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Ihr eigener Krieg

Eugene Robinson
Washington Post 28.7.06

Libanon ist jetzt Condis eigener Krieg geworden.
 
Man kann argumentieren, ob die Urheberschaft für den traurigen Schmamassel im Irak Rummy oder Cheney zuzuschreiben ist oder dem Entscheider selbst, aber was den Libanon angeht, ist es die Außenministerin Condoleezza Rice, die ins Zentrum der ersten Reihe getreten ist, um die Krise zu handhaben und der Welt zu zeigen, wer der Chef ist.

Es war Rice, die mehr als eine  Woche wartete, um Israel die Zeit zu geben, den Libanon zu zerschmettern, bevor sie Zeit fand, Beirut und Tel Aviv zu besuchen und am Krisengipfel in Rom teilzunehmen. Es war Rice, die während der ganzen Reise einen schnellen Waffenstillstand kategorisch aussschloß, weshalb man sich fragen konnte, ob die Reise überhaupt notwendig war, denn sie gab nur einen simplen Text von sich "Zu früh, um Bumm Bumm zu beenden" ("2 soon 2 stop boom boom")

Die bedeutenste Entwicklung von Rices Reise durch die Region war, daß sie persönlich die Zuständigkeit für diesen blutigen eskalierenden Krieg zwischen den israelischen Truppen und den Hisbollah-Guerillas mit einer einzigen atemberaubenden Erklärung übernahm.

"Es ist Zeit für einen neuen Mittleren Osten. Es ist Zeit, denjenigen, die nicht eine andere Art des Mittleren Ostens wollen, zu sagen, wir werden uns durchsetzen, sie nicht" ("It is time for a new Middle East. It is time to say to those who do not want a different kind of Middle East that we will prevail, they will not").

Man nehme sich etwas Zeit, um diese zwei Sätze einsinken zu lassen. Der Teil darüber wie "wir uns durchsetzen" ist das übliche Gegen-die-Brust-Klopfen der Bush Administraration, das Äquivalent zu Bushs (sinngemäß)"komm ran, wenn du Mut hast"-Herausforderung gegenüber den irakischen Aufständischen. Es ist der "neue Mittlere Osten"-Teil, den sie bei jeder Gelegenheit wiederholt hat, der es zu Contis Krieg macht und der jedem kalte Schauer den Rücken runter jagen sollte, der mehr als ein oberflächliches Wissen von dieser Region hat.

Welcher Außenminister hat nicht von einem neuen Mittleren Osten geträumt, wo friedvolle, demokratische Nationen in Harmonie leben. Alle haben es, nehme ich an, aber alle utopischen Phantasien, die sie gepflegt haben, kollidierten unvermeidlich mit den dystopischen (negativen) Realitäten. Das augenblickliche Mittlerer-Osten-Modell ist gesättigt mit legitimen Beschwerden, nicht verhandelbaren Forderungen, uraltem Groll, machiavellischen Allianzen, religiösem Fanatismus und modernen Kriegswaffen. Die Idee des großen Schlags, der auf irgendeine Weise ein "neues" Modell erzeugt ist nicht nur unrealistisch, sie ist ausgesprochen Furcht einjagend.

Rices Vorgänger haben alle entdeckt, daß In-Schach-Halten, schrittweises Vorgehen, Vertrauensbildung und ähnliche wenig auffällige Schneckentempo-Methoden der schlimmste Weg sind, den Mittleren Osten zu handhaben –  nur all die anderen Möglichkeiten sind noch schlimmer.

Rice bevorzugt jedoch Auffälliges. Und ihr Boss bleibt überzeugt, daß große Gesten alles verändern – schaut an wie die Invasion und die Besetzung des Irak Sunniten, Schiiten und Kurden überzeugt hat, ihre Gitarren herauszuholen und den Refrain von "Kumbaya" mitzusingen.

Stellt Rice sich vor, daß in ihrem "neuen" Mittleren Osten die Palästinenser auf irgendeine Weise Gedächnisschwund entwickeln und ihr Streben nach einem lebensfähigen unabhängigen Staat vergessen? Glaubt sie, daß die Autokraten in Ägypten, in Syrien, in Saudiarabien und sonstwo freie und faire Wahlen erlauben werden – und daß die Wähler die militanten glaubensbasierten Gruppen ablehnen, die jahrelang die notwendigen Dienste bereitgestellt haben, um die sich die korrupten Regierungen nicht gekümmert haben? Glaubt sie, daß irgendjemand das unkontollierbare Frankenstein-Ungeheuer, das wir im Irak erzeugt haben, als nachzueiferndes Modell ansieht?

Die eine Sache, die bisher klar ist, ist, daß Rice glaubt, die Genehmigung für Israel, die Hisbollah zu dezimieren und das, was übrig bleibt, aus dem Südlibanon zu vertreiben, ein solch wertvoller Schritt in Richtung auf ihren "neuen" Mittleren Osten ist, daß es sich lohnt, eine gerade entstehende arabische Demokratie zu lähmen mit hunderten von zivilen Opfern und Schäden an der Infrastruktur für viele Milliarden Dollar.

Das zumindest glaubte sie vor ihrer Reise. Wenn sie in Anbetracht der Schwierigkeiten, die die israelischen Streitkräfte mit der Hisbollah haben, die ganze Sache immer noch nicht überdacht hat, dann haben wir ein echtes Problem.

Andere treue Anhänger der großartigen Projekte der Bush Administration scheinen erschöpft – Rumsfeld ist eher Philisoph als Eroberer, wenn er dieser Tage über den Irak spricht, während Cheney auf bizarre Weise das Märchen aufrechterhält, daß alles bestens läuft. Aber die Lebensgeschichte von Rice – kleines schwarzes Mädchen aus Birmingham steigt auf bis zur Außenministerin, wird irgendwie auf dem Wege eine Falken-Republikanerin – und ihr offensichtliches Potential für Politik, lassen sie immer noch als höchst interessante Person erscheinen. Ich kenne persönlich drei Leute, die ein Buch über sie schreiben.

Jetzt bei ihrem ersten wirklichen Test als Außenministerin wird Condoleezza Rice an mehr als ihrem eindrucksvollen Lebenslauf, ihrer offensichtlichen Intelligenz, ihrem sicheren Auftreten auf der Weltbühne und ihrem Gefühl für Mode gemessen. Jetzt hat sie ihren eigenen Krieg zu bewältigen, und alles, was sie bisher getan hat, ist, die Leute mit ihrem Gerede zu erschrecken, wie sie irgendwie aus der Zunderbüchse der Welt was "Neues" macht.

Sie sollte sich an das berühmte Diktum des Philosophen Rumsfeld erinnern, daß ich umschreibe:"Man geht in den Krieg mit dem Mittleren Osten, den man hat, nicht mit dem, den man sich wünschen würde."

eugenerobinson@washpost.com
© 2006 The Washington Post Company