauerhaften Friedensordnung, in der Europa die Rolle eines unersetzlichen Friedensfaktors spielt, in immer weitere Ferne zu rücken. Mit der Krise kann eine grundlegend neue geopolitische und geo-ökonomische Situation entstehen. Gewaltbereitschaft und Repression nach außen und innen, militanter Antisozialismus und Toleranz gegenüber Neofaschismus ist die Antwort nicht weniger Staaten. Das gilt auch für Osteuropa.
Die Privatisierung und teils gezielte Deindustriealisierung der osteuropäischen Wirtschaft hat zu einer neuen Spaltung Europas geführt, die den Spielraum für fortschrittliche Entwicklungen weiter einschränkt.
Zum zweiten Mal sind innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten alle Länder Osteuropas von einem dramatischen Absturz ihres Bruttoinlandsprodukts betroffen mit der Konsequenz eines rapide sinkenden Lebensstandards. Das neoliberale Versprechen vom Wohlstand für alle hat sich als Fata Morgana erwiesen. Der bürgerliche Traum vom schnellen Reichtum und unendlichem Konsum ist zerplatzt. Dessen ungeachtet, verschwenden NATO und EU jedes Jahr Hunderte von Milliarden für Rüstung und Kriege in aller Welt, angeblich um dort die Menschenrechte zu verteidigen. Für das Recht auf Arbeit der eigenen Bevölkerung, für das Recht auf Bildung und Gesundheitsfürsorge, für das Recht auf ein Dach überm Kopf ist jedoch kein Geld da. Von den neoliberalen Eliten wurden die sozialen Menschenrechte weitgehend aus dem Bewusstsein der Gesellschaft verdrängt. Umso dringlicher muss jetzt wieder für diese Rechte gekämpft werden.
Die globale Situation wird von wachsender Unübersichtlichkeit, Unberechenbarkeit, Dynamik und Instabilität geprägt. Zunehmende Polarisierung zwischen reichen und armen Staaten und Bevölkerungen, unterschiedlicher Zugang zu Ressourcen, Umweltzerstörungen, Erderwärmung, Bevölkerungsexplosion, Migration etc. vervielfachen die potentiellen militärischen Konflikte.
Den bilateralen Strukturen des Ost-Westkonflikts ist für absehbare Zeit der amerikanische Unilateralismus gefolgt. Heute entwickeln sich mit China, Indien, Westeuropa, Russland und Brasilien zunehmend multilaterale Machtzentren.
Angesichts der zunehmenden Gefahren für Frieden und soziale Sicherheit fordern wir alle Staaten und gesellschaftlichen Organisationen auf, mit einer abgestimmten Politik Sicherheitsstrukturen und -mechanismen mit absoluter Priorität für nichtmilitärische Mittel zu schaffen.
Vorsitzender der Gesellschaft
zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.
Berlin
Vorsitzender des Kulturfonds der Ukraine
Akademiemitglied und Schriftsteller
Kiew
Russische Sektion des Europäischen Friedensforums
Moskau