Münchner
Friedensbündnis
Münchner Friedensbündnis - c/o
Friedensbüro e.V.,
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Israels Kriegshandlungen sind unentschuldbar
Die brutale Reaktion auf die Entführung des Obergefreiten Schalit
hat Implikationen, die weit über den Mittleren Osten hinaus gehen.
Will Hutton
Sonntag, d. 2. Juli 2006
Observer
In einem bereits so lange andauernden und blutigen Konflikt wie dem im
Mittleren (Nahen) Osten, kennen beide Seiten die Regeln und die
Auswirkungen ihrer Aktionen auf ihre Feinde. Die palästinensischen
Gruppen, einschließlich der militanten Hamas, die den
Obergefreiten Schalit gefangen halten, werden gewußt haben, dass
Israel heftig reagieren würde, aber auch, wie die Reaktion
Palästinas sichtbar werdende gemeinsame Front unterminieren
würde. Und Israel, auf der anderen Seite, wußte genau um die
Auswirkung seiner unglaublich unverhältnismäßigen
Antwort, sowohl auf seine Feinde als auf das politische Gleichgewicht
innerhalb der eigenen Gesellschaft.
Das ist der Grund, wie immer das Endergebnis sein wird, dass die letzte
Woche so deprimierend war. Die Abwägungen wurden von denen
angestellt, die gegen eine langfristige Lösung sind. Israels
Zerstörungen in Gaza und die illegale Gefangennahme von
Mitgliedern der palästinensischen Regierung sollten für die
Hamas eine Lehre sein. Aber es war nicht die Lehre, die Hamas im
Augenblick braucht, wo sie sich gerade den Weg ertastet zur politischen
Realität und zum Zugeständnis des israelischen
Existenzrechtes. Israel ist jetzt weniger sicher als es war. Es hat
sein eigenes tiefes Verlangen nach Übereinkunft und Frieden
verraten.
Israel hat die Doktrin der unverhältnismäßigen Antwort
häufig angewendet: Nicht ein Auge für ein Auge, sondern 10
und 20 palästinensische Tote für einen israelischen Verlust.
Vor zwölf Jahren riegelte Yitzak Rabin das Westjordanland ab, um
israelischen Spezialeinheiten zu ermöglichen, den entführten
Obergefreiten Waxman zu befreien. Die Operation endete mit dessen Tod,
aber selbst gemessen daran war das, was in der letzten Woche geschah,
außergewöhnlich.
Anders als das Westjordanland, soll Gaza ein halbautonomes
souveränes Gebiet sein. Durch die Bombardierung des
Hauptkraftwerks hat Israel dem größten Teil Gazas die
Elektriztät abgeschaltet, einschließlich der für die
Wasserpumpstationen. Den Zugang zu Wasser und Nahrung zu verhindern,
kann nur eine äußerste Belastung der dortigen
Bevölkerung hervorrufen; gesundheitlich geschwächte
Palästinenser sterben bereits.
Noch ungewöhnlicher waren die nächtliche Angriffe, die zur
Gefangennahme und zur Haft von acht Kabinettmitgliedern einer
souveränen Regierung, einschließlich des Finanzministers,
von 30 Parlamentsmitgliedern und von bis zu 30 weiteren Offiziellen
führten. Israel droht, einige von ihnen wegen Terrorismus vor
Gericht zu stellen.
In jedem anderen Zusammenhang wäre dies eine Kriegserklärung.
Es ist atemberaubend, aber dies ist der Mittlere Osten. Die
Hamas-Regierung hat bisher ihr Programm der Beseitigung Israels oder
zur Verwendung terroristischer Mittel nicht geändert. Von Gaza aus
werden regelmäßig Raketen nach Israel geschossen.
Der israelische Premierminister Ehud Olmert hat sich festgelegt, Israel
aus Teilen des Westjordanlandes zurückzuziehen, was von der
israelischen Rechten und zionistischen Fundamentalisten als
endgültiger Ausverkauf angesehen wird (obwohl Israel gleichzeitig
besetztes Land konfisziert).
Aber Unverhältnismäßigkeit in diesem Ausmaß ist
unsinnig. Es macht Israel zum Schurkenstaat und die Palästinenser
zu Opfern. Dies sind nicht die Aktionen einer Regierung, die ein
'Partner für den Frieden' sein will.
Schlimmer noch, es deutet an, dass es für Israel unmöglich sein wird, sich auf eine gerechte Regelung einzustellen.
Jedes Elternteil, jeder Manager oder erfolgreiche Politiker kennt die
Bedeutung von Übereinkunft und gegenseitigem Respekt, um zu einem
erfolgreichen Abschluß zu kommen. Unterjochung,
Unterdrückung und Demütigung funktionieren als Strategie
nicht. Aber Israel, die überwältigend stärkere Macht,
wird geleitet von einer Einstellung, die in einer Familie, einer
Fabrik oder einer politischen Partei nur wenige Tage überleben
würde.
Schlimmer noch, es vernichtet ermutigende Entwicklungen. Der
palästinensische Präsident Machmud Abbas verlangte von der
Hamas, anzuerkennen, dass der einzige Weg aus dem Konflikt die
Zweistaatenlösung ist, was die Anerkennung Israels und seine
Erweiterung nach dem Krieg von 1967 bedeutet, oder er würde ein
nationales Referendum abhalten. Die Hamas gab nach, weil sie
wußte, dass er gewinnen würde, und erreichte einen Pakt der
nationalen Einheit mit Abbas' Fatach. Die Basis für die
Wiederaufnahme der Verhandlungen war im Werden.
Die finstere Interpretation der Reaktion Israels in Gaza ist, dass es
keinen politisch lebensfähigen Verhandlungspartner in
Palästina haben will. Es gefällt Israel, die Hamas als
fundamentalistische Terroristen zu charakterisieren, die indiskutabel
sind. Dadurch kann es mit seiner unilateralen Regelung, der Mauer und
dem Landraub fortfahren, auch wenn es damit die Flammen des
palästinensischen Extremismus schürt.
Es ist unser aller Aufgabe, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Die
beste Erwiderung auf den Anstieg des islamischen Terrorismus wäre
eine gerechte Regelung im Mittleren Osten. Israels Aktionen sind
verkettet mit einer blutigen Spur zum nächsten Terroristenangriff
gegen uns, der wahrscheinlicher geworden ist. Großbritannien, die
EU und die USA handelten richtig, als sie darauf bestanden, dass die
frisch gewählte Hamas-Regierung Israel anzuerkennen hätte,
und dieser Forderung mit Sanktionen Nachdruck verliehen.
Jetzt, wo die Hamas Veränderungen ankündigt, müssen wir
genauso kompromißlos Israels Aktionen verurteilen. Die
beschönigende Reaktion der G8, dass wir 'besonders
beunruhigt' seien, ist armselig. Was in der letzten Woche passierte,
ist eine internationale Schande. Wir müssen das sagen. Wir machen
die Hamas verantwortlich für ihre Aussagen und für ihre
Taten. Das Gleiche gilt für Israel.