Münchner Friedensbündnis  

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Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007
Berichte


Stand 21.6.07
Berichte und Anmerkungen
Teilnehmer 1 (Video-Filmer)

Teilnehmerin 2

Resümee der Beobachter des Komitees für Grundrechte und Demokratie e. V.

Polizeigewerkschafter Scheuba kritisiert massive Belastung in Heiligendamm (pdf).
Die letzten zwei Sätze in dieser Stellungnahme stimmen sicher nicht allgemein (s.
Toiletten für Blockierer).


Teilnehmer 1
(Video-Filmer)

Ich nahm am 2.6.07 an der Demo teil, die hinter dem Hauptbahnhof startete. Kurz vor der Unterführung unter die Eisenbahngeleise konnte man linkerhand einen Hügel erklimmen und von dort aus hatte man einen guten Überblick über den Demozug. Ich verbrachte dort fast eine Stunde und reihte mich dann in die Demo ein. Überraschend - wenn in dieser Gegend auch nicht völlig unerwartet -, war, daß in der ganzen Zeit bis auf einige Konfliktmanager kein einziger Polizist zu sehen war.  Mehrere schwarze Blöcke marschierten unbehelligt mit durchgehenden Seitentransparenten. Von einem Video im Internet her zu urteilen, das den Angriff auf ein Polizeiauto zeigt, war dies auch noch so, als Demonstranten aus dem schwarzen Block nahe dem Kundgebungsplatz im Hafen diesen Polizeimannschaftswagen bearbeiteten. Dieser Angriff war dann wohl der endgültige Auslöser für die stundenlangen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Aber bereits während der Demo hat es offensichtlich aus dem schwarzen Block heraus Steinwürfe in Schaufensterscheiben gegeben.

Soweit ich den Einsatz der Polizei beobachtet habe, machte deren Vorgehen nicht gerade einen sehr koordinierten Eindruck. Dies konfuse Verhalten hat offensichtlich auch Demonstranten, die von ihrer Kleidung her kaum dem schwarzen Block zuzurechnen waren, dazu veranlaßt, mal einen der vielen herumliegenden Steine aufzuheben und ihn den Polizisten hinterher zu werfen, die immer wieder durch den Steinhagel in die Flucht geschlagen wurden. Erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang auch der völlig unverhältnismäßig erscheinende Einsatz gleich mehrerer, zum Teil genau über der Haupttribüne fliegender Hubschrauber, deren Lärm über längere Zeit den Beginn der Kundgebung unmöglich machte und der die Aggressionsbereitschaft sicherlich auch ungemein steigerte.

Bei den nachträglichen Diskussionen wurde ziemlich deutlich, daß die Organisatoren des schwarzen Blocks die Randale kaum von vornherein geplant hatten, daß sie aber an diesem Tag die Randalierer in ihren Reihen auch nicht unter Kontrolle hatten. Das änderte sich dann offensichtlich an den folgenden Tagen. Ganz stark war in den Reihen aller Demoteilnehmer die Vermutung verbreitet, daß die Polizei mit dem Polizeimannschaftswagen und mehr noch mit dem einsam auf dem Kundgebungsplatz geparkten Auto, das dann angezündet wurde, Köder ausgelegt hatte, um die Ausschreitungen zu provozieren. Dementsprechend lautete an den folgenden Tagen die Parole: Nicht von der Polizei provozieren lassen. Für einen Teilnehmer hat sich der Eindruck der bewußten Provokation dadurch noch sehr verstärkt, daß bei der zwei Tage später stattgefundenen Demonstration die Polizei diese ohne ersichtlichen Grund sehr lange neben dem ungeschützten Schotterbett einer Straßenbahn aufhielt. Es kam aber zu keinen Zwischenfällen. .

An Demonstrationen habe ich dann nur die kleine Palästina-Kundgebung am 5.6.07 erlebt, bei der sich einzelne Polizisten an der Thematik sehr interessiert zeigten, und abends am gleichen Tag den "Demo"-Marsch mit Kundgebung von Camp Wichmannsdorf nach Kühlungsborn.  
Dieser Marsch wurde einige Zeit aufgehalten, möglicherweise aus mehreren Gründen. Es hieß die Kundgebung in Kühlungsborn sei noch nicht genehmigt, berichtet wurde später auch, man hätte eine Presseaktivität ungestört lassen wollen, und ein Teil der Verzögerung entstand offenbar dadurch, daß der für den Westbereich zuständige Polizeiführer die Kordination des Polizeieinsatzes selbst übernehmen wollte. Alle Straßeneinmündungen wurden abgesperrt, und zum Schluß war die Zahl der mitmarschierenden oder mittrabenden Polizisten recht beachtlich. Die Polizisten selber sahen diesen Aufzug aber offensichtlich von Anfang an nicht als sonderlich bedrohlich an. Der oder die eine oder andere grinste bei einem gelungenen Scherz dann auch schon mal.
Die um Camp Wichmannsdorf eingesetzten Polizisten sind aber offenbar auf Militante der schlimmsten Art vorbereitet worden, so daß sie an einem Tag sogar ihre Maschinenpistolen herausgeholt haben sollen. Die perfekte Organisation des Camps hat dieses Gefühl der Bedrohlichkeit u.U. durchaus verstärkt.

Am 6.6.07 besuchte ich einige Arbeitsgruppen beim Alternativgipfel. Am Tag darauf noch ein Besuch in Kühlungsborn, wo ich u.a. zwei Videofilmer mit relativ großen Kameras antraf und erfuhr, daß in der Technischen Kunstschule Rostock hundert Videofilmer  zusammengekommen waren, die im Umfeld von G8 Bericht erstatten wollten. Ein Gutteil davon läuft unter der Überschrift "Commercials".
Am Nachmittag begleitete ich einen Toilettentransport nach Börgerende-Rethwisch auf der Ostseite von Heiligendamm. Anders als auf der Westseite war dort alles ruhig. Der Einsatzleiter am Vorkontrollpunkt ließ mich zunächst nicht zu den Blockierern vorfahren. Als ich dann später eine ältere Finnin abholen wollte, die durch die Nacht hindurch blockiert hatte und am Ende ihrer Kräfte war, ließ er mich dann aber nach einigem Zögern doch durch, obwohl ich den Kofferraum voller Campingausrüstung hatte.


Teilnehmerin 2

Interview mit dem Kreisboten/ Fürstenfeldbruck,  Inge Ammon, am 14.6.07 

IAmmonAmmonUFreundeFrau Ammon, Sie sind als Ehefrau eines evangelischen Pfarrers zwangsläufig sozial engagiert. Aber hatten Sie nicht Befürchtungen, sich in den "Hexenkessel" der G8-Demonstrationen zu begeben - gerade als Teilnehmerin einer friedlichen Demonstration?
Nach einer Andacht in der voll besetzten Marienkirche mit einem Meer von riesigen roten Luftballons, initiiert von der Erlassjahrkampagne „Schulden streichen“, reihten wir uns in den bunten und fantasievollen Demonstrationszug ein. Ich trug ein Schild mit der Aufschrift: Ihre Angst vor dem Frieden ist Gewalt-ig! Das bezog sich auf die Kriminalisierungs- und Einschüchterungsversuche unserer Protestbewegung schon im Vorfeld des G8 Gipfels. Gewalt wurde ja förmlich herbeigeredet. Man brauchte sie offensichtlich, um den immensen finanziellen Aufwand für den Sicherheitsapparat zu legitimieren. Glücklicherweise haben immer mehr Rostocker – nicht nur die Aktiven von „Kirche & G8“ der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs – diesen Zusammenhang erkannt.

Haben Sie die Zusammenstöße und Ausschreitungen  des schwarzen Blocks mit der Polizei aus der Nähe miterlebt?
Nein, nicht unmittelbar, da ich nach der friedlichen Demonstration in der Nähe der Hauptbühne für die Kundgebung stand.
Wie alle anderen Kundgebungsteilnehmer wurde ich durch den ständig über uns kreisenden Polizei-Helikopter genervt. Die Redebeiträge waren darum schlecht zu verstehen. In meiner Nähe entdeckte ich einen Zivilpolizisten in schwarzem „Outfit“
der Autonomen. Als ich mich entschloss, ihn nach seiner Funktion zu fragen, war er verschwunden. Die Kundgebung wurde immer wieder unterbrochen. Der Bitte der Moderatorin um Abzug des Helikopters wurde nicht entsprochen. Als dunkler Rauch aufstieg und Tränengas in der Luft lag, wurde mir mulmig zumute.

Wieviele (friedliche) Demo-Mitstreiter, die sich zur ATTAC rechnen, waren aus dem Landkreis, bzw. aus dem Münchner Gebiet dabei? Fühlten Sie sich durch das weiträumige Demonstrationsverbot ausgesperrt?
Die Anzahl weiß ich nicht, da ich nicht mit dem attac-Sonderzug gefahren bin. Einige Friedensfreunde aus Schleißheim , Dachau und Starnberg habe ich gekannt, da wir uns zu einer Aktion des Zivilen Ungehorsams beim Bombodromgelände in der Kyritz-Ruppiner Heide am 1. Juni ( Internationaler Tag des Kindes!) verabredet hatten.
Ihre 2.Frage betrifft mich nicht direkt, da ich den Besuch des G8-Alternativgipfels fest geplant hatte. Von meinen Freunden weiß ich, dass Ihr Demonstrationsrecht sehr behindert wurde.

Was wollten die Initiatoren der "Besiedlung des Bombodroms" in der Ruppiner Heide erreichen?
Die symbolische Besiedlung mit Hütten, die wie die Zielpyramiden der Bundeswehr gebaut sind, soll verdeutlichen: jedes Ziel ist ein Zuhause. Wir wollen, dass hier in dieser wunderbaren Heidelandschaft nicht Krieg geübt wird, sondern dass dieses Land mit seinen vielen Seen zivil genutzt wird, zur Freude der Menschen. Es war eine gut vorbereitete, friedlich fantasievolle und beglückende Aktion von etwas 500 Menschen in jedem Alter, die leider in den Medien keinerlei Beachtung fand. Good News are no News!! Leider, wie wahr!

Sie berichten von ca. 1500 Teilnehmer, die - wie Sie - beim "Alternativ-Gipfel" dabei waren.  Welche Ziele werden hier verfolgt?
Ich bin froh um diese Frage, denn vor lauter Gewaltberichten versäumten die Medien über das erstaunlich differenzierte Programm des G8 Alternativgipfels in Rostock zu berichten und den Sinn der Aktionstage zu „Globaler Landwirtschaft“ und „Migration“. Das Ziel ist: eine demokratische Globalisierung von unten, eine Globalisierung von Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit mit fairen Handelsbeziehungen zwischen Industrie und Entwicklungsländern. Von den Referenten aus Indien, Mexiko, Senegal und den Teilnehmern aus 40 Nationen wurde in 10 Podiumsveranstaltungen und über 100 workshops aufgezeigt, dass sich überall Widerstand gegen die kapitalistischen Gewaltstrukturen regt und dass es Alternativen zur Politik der G8 gibt – ein verantwortungsbewusster und zukunftsfähiger Umgang mit unserer Umwelt.

Die traurige Seite der Aktionen kennen die Fernsehzuschauer zur Genüge: Verletzte und hoher Sachschaden. Wird eigentlich in den Reihen der Demo-Organisationen über präventive Maßnahmen diskutiert?
Es wird längst darüber nachgedacht und gehandelt. Methoden der Konfliktbewältigung werden mehr und mehr verbreitet und eingeübt. Die Demoleitung hat Kontakt mit der Polizei und trifft Absprachen, so auch geschehen in Rostock. Nötig allerdings ist auch, dass die Staatsschützer nicht mit gezinkten Karten spielen. Über Verletzte und hohen Sachschaden, den unser kriegerisches kapitalistisches System mit seinem Wachstumszwang und der Gier nach Rendite weltweit anrichtet und gegen das sich die globalisierungskritische Bewegung richtet, dürfte von Seiten unserer Medien auch differenzierter berichtet werden.