International?
Veranstalter Horst Teltschik (Präsident von Boeing Deutschland) rühmt sich, die Konferenz von einer „transatlantischen“ (sprich NATO-) zu einer internationalen Konferenz gemacht zu haben (Interview 24.11.2003), an der 2004 45 Staaten teilgenommen hätten. Der Gästeliste ist allerdings zu entnehmen, dass davon nur 8 Staaten echte Nicht-Nato-Staaten sind, die übrigen sind Mitglieder oder „assoziierte Mitglieder“ wie Albanien, Georgien, Litauen u.a. Nur 10 Prozent der Teilnehmer kamen aus diesen 8 Ländern, die nicht vertraglich mit der NATO verbunden sind. Dafür sind allein die USA mit einem 60köpfigen Kontingent (fast 25 Prozent) vertreten.
Friedenskonferenz?
Selbst der Münchner OB Christian Ude scheint inzwischen erkannt zu haben, dass ein Treffen von „Militärs mit Rüstungslobbyisten“ keine „wirkliche Friedenskonferenz“ sein kann. (SZ v. 10.2.03). Für Teltschik ist dagegen das markige „Sorry, I am not convinced!“, das Außenminister Fischer dem US-Kriegsminister Rumsfeld 2003 entgegengeschleudert hatte, bereits Beweis genug, dass auf der SiKo 2003 nicht der letzte Irakkrieg „geplant“ wurde (Hunold, 27.02.04) sondern auch die Teilnehmer dieser Konferenz sich - wie üblich -„ausschließlich mit der Frage: Wie können Konflikte eingedämmt und friedlich gelöst werden? Und vor allem: Wie kann man die Entstehung von Krisen verhindern?“ befasst hätten. (Interview 24.11.2003).
Drei Angriffskriege in den letzten 5 Jahren durch die NATO-Führungsmacht USA und weitere NATO-Staaten gegen souveräne Länder geführt, von denen kein einziges ein NATO-Land bedroht oder gar angegriffen hatte, lassen diese Äußerungen als sehr fragwürdig erscheinen. Orwell lässt grüßen!
2004 standen als Schwerpunkte die Krisenthemen NATO, Irak, und Israel/Palästina auf dem Programm. Während vom Veranstalter befriedigt festgestellt wird, dass sich bereits 17 von 19 NATO-Staaten „im Irak beteiligen“ (das meint: an der völkerrechtswidrigen Okkupation), wird Deutschland und Frankreich wegen ihrer Verweigerung eines militärischen Engagements eine „starre Haltung“ attestiert. („Tauwetter auf dünnem Eis“ von Bettina Hunold , 2004)
Die Diskussionen über die Nahost-Krise brachten „keinerlei Annäherung“, wurden von einigen als „nicht bedeutungsvoll“ gewertet und selbst der Veranstalter kritisierte das offenkundige Desinteresse „vieler Europäer, die die Konferenz bereits vor dem zweiten Konferenztag verlassen hatten.“ (dito)
Was die Krise der NATO angeht, so gab Teltschik die Parole aus, dass es „nicht darum gehen könne, die Wunden zu lecken, nachträglich nach Rechtfertigungen zu suchen oder sich weiterhin gegenseitige Vorhaltungen zu machen. Vielmehr müsse es darum gehen, eine gemeinsame Diskussion darüber zu fuhren: Vor welchen Bedrohungen stehen wir, welche Aufgaben leiten sich daraus ab und wie lösen wir sie - gemeinsam oder im Rahmen einer Arbeitsteilung ?“ (Eröffnungsrede Teltschik 2004)
Dem schloss sich Kriegsminister Struck, der befriedigt festgestellt hatte, dass die „Sinnkrise der NATO Vergangenheit“ sei, voll und ganz an: „Wir schauen nach vorne.“ (Rede Struck 2004)
Fazit: die einzigen Krisen, die die NATO-Staaten mit ausschließlich politischen Mitteln zu lösen versuchen, sind offensichtlich die der NATO selbst.
Interessant ist ein Blick auf die Gästeliste:
Nach Funktionen aufgegliedert waren 2004 etwa die Hälfte aller Teilnehmer hochrangige Militärs (25), Militärpolitiker (75) und Vorstände der weltgrößten Kriegswaffenhersteller aus den USA und Europa (17). Die andere Hälfte bestand aus Außenpolitikern, Mitgliedern von Instituten für Strategische Studien, NATO-freundlichen Journalisten sowie Parlamentariern und Politikern ohne Angabe spezifisch militärischer und/oder außenpolitischer Funktionen. Während also die übergroße Mehrheit der Teilnehmer Angehörige des militärisch-industriellen-politischen Komplexes waren, stellte auch Ude inzwischen das völlige Fehlen von Vertretern derjenigen Institutionen fest, deren ureigenste Aufgabe und Tätigkeit tatsächlich die politische, friedliche Lösung und Prävention von Krisen und Konflikten ist., wie vor allem die UN und ihre Organisationen. (SZ 10.2.04) Zu unterstellen, die Vorstände von Diehl, Krauss-Maffei, Rheinmetall, Thales, EADS, Northrop Grumman, Lockheeed Martin, General Dynamics, Boeing usw. würden an einer Tagung teilnehmen, die sich „ausschließlich“ auf „politische Maßnahmen zur Verhinderung und Lösung von Krisen konzentriert“ (Teltschik 19.12.2003), ist absurd. Für diesen Fall müssten sie von ihren Aktionären wegen massiver Geschäftsschädigung sofort entlassen werden.
Frieden durch Dialog
Laut Teltschik soll die Konferenz in erster Linie dazu dienen, bilaterale Gespräche zwischen Spitzenpolitikern aus aller Welt zu ermöglichen, ohne Protokolle und Medienpräsenz, was er als „ganz entscheidenden Beitrag für Völkerverständigung und erfolgreiche Friedenspolitik ansieht“, da sie in einer „sehr offenen und sehr direkten Aussprache“ sich persönlich besser kennenlernen können. Dies könne zur Lösung von Konflikten beitragen. (Interview 24.11.03)
Das heißt, die wirklich wichtigen Gespräche laufen hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Was im öffentlichen Teil der Veranstaltung abläuft, ist demnach zweitrangig. In den auch im TV-Sender Phoenix übertragenen Fensterreden kommt es allerdings zu so inhaltlichen Höhepunkten wie den Ausspruch Rumsfelds: "Jeder Affe, der vom Mars auf die Erde schaut, kann sehen, dass die Amerikaner und die Deutschen die gleichen Interessen haben" (Hunold, 2004)
Zur geplanten Verleihung einer neu geschaffenen „Friedensplakette“ durch Stoiber an den UN-Generalsekretär Kofi Annan auf der Konferenz 2005 (SZ v.18.11.04) ist nur soviel zu sagen, dass es sich hier zwar einerseits um eine Defensivmaßnahme des Veranstalters handelt, insofern also einen Erfolg der Kritik und der Proteste gegen die Konferenz darstellt. Andererseits entspricht diese dreiste PR-Aktion aber in etwa der Verleihung der Medaille „Keine Macht den Drogen“ an Interpol von einer Versammlung der Drogenmafia.
Zu hoffen ist, dass Annan den in München versammelten Herrschaften die Leviten liest, was ihren Umgang mit dem Völkerrecht angeht und die Annahme dieser Plakette verweigert. Anderenfalls würde er dem Ansehen seines Amtes und der UN schweren Schaden zufügen.
Zu den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz
Teltschik scheint die Frage eines möglichen Umzugs seiner Veranstaltung an einen weniger zentralen Ort mehr umzutreiben („wäre der Todesstoß“, 19.12.03) als die inhaltliche Kritik der Konferenzgegner. Aber die gibt es seiner Meinung nach gar nicht, was er mit Zitaten anonymer Konferenzgegner „beweist“. Als weiteren Beweis führt er die vom „Aktionsbündnis gegen die Sicherheitskonferenz“ geäußerte Medienkritik an: „Kein einziges Wort wird über die Motivation der Proteste gegen die Konferenz verloren.“ Sein Fazit: „Aber solange sie gar nicht wissen, wogegen sie eigentlich protestieren, werden weder die Medien darüber berichten noch kann sich der Veranstalter mit ihnen an einen Tisch setzen, um zu diskutieren.“ (Hunold, 27.02.04)