Münchner
Friedensbündnis
Münchner Friedensbündnis - c/o
Friedensbüro e.V.,
Isabellastr. 6, 80798 München
Wir brauchen politische Maßnahmen für eine wirklichen, anhaltenden Frieden im Mittleren Osten
Jimmy Carter, Washington Post, 1.8.06
Der Mittlere
Osten ist eine Zunderbüchse, wobei einige der Hauptakteure auf
jede Gelegenheit warten, um ihre Feinde mit Kugeln, Bomben und Raketen
zu zerstören. Eine der besonderen Verwundbarkeiten Israels und der
sich wiederholende Anlaß für Gewalttätigkeiten ist das
Festhalten von Gefangenen. Militante Palästinenser und Libanesen
wissen, daß ein gefangengenommener israelischer Soldat oder
Zivilist entweder der Grund für einen Konflikt ist oder ein
wertvolles Faustpfand für ein Gefangenenaustausch. Diese Annahme
basiert auf eine Reihe solcher Geschäfte mit 1.150 Arabern,
meistens Palästinensern, für drei israelische Soldaten im
Jahre 1985, 123 Libanesen für die Überreste von zwei
israelischen Soldaten im Jahre 1996 und 433 Palästinensern und
anderen für einen israelischen Geschäftsmann und die
Leichname von drei israelischen Soldaten im Jahr 2004.
Diese Art der Kriegsführung führte zu den erneuten
Gewalttätigkeiten, als im Juni Palästinenser unter der
Grenzbefestigung, die den Gazastreifen umgibt, einen Tunnel gruben und
einige israelische Soldaten angriffen, von denen zwei getötet und
einer entführt wurden. Sie boten den Austausch des Soldaten gegen
die Freilassung von 95 Frauen und 313 Kindern an, die sich unter den
fast 10.000 Arabern in israelischen Gefängnissen befinden, aber
diesmal lehnte Israel den Tausch ab und fiel in Gaza ein, um den
Soldaten zu befreien, und um den Raketenbeschuß auf Israel zu
beenden. Die damit einhergehenden Zerstörungen führten zu
einer Aussöhnung der verschiedenen kriegsführenden
Palästinensergruppen und zu einer Unterstützung für sie
aus der gesamten arabischen Welt.
Hisbollah Milizen töteten dann drei israelische Soldaten und
entführten zwei und beharrten dann auf dem Rückzug Israels
aus kontroversem Gebiet sowie auf dem Austausch einiger der vielen
tausend inhaftierten Libanesen. Mit amerikanischer Unterstützung
regneten israelische Bomben und Raketen auf den Libanon herunter.
Hisbollah Raketen aus Syrien und aus dem Iran trafen den Norden Israels.
Zweifellos hat Israel das Recht, sich gegen Angriffe auf seine
Staatsangehörigen zu wehren, aber es ist inhuman und
kontraproduktiv, die Zivilbevölkerung in der unlogischen Hoffnung
zu bestrafen, diese werde der Hamas und der Hisbollah die Schuld
für die verheerende Reaktion geben. Stattdessen ist das Ergebnis
eine breite arabische und weltweite Unterstützung für diese
Gruppen, während sich die Verurteilung sowohl Israels als auch der
USA verstärkt hat.
Israel kündigte als Reaktion auf die weltweite Verurteilung des
Luftangriffs auf das libanesiche Dorf Kana, wo 57 Zivilisten in der
letzten Woche starben und wo vor 10 Jahren 106 Menschen aus dem
gleichen Grund starben, mit Verzögerung eine zweitägige
Bombardementspause an, führte sie aber nicht aus. Wie zuvor gab es
Äußerungen des "tiefen Bedauerns" und das Versprechen der
"sofortigen Untersuchung" und die Erklärung, man hätte die
Familien in der Gegend mit abgeworfenen Flugblättern aufgefordert,
ihre Häuser zu verlassen. Im Libanon ist es dringend notwendig,
daß die israelischen Angriffe aufhören, daß die
regulären libanesischen Truppen die südliche Region
kontrollieren, daß die Hisbollah aufhört, eine separate
Kampftruppe zu sein und daß zukünftige Angriffe auf Israel
verhindert werden. Israel sollte sich vom gesamten libanesischen Gebiet
- eingeschlossen die Schebaa-Farmen - zurückziehen und die
libanesischen Gefangenen freilassen. Aber gestern lehnte
Premierminister Ehud Olmert einen Waffenstillstand ab.
Dies sind ehrgeizige Hoffnungen. Aber selbst wenn der UN-Sicherheitsrat
eine Resolution annehmen und implementieren würde, die
schließlich zu einer Lösung führen würde; sie
würde nur ein weiteres Heftpflaster und eine temporäre
Entlastung bereitstellen. Tragischerweise ist der augenblickliche
Konflikt Teil eines sich unvermeidbar wiederholenden
Gewattätigkeits-kreislaufs, der seine Ursache im Fehlen einer
umfassenden Regelung für den Mittleren Osten hat, verschärft
durch die fast beispiellose, sechs Jahre währende Abwesenheit
einer wirklichen Anstrengung, ein solches Ziel zu erreichen.
Die Führer beider Seiten ignorieren starke Majoritäten, die
den Frieden ersehnen, was es der von Extremisten geführten Gewalt
möglich macht, allen Gelegenheiten für eine politische
Übereinkunft zuvorzukommen. Traumatisierte Israelis klammern sich
an die falsche Hoffnung, daß ihr Leben durch schrittweise
unilaterale Rückzüge aus besetzten Gebieten sicherer wird,
während die Palästinenser ihr verbleibendes Territorium auf
wenig mehr als eine Menschen - Müllhalde reduziert sehen, die von
einem "Sicherheitswall" umgeben ist, der Israels Freunde in
Verlegenheit bringt und dabei versagt, Sicherheit und Stabilität
zu bringen.
Der allgemeine Rahmen für eine langfristige
Zweistaaten-Übereinkunft sind bestens bekannt. Es wird keinen
substantiellen und dauernden Frieden für irgendjemand in dieser
unruhigen Region geben, solange Israel wesentliche UN-Resolutionen, die
offizielle amerikanische Politik und die internationale "Road Map"
für Frieden durch die Besetzung arabischen Landes und die
Unterdrückung der Palästinenser ignoriert. Mit Ausnahme von
beidseitig akzeptablen, verhandelten Abänderungen müssen
Israels Grenzen vor 1967 eingehalten werden. So wie bei allen
früheren Administrationen seit der Gründung Israels
müssen Verantwortliche der US-Regierung vordringlich bei der
Lösung dieses lange verzögerten Zieles tätig werden.
Ein wesentliches Hindernis zum Fortschreiten ist Washingtons seltsame
Politik, daß der Dialog über umstrittene Themen nur als
Belohnung für unterwürfiges Verhalten zugebilligt wird und
denen verweigert wird, die die US-Sicht ablehnen. Eine direkte
Vereinbarung mit der PLO oder der palästinensischen
Autonomiebehörde und der Regierung in Damaskus wird notwendig
sein, wenn sichere verhandelte Regelungen erreicht werden sollen. Ein
Versagen, diese Fragen und diese Führer einzubeziehen, birgt das
Risiko einer Entladung zu noch größerer Instabilität,
die von Jerusalem durch Beirut, Damaskus, Baghdad und Teheran
läuft.
Die Menschen im Mittleren Osten verdienen Frieden und Gerechtigkeit,
und wir in der Internationalen Gemeinschaft schulden ihnen unsere
starke Führerschaft und Unterstützung.
Der frühere Präsident Carter ist der Gründer des gemeinnützigen Carter Center in Atlanta.
© 2006 The Washington Post Company