Brigitte Wolf - städt. Grußwort Marienplatz 23.4.2011

Brigitte Wolf - städt. Grußwort Marienplatz 23.4.2011

Brigitte Wolf, Grußwort der Stadt München, Kundgebung Marienplatz

Liebe Münchnerinnen und Münchner,
liebe Freunde aus Friedens- und Anti-AKW-Bewegung,

ich freue mich, in diesem Jahr wieder die Grüße der Stadt München überbringen zu können, als Anerkennung Eurer Bemühungen, auch in diesem Jahr öffentlich für einen Politikwechsel einzutreten, für Frieden und eine gerechte Weltordnung. Euer Engagement wird respektiert, auch dann, wenn die Stadt München Adressat der Proteste ist.

Für Eure aktuellen Forderungen gibt es auch in der zivilen kommunalen Politik in München zahlreiche Anknüpfungspunkte. Denn um die Sache des Friedens steht es nicht gut. Politikerinnen und Politiker müssen den Frieden nicht nur loben, die Staaten müssen Frieden schließen und Frieden halten. Im Jahr 2011 ist der Krieg als Mittel der Politik keineswegs weltweit geächtet. Trotzdem: Die Friedensbewegung sorgt mit ihren Anstrengungen dafür, dass der Einsatz des Militärs in jedem einzelnen Fall umstritten bleibt. Die fundierte Kritik von Kriegsgläubigkeit, Kriegsbegeisterung, von Rüstungspolitik und Militarismus bietet die Chance, Wege zum Frieden aufzutun und offen zu halten.

Gerade in München, das Jahr für Jahr von der selbsternannten Sicherheitskonferenz, einem durch nichts und niemandem legitimierten Treffen politischer Machthaber, zum Schauplatz ihrer Absprachen gemacht wird, kommt es darauf an, Kritik wahrnehmbar zu machen. Die Landeshauptstadt Münchens, die als Veranstaltungsort der Sicherheitskonferenz international mit Militärpolitik in Zusammenhang gebracht wird, hat es sehr nötig, dass die Suche der Bürgerinnen und Bürger nach einem gerechten Frieden auch in den Medien sichtbar wird. Das München der Sicherheitspolitiker ist nicht das ganze München, die Proteste reichen bis in den Münchner Stadtrat.

Bayern und seine Landeshauptstadt sind weltweit eine gute Adresse der Rüstungsindustrie. Jahrzehntelang haben die mit dieser Industrie weltweit verbundenen Geheimdienst- und Korruptionsskandale das Bild Bayerns in der Öffentlichkeit mitbestimmt. Das war die Ära Strauß, die bis heute die Justiz beschäftigt. Für die Entwicklung unserer Stadt und der ganzen Region ist die Abkehr von der Rüstungsproduktion eine Aufgabe, die erst noch gelöst werden muss. Sie kann nur gelöst werden, wenn die Kritik an der militärischen Ausrichtung von Wissenschaft und Industrie bis zur Erarbeitung von Alternativen getrieben wird.

Vor zwei Jahren noch hat die Bundeswehr, die zu einer Interventionsarmee umgerüstet wird, Anspruch erhoben auf den wichtigsten Platz der Stadt, den Marienplatz für Gelöbnis und Vereidigung von Soldatinnen und Soldaten. Und sie hat ihn auch erhalten. Viele von uns haben an diesem Wiederaufleben militärischer Traditionen Kritik geführt und waren an Protesten beteiligt. Damals wurde einmal mehr sichtbar, dass die Bevölkerung nicht hinter diesen Interventionskriegen steht. Inzwischen wurde die allgemeine Wehrpflicht aufgehoben. Mit diesem Schritt wollte die Bundespolitik die öffentliche Kritik an Bundeswehreinsätzen schwächen, aber wenn die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft nachlässt, wird die Logik militärischer Einsätze neue Triumphe feiern. Auch das zeichnet sich bereits ab.

Wir alle leiden in diesen Tagen unter der Unterdrückung der Protestbewegungen in den arabischen Ländern, insbesondere unter dem Bürgerkrieg in Libyen. Zweifellos haben sich in diesen Ländern vor allem von der jungen Generation getragene Bewegungen auf einen Weg gemacht, der in eine freiere, zivile politische Ordnung führen soll. Es ist für mich jedoch unverkennbar, dass von Seiten der Nato-Mächte in Libyen Versprechen gegeben wurden, die den Bürgerkrieg weiter anfeuern, in den nunmehr zahlreiche Staaten verwickelt sind. Die Menschen versuchen unter Lebensgefahr, der Not, der Instabilität und dem Grauen des Bürgerkrieges zu entkommen. Die Staaten Europas werden den Menschen, die auch als Folge europäischer Politik bedroht sind, Zuflucht und Asyl gewähren müssen. Wie Sie alle wissen, ist diese Frage in der Öffentlichkeit Europas umstritten. Politische Strömungen, die Europa in eine Festung verwandeln wollen, erstarken. Eure Anstrengungen können dazu beitragen, diesen inhumanen Entwicklungen etwas entgegen zu setzen.

Zum Schluss will ich unterstreichen, dass das Ziel, die Atomwaffen aus der BRD weg- und womöglich ganz abzuschaffen einen breiten Rückhalt in der Politik gefunden hat. Viele von uns wissen noch sehr gut aus eigener Erfahrung: Das war nicht immer so!

In diesen Tagen erleben wir zudem, wie ein schreckliches Reaktorunglück in Japan das politische Umdenken in der deutschen Atompolitik beflügelt. Was gestern noch Minderheitsmeinung war und - bestenfalls - belächelt wurde, kann sich morgen als wichtige Vorbereitung eines Auswegs darstellen. Das begreifen heute immer mehr Menschen, durchaus über die Parteigrenzen hinweg. Doch auch hier gilt: Die Zivilgesellschaft darf nicht nachlassen, die Abschaltung der Atomkraftwerke zu fordern. Denn sonst ist die Gefahr groß, dass die Politik zurück kehrt zur bekannten "Brückentechnologie".

Ich wünsche Euch nicht nur eine erfolgreiche Kundgebung und Demonstration heute beim Ostermarsch, sondern auch Ausdauer und Erfolg beim langwierigen Einsatz für Frieden und eine gerechte Weltordnung.

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