Die US-Regierung treibt militärische Vorbereitungen für Luft-
und Raketenangriffe gegen iranische Atomanlagen und den Einsatz von
Spezialkommandos voran und plant die Tötung iranischer
Regierungsmitglieder.
Bei der so genannten Münchner Sicherheitskonferenz, dem Treffen
der Kriegstreiber aus NATO und EU, Anfang Februar, verglich die
deutsche Bundeskanzlerin den Iran und seine Regierung mit dem
Nazi-Faschismus, und übte demonstrativ den Schulterschluss mit der
US-Führung, die auch einen Einsatz von Atomwaffen gegen den Iran
nicht ausschließen will. Dankbar wurde in den USA die
Steilvorlage von Angela Merkel aufgegriffen.
Angela Merkels Auftritt in München "hat bei den Amerikanern die
Überzeugung gestärkt, dass diesmal die Deutschen bei einem
robusten, nicht notwendigerweise militärischen Vorgehen an ihrer
Seite sein werden ... München 2006 könnte der Beginn eines
neuen Miteinanders werden." (FAZ, 05.02.06).
Der Einwurf von SPD-Chef Platzeck, ein militärisches Vorgehen
gegen Iran müsse ausgeschlossen werden, hat wenig Substanz,
solange Merkels Linie weder vom sozialdemokratischen
Außenminister noch vom Vizekanzler energisch widersprochen wird.
SPD-Außenminister Steinmeier lässt keine Gelegenheit aus,
Verdächtigungen gegen den Iran zu lancieren, SPD-Politiker wie
Hans-UIrich Klose und Rainer Arnold machen permanent Stimmung
dafür, "keine Option vom Tisch zu nehmen".
Ohnehin hat die Bundesregierung im Rahmen der EU-3 mit dafür
gesorgt, dass die iranische Regierung unter erpresserischen Druck
gesetzt wurde. Von ihr zu verlangen, sie solle auf wesentliche Rechte
bei der Nutzung der Kernenergie verzichten und den
Atomwaffensperrvertrag, der ihr genau diese Rechte garantiert, niemals
aufkündigen, bedeutet einen Souveränitätsverzicht zu
fordern, den noch kein anderer Staat geleistet hat. Dabei müsste
der Iran gleichzeitig die Logik akzeptieren, die hinter den Forderungen
steht, und sich als "Schurkenstaat" einstufen. Parallel dazu hat das
EU-Trio sich in den gesamten Gesprächen mit der iranischen
Führung geweigert, dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis des
Iran, der von US-Militärbasen umzingelt ist, Rechnung zu tragen.
Die deutsche Vorgängerregierung hatte noch im November zwei
U-Boote an die israelischen Militärs geliefert. Auf diesen Booten
können auch Atomwaffen stationiert werden.
USA TREIBEN ANGRIFF AUF DEN IRAN VORAN
Wie die seriöse britische Zeitung "Sunday Telegraph" berichtet,
werden derzeit im Pentagon die Pläne für Bomben- und
Marschflugkörper-Angriffe gegen den Iran intensiv vorangetrieben.
Die von Donald Rumsfeld koordinierten Maßnahmen hätten in
den vergangenen Monaten deutlich an Intensität zugenommen. Es
würden Ziele im Iran identifiziert und die Logistik für einen
Luftkriegseinsatz vorbereitet. Die Pläne der Pentagon-Strategen
sehen laut "Sunday Telegraph" massives Bombardement der Atom- und
Verteidigungsanlagen im Iran vor, insbesondere den Einsatz von
B-52-Langstreckenbombern und Angriffe mit von U-Booten abgefeuerten
Raketen.
NEOCONS
KONZIPIEREN FEINDBILD NACH MASS
"Der militante Islam will unsere Zivilisation stürzen und die
Nationen des Westens in moslemische Gesellschaften umwandeln", schrieb
Neocon-Vordenker Richard Perle in seinem Anfang 2004 erschienenen Buch
"Wie man den Krieg gegen den Terror gewinnt". - Tatsächlich fasst
er den Gegner aber noch sehr viel weiter: "Religiöse Extremisten
und laizistische Militante, Sunniten und Schiiten, Kommunisten und
Faschisten - im Nahen Osten verschmelzen diese Kategorien miteinander.
Sie alle strömen aus demselben enormen Reservoir an leicht
entflammbarer Leidenschaft." Der US-Imperialismus selbst konstituiert
überhaupt erst die Gegner, die er bekämpfen will.
S. 11
Kriegs-Visionen ohne Verfallsdatum
aus den Think-Tanks der Neokonservativen
Eine "Achse des Bösen" erfordert natürlich als Gegengewicht
die "Axt des Guten" - und diese verkörpert keine Macht der Welt so
rein, so unbeirrbar, weil opferbereit und bar kränkelnder Skrupel,
wie die US-Regierung, allen voran ihr christlich-fundamentalistischer
Präsident.
George W. Bush kündigte in seiner Präsidentenrede am
29.Januar 2002 an, Amerika werde "tun, was notwendig ist, um die
Sicherheit unserer Nation zu gewährleisten", und zwar schon sehr
bald: "Die Zeit ist nicht auf unserer Seite. Ich werde nicht auf
Ereignisse warten, während sich die Gefahren zusammenballen. lch
werde nicht danebenstehen, während das Unheil näher und
näher kommt. Die USA werden es den gefährlichsten Regimes der
Welt nicht gestatten, uns mit den vernichtendsten Waffen der Welt zu
bedrohen." Bald war die Propagandaformel gefunden: Den Begriff "Achse
des Bösen" hatte ihm sein damaliger Ghostwriter David Frum
beschert - ein Ideologe der Neokonservativen.
Anfang 2004 trat Frum als Mitverfasser eines Buches von Richard Perle,
dem Vordenker der Neocons, in Erscheinung. Titel: "Wie man den Krieg
gegen den Terror gewinnt". Perle gab schon in diesem Buch das
zukunftsweisende Motto "Sieg oder Holocaust" aus, das in der
Kriegspropaganda gegen Iran wahrscheinlich noch eine zentrale Rolle
spielen wird.
Rumsfeld sprach auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2006, wie
auch bei anderen Gelegenheiten in diesen Tagen, davon, dass der
sogenannte Kampf gegen den Terrorismus ein "langer Krieg" werde -
länger, als man anfangs angenommen habe.
Das Thema ist jedoch keineswegs neu. US-Vizepräsident Dick Cheney
prognostizierte schon im Oktober 2001, kurz nach Beginn der
Luftangriffe gegen Afghanistan, der von Bush ausgerufene Krieg "endet
vielleicht niemals. Jedenfalls nicht zu unseren Lebzeiten". Ihm schloss
sich sogleich Generalstabschef Richard B. Myers an: Cheneys
Einschätzung über die Dauer des Krieges "könnte richtig
sein". "Dass er mehrere Jahre oder viele Jahre oder vielleicht unser
Leben lang dauern könnte, würde mich nicht überraschen."
Ebenso argumentiert der frühere ClA-Chef James Woolsey, einer der
prominentesten Neokonservativen: Der "vierte Weltkrieg" werde erheblich
länger dauern als der Erste und der Zweite, nämlich mehrere
Jahrzehnte. "Vierter Weltkrieg" sagen viele Neocons, weil sie den
Kalten Krieg gegen die sozialistischen Staaten als dritten
mitzählen.
Als Erfinder des Begriffs gilt der neokonservative Militärstratege
Eliot Cohen, der am 20. November 2001 im Wall Street Journal, das
derselben politischen Richtung angehört, schrieb: "This is World
War IV". Als Gast der Münchner Militärkonferenz lobte Cohen
jetzt, dass sich Merkeis Äußerungen "sehr von dem
unterscheiden, was wir hier früher hörten".
S. 17
Eskalations-Schritte im Atomstreit
zwischen EU-3 und Iran
VON CLEMENS RONNEFELDT, REFERENT FÜR FRIEDENSFRAGEN BEIM DEUTSCHEN
ZWEIG DES INTERNATIONALEN VERSÖHNUNGSBUNDES
Die Eskalation im Atomstreit zwischen EU-3 und Iran war keineswegs
unvermeidbar. Die im nachfolgenden Text zusammengefassten Dokumente
können nachgelesen werden unter www.bits.de/main/archive/iran1.htm
1. November 2003: Vereinbarung
zwischen Iran und EU-3 in Teheran
Mit dieser Vereinbarung unterzeichnete Iran das Zusatzabkommen zum
Atomwaffensperrvertrag. Damit unterwarf sich Teheran erweiterten
Informationspflichten und unangemeldeten Inspektionsbesuchen seiner
Atomanlagen durch die IAEO - und hielt diese Verpflichtung in der
Folgezeit auch ein. Iran erklärte sich zusätzlich bereit,
freiwillig alle Urananreicherungs- und Wiederaufarbeitungsarbeiten
vorläufig auszusetzen, bis eine Dauerlösung gefunden sei.
Die EU bestätigten das Recht Irans zur friedlichen Nutzung der
Atomenergie in vollem Umfang. Nach der Klärung des Konfliktes
versprach die EU-3 einen besseren Zugang zu Hochtechnologien sowie zur
Zusammenarbeit im Rahmen einer regionalen Sicherheitszone.
Folgen der Vereinbarung:
Weil Iran die Bauarbeiten an der Urankonversionsanlage in Esfahan
fertig stellte und Arbeiten an der Urananreicherungsanlage in Natanz
weiterführte, sahen die EU-3 dies als Vertragsverletzung. Iran
bestand auf der formal korrekten IAEO-Definition, wonach der Bau von
Zentrifugen noch nichts mit der Anreicherung von Uran zu tun
habe,ebenso die in Esfahan durchgeführte Konversion weiterhin
erlaubt sei.
2. November 2004: Vereinbarung
zwischen Iran und EU-Drei in Paris
In Paris sagte Iran zu, weiterhin freiwillig die Urankonversion in
Esfahan auszusetzen, ebenso die Urananreicherung in Natanz, so lange
die Verhandlungen andauern. Teheran stimmte der Versiegelung der
Anlagen durch die IAEO zu. Die EU-3 engten die Spielräume aus dem
Abkommen von Teheran für Iran weiter ein, indem sie nun auch das
Verbot des Baus von Zentrifugen und Kaskaden durchsetzten, woran sich
Teheran auch in der Folgezeit hielt.
Die EU-3 bestätigten der Regierung in Teheran, dass die iranischen
Maßnahmen aus dem Paris-Abkommen vertrauensbildende
Maßnahmen seien, zu denen Iran nicht verpflichtet sei und sagten
zu, bei Irans Bemühungen zur Aufnahme in die WTO
unterstützend tätig zu werden. Teheran wollte als wichtigsten
Punkt klare Sicherheitsgarantien, künftig nicht angegriffen zu
werden, und erwartete hierfür Zusagen der EU-Drei.
Im Dezember 2004 sollten Verhandlungen
zur Regelung aller noch offenen Fragen beginnen. - Doch die Folgen:
Im Dezember begannen tatsächlich regelmäßige
Verhandlungen, im März 2005 zog die US-Regierung ihre Vorbehalte
gegen WTO-Aufnahmegespräche weitestgehend zurück und stellte
bei einem Verhandlungserfolg sogar die Lieferung von Ersatzteilen
für die zivile Luftfahrt in Aussicht. Im Gegenzug sagten die EU-3
der US-Regierung zu, im Falle des Scheiterns der Verhandlungen den Fall
Iran vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen.
Der Streitpunkt entzündete sich daran, dass die EU-3 "objektive
Garantien" in völkerrechtlich verbindlicher Form von Iran
einforderte, allerdings selbst nur "feste Garantien" seiner politischen
Vorschläge anbot, was Teheran erst verspätet realisierte.
3. Schreiben Irans an die EU-Drei vom
3.5.2005
Auf die bis Anfang Mai gemachten EU-3-Vorschläge ging Iran am
03.05.2005 mit einem als konstruktiv zu bezeichnenden Brief ein.
Iran sagte zu, das IAEO-Zusatzprotokoll zu ratifizieren, erklärte
seine Bereitschaft zum Betrieb eines offenen Brennstoffkreislaufes ohne
Wiederaufarbeitung sowie zu einem Gesetz, das die ausschließliche
Nutzung der zivilen Atomenergie festschreibt.
Im Gegenzug erwartete Iran Zugang zu EU-Hochtechnologie
einschließlich Atomanlagen, Sondierungsgespräche über
die Lieferung weiterer EU-Atomkraftwerke, Zusagen über die
Lieferung nuklearer Brennstoffe sowie von Rüstungsexporten, Zugang
zu EU-Märkten und zu EU-Investitionsmöglichkeiten sowie
Aufhebung technologischer Sanktionen der G-8-Staaten. Iran erwartete in
diesem Schreiben auch die Bereitschaft der EU-Drei zur Initiative
für eine ABC-waffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten.
Folgen:
Die für Ende Juli 2005 zugesagte Anwort der EU-Drei
verzögerte sich, weil diese den Ausgang der iranischen
Präsidentschaftswahlen abwarten wollte. Iran kündigte
daraufhin an, unter IAEO-Aufsicht Anfang August 2005 die Urankonversion
in Teheran wieder aufzunehmen. Die EU-Drei sahen darin eine
Vertragsverletzung und beantragten eine IAEO-Sondersitzung.
4. Schreiben der EU-Drei an den Iran
vom 5.8.2005
In ihrem Schreiben vom 5.8.2005 forderten die EU-Drei von Iran den
Verzicht auf alle Aktivitäten eines geschlossenen
Brennstoffkreislaufes, schlugen den ausschließlichen Bezug von
Brennelementen aus dem Ausland vor, forderten die Ratifizierung des
IAEO-Zusatzabkommens zur verschärften Überwachung bis Ende
2005 sowie die Verpflichtung Irans, niemals in Zukunft aus dem
Atomwaffensperrvertrag auszutreten.
Im Gegenzug sagten die EU-Drei den Zugang zu Nuklearbrennstoffen zu,
boten Hilfen bei der Stillegung und alternativen Nutzung iranischer
Atomanlagen an und offerierten eine Sicherheitsgarantie der beiden
Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien.
Folgen:
Iran reagierte auf diese Vorschläge, die bisher keinem Land der
Welt in dieser Schärfe zugemutet wurden, äußerst
ablehnend. Die iranische Empörung richtete sich vor allem gegen
die Forderung nach einem Verzicht von Anlagen selbst des offenen
Brennstoffkreislaufes.
Auf Druck der USA und der EU-Drei formulierte der IAEO-Gouverneursrat
am 24.09.2005 - ohne Konsens, sondern im Mehrheitsprinzip - eine
Resolution, die Iran eines förmlichen Vertragsbruches anklagte,
ohne dass dies von den Fakten ausreichend gedeckt gewesen wäre.
5. Vorschläge Russlands und Irans
vom Oktober und November 2005
Der Vorschlag Irans vom Ende letzten Jahres, andere Länder an der
Urananreicherung in Natanz zu beteiligen, stieß bei den EU-3 wie
auch der US-Regierung auf schroffe Ablehnung, da diese sich auf ein
generelles Nein zur Anreicherung auf iranischem Boden verständigt
hatten.
Die Vorschläge Russlands zum Betrieb einer Urananreicherungsanlage
für Iran und Russland auf russischem Boden wurden von Iran
abgelehnt, weil sie keine Antworten für die Verwendung von hoch
qualifiziertem iranischem Personal - schätzungsweise allein etwa
4000 Ingenieuren in der Atomindustrie - vorsahen, die bei Umsetzung der
Vorschläge zu einem großen Teil arbeitslos geworden
wären.
Dennoch scheint gerade der russische Vorschlag noch immer diplomatische
Spielräume zu bieten und ist noch nicht ausgereizt.
Nach Öffnung der Siegel der Anreicherungsanlage in Natanz Anfang
Januar 2006 brachen die EU-Drei die Gespräche mit Iran ab und
erklärten die Verhandlungen für gescheitert.
Bei sachlich-nüchterner Betrachtung fällt rückblickend
auf, dass trotz einiger berechtigter Kritikpunkte der EU-3 an der
Atom-Politik Teherans wie z.B. der verspäteten Meldung einiger
Anlagen an die IAEO nicht Iran, sondern die EU-Drei durch ihre
provokativen Maximal-Forderungen vom 05.08.05 die Hauptverantwortung
für das Abbrechen der Gespräche und die derzeitige Eskalation
tragen. Dies sieht eine ganze Reihe von Friedensforschern ebenso, u.a.
auch Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums
für Transatlantische Sicherheit oder Bernd W. Kubbig von der
Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt: "Die
EU hat sich aber, teilweise selbst verschuldet, als ernsthafter Partner
Teherans aus dem Verhandlungspoker herauskatapultiert. Zu den
Gründen zählen die unrealistischen Annahmen über
Teherans Verhalten und überzogene Forderungen" (Süddeutsche
Zeitung, 03.01.2006), so Kubbig.
Trotz weit fortgeschrittener Eskalation könnten die EU-Drei im
Atomstreit mit Iran einige Konfliktlösungsansätze forcieren,
in dem sie Initiativen ergreifen für
- Vermittlung
durch den UN-Generalsekretär oder andere hochrangige Mediatorinnen
- Multilateralisierung
der Unranreicherung unter Kontrolle der IAEO
- eine
ABC-waffenfreie Zone in der Region, die auch Israel einschließt
- ein
regionales Kooperations- u. Sicherheitssystem
- Intensivierung
bestehender Städte- und Universitätspartnerschaften zwischen
Iran und EU.
Die EU-Drei
werden diese Initiativen vermutlich kaum von sich heraus angehen. Daher
ist es höchste Zeit, dass zivilgesellschaftliche Gruppen
schnellstmöglich politischen Druck auf die Regierungen
Deutschlands, Frankreichsund Großbritanniens ausüben - und
auch einige Fakten in der Öffentlichkeit klarstellen.
S. 18
Dokumentation
Die Uran-Anreicherung ist nichts
Illegales
Auch wenn zuweilen der Eindruck erweckt wird - es ist mitnichten so,
dass der Atomwaffensperrvertrag Iran die Anreicherung von Uran und dazu
erforderliche nukleare Forschungen verbietet. Als das Abkommen am 5.
März 1970 geschlossen wurde, gab es ein Agreement zwischen den
damaligen Kernwaffen-Mächten USA, Sowjetunion,
Großbritannien, Frankreich sowie China und dem "Rest derWeil".
Die genannten Länder wurden unter der Bedingung als einzig
legitime Nuklearstaaten anerkannt, dass sie sich zum Abbau ihrer
Arsenale verpflichten. Im Gegenzug erklärten alle
Nicht-Nuklearstaaten - soweit sie den Atomwaffensperrvertrag
unterzeichneten - auf Entwicklung, Bau und Lagerung von Kernwaffen zu
verzichten. Dafür wurde ihnen das Recht zugestanden, alle
verfügbaren Technologien für die friedliche Nutzung der
Kernenergie, einschließlich des Baus von Atommeilern, anwenden zu
können. Die dafür in Anspruch genommenen Anlagen - so die
Verpflichtung - sollten aber Kontrollen durch die Internationale
Atomenergiebehörde (lAEA) zugänglich sein. Die wichtigsten
Artikel des "Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen"
im einzelnen dokumentieren wir hier:
Aus dem
Atomwaffensperrvertrag
Artikel 1 - die
Atomwaffenstaaten verpflichten sich, Kernwaffen nicht weiterzugeben und
niemanden zu unterstützen oder zu ermutigen, derartige Waffen
herzustellen oder zu erwerben.
Artikel 2 - die
Nichtatomwaffenstaaten verzichten auf Kernwaffen.
Artikel 3 - die Kontrolle
erfolgt durch die Internationale Atomenergie-Agentur (lAEA).
Artikel 4 - es gibt das Recht
auf die zivile Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie
und auf Hilfe bei Ausrüstungen und Informationen dazu.
Artikel 5 - es gibt das Recht
auf Kernexplosionen zu friedlichen Zwecken (Anmerkung MFB: Die
Sprengsätze werden selbstverständlich zum Selbstkostenpreis
von den Kernwaffenmächten geliefert).
Artikel 6 - alle
Vertragsstaaten haben die Pflicht zur nuklearen beziehungsweise zur
allgemeinen und vollständigen Abrüstung.
S.19
Das Atomprogramm des Iran
VON CLAUS SCHREER, MüNCHNER BüNDNIS GEGEN
KRIEG UND RASSISMUS
Urananreicherung ist die zentrale Technologie für den Betrieb von
Kernkraftwerken. Als Reaktorbrennstoffwerden Brennstäbe mit
schwach angereichertem
Uran 235 verwendet. Da der Anteil dieses Isotops (U-235) im
Natururanerz zu gering enthalten ist, muss das Erz in Uranhexaflourid
umgewandelt und dann mit Hilfe von Gaszentrifugen auf etwa 3 Prozent
U-235 angereichert werden.
Technische Voraussetzungen
Für den Bau von Atomwaffen benötigt man dagegen
hochangereichertes Uran mit einem Anteil von 80 bis 90 Prozent U-235.
Richtig ist: Wer den Prozess der Urananreicherung beherrscht, ist
prinzipiell auch in der Lage, atomwaffenfähiges Material
herzustellen. Das gilt für alle Staaten, die Atomkraftwerke
betreiben.
Die iranische Pilot-Anlage in Natanz ist für 1.000 Zentrifugen
ausgelegt. In der im Bau befindlichen Anlage könnte nach der
Fertigstellung die industrielle Urananreicherung mit 50.000
Gaszentrifugen betrieben werden. Bisher stehen in Natanz erst 164
Zentrifugen zur Verfügung (FAZ,
14.2.2006).
Nachdem die iranische Regierung nach dem Abruch der Verhandlungen durch
das EU-Trio ihr freiwilliges Moratorium (die Einstellung ihrer
Atomforschungsarbeiten) beendet halte, wurden experimentelle Tests mit
20 Zentrifugen begonnen. Für die Hintereinanderschaltung aller
existierenden 164 Zentrifugen würden noch sechs bis zwölf
Monate vergehen.
Um die geplanten 50.000 Zentrifugen zu bauen und in eine Kaskade zu
schalten (was zur Produktion von waffenfähigem Uran nötig
wäre) bräuchte der Iran "zwischen 10 und 20 Jahre",
schätzt der Präsident des Washingtoner Instituts für
Wissenschaft und Sicherheit
(ISIS), David Albright (SZ, 03.03.2006).
Ist der Iran eine Bedrohung?
Zur Produktion von waffenfähigem Uran ist Teheran noch viele Jahre
gar nicht in der Lage. Der Iran verfügt heute noch nicht einmal
über die Fähigkeit selbst Zentrifugen herzustellen. Und
für die Herstellung von waffenfähigem Uran
für nur eine einzige Atombombe müssten wenigstens 2.500
Zentrifugen in Gang gebracht werden.
Auf sein Atomprogramm mit einer kleinen Anzahl dieser Maschinen will
der Iran aber auf keinen Fall verzichten. Auch der Chef der IAEA,
Mohamed EI-Baradei, hat vorgeschlagen, den Weiterbetrieb einer
iranischen Versuchsanlage zu akzeptieren. Um weitere Verhandlungen zu
ermöglichen, hat sich die iranische Regierung bereit erklärt,
die industrielle Urananreicherung für zwei Jahre auszusetzen und
alle notwendigen Kontrollen durch die Atombehörde zuzulassen.
Die USA und die EU-Mächte bleiben jedoch bei ihrer
Erpressungspolitik. Sie wollen im UN-Sicherheitsrat ein Ultimatum
durchsetzen (notfalls als "Präsidentschaftserklärung"),
wonach der Iran die wieder aufgenommenen Atomforschungsaktivitäten
"ohne Verzug" vollständig einstellen muss und diese Forderung
binnen 14 Tagen umzusetzen hat.
Medien-Kriegshetze
In großformatigen Artikeln hetzt die "Bild"-Zeitung schon seit
Monaten gegen den Iran. Am 12. Januar 2006: "Wie können die
Atom-Mullahs gestoppt werden?" Am 18. Januar, quer über die ganze
Seite: Adolf Hitler neben Irans Staatspräsidenten Ahmadinedschad
und dazu in großen Lettern: "Ist der Irre aus Teheran so
gefährlich wie Hitler?"... "Will Irans fanatischer Präsident
die ganze Welt in den Abgrund stürzen?" Der Iran sei "unter
Umständen nur noch wenige Monate vom Bau einer Atombombe entfernt".
Als "wahrscheinlichste Option" wird den Lesern "ein gezielter
Luftschlag der Israelis mit massiver US-Unterstützung" schmackhaft
gemacht (12.01.2006). Die USA hätten bereits "500 bunkerbrechende
Präzisionsbomben", die so genannten "bunker busters" an Israel
geliefert. Die USA selbst wollen ihre neu entwickelte 13,6 Tonnen
schwere konventionelle Monster-Bombe und "notfalls auch
Mini-Atombomben" einsetzen (14.03.2006).
Die Bild-Leser werden jedoch beruhigt: "Die Explosionshitze der
Mini-Atombomben könnte die unterirdischen Anlagen im Iran
zerstören, ohne dass ganze Landstriche verwüstet werden".
Atomkrieg!? - Alles halb so schlimm! Aber auch sogenannte seriöse
Meinungsblätter wie die
"Süddeutsche Zeitung" schreiben, "Im Fall Iran" sei es jetzt "Zeit
für eine klare Drohung" ... "Das europäische
Verhandlungsmarathon mit Iran krankt an mangelnder
Glaubwürdigkeit", giftet SZ-Chefkommentator Stefan Cornelius
herausfordernd, und am "Zweifel, ob den harten Worten auch harte Taten
folgen würden". Wie weit diese gehen sollen, bleibt offen.
In der Tageszeitung "Die Welt" wurde am 25. Januar die Kriegsstimmung
verbreitet. die derzeit gebraucht wird. Lord George Weidenfeld: "Gibt
es eine Lösung ohne den Willen, bis zum Außersten zu gehen,
bevor Kernwaffen von der iranischen Führung bestenfalls als
Erpressungsmittel, aber sehr wahrscheinlich auch für einen
militärischen Einsatz genutzt werden? Das Risiko einer
militärischen Intrvention könnte zwar Opfer in
Größenordnungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges mit sich
bringen, doch der Triumph des islamistischen Terrors würde an
Grässlichkeit alles überbieten, was uns die Weltgeschichte
vermittelte."
Vor lauter Kriegsgeschrei kulminiert die Verteufelung des
Gegners darin, dass man notfalls selbst über 75
Millionen Tote in Kauf nimmt.
Aufstachelung zum
Angriffskrieg
Um "Politik und Handeln anderer Nationen zu beeinflussen" und um "den
Interessen und Werten der eigenen Nation zu dienen", müssten wir
"alle Mittel in Betracht ziehen ... von freundlichen Worten bis zu
Marschflugkörpern", schwadronierte Angela Merkel 2004 auf der
NATO-Sicherheitskonferenz.
Windmühlen-Kampf
der
EU-3-Diplomaten
"Die amerikanische Taktik läuft seit anderthalb Jahren darauf
hinaus, die potenziellen Gegner von möglichen
Militärschlägen auf das diplomatische Parkett zu schicken,
selbst aber gegenüber Teheran keinerlei Konzessionen zu machen,
damit jede Diplomatie zum Scheitern verurteilt ist. Die
WeItöffentlichkeit soll den Eindruck haben, der Westen habe alles
getan und alles gegeben, der Westen habe stets vernünftig reagiert
- trotzdem bricht der Iran das Völkerrecht und will Atomwaffen. -
Diese Stimmung haben die Amerikaner meines Erachtens meisterhaft herbei
geführt, die Europäer fühlen sich dabei als die
eigentlichen Akteure." Mohssen
Massarat