zur Ostermarschseite 2022PEACE

Rede Ostermarsch 2022 München, Michael Jäger, Extinction Rebellion (XR)



Teil 1: Krieg und Klimakrise 
 
Ihr habt Jackie zugehört, als sie über die Folgen der Klimakrise sprach. Ich muss sie nicht wiederholen. Ich muss aber gestehen, ich hab mich da erst eingelesen, als ich diese Rede geschrieben habe. Apathie ist für immer mehr Menschen die einzig erträgliche Reaktion auf die Umweltzerstörung.
 
Aber wir können nicht und wir dürfen nicht weg hören. Denn Umweltschäden der Rüstung gehört, aber das ist nur eine Seite der bleiernen Medaille. Die Klimakrise wird noch schwerwiegendere humanitäre Katastrophen und neue Kriege verursachen als schon heute. Ihre Folgen werden den verheerendsten Kriegen in nichts nachstehen. Echten Frieden kann es nur mit Klimagerechtigkeit geben. 
 
Kriege und Konflikte um Ressourcen werden weiter zunehmen. Immer häufiger werden auch militärische Auseinandersetzungen um knapper werdende Wasservorkommen geführt, 200 Vorfälle und Konflikte allein seit 2020. Oft sind es westliche Konzerne wie Nestle, die durch profitorientierte Überausbeutung der natürlichen Ressourcen diese Konflikte erst auslösen. 
 
Bald sind also hunderte Millionen Menschen gezwungen, aus ihrer Heimat um ihr blankes Überleben zu fliehen, weil diese einfach nicht mehr bewohnbar ist. Viele von ihnen werden versuchen, nach Europa zu gelangen. Die Reaktion darauf sehen wir seit 2015. Die Festung Europa macht die Grenzen dicht und das Mittelmeer zum Massengrab. Sie verbündet sich mit dem Diktator Erdogan, lässt sich von Lukaschenko erpressen und Flüchtende von uniformierten rechten Mobs durch Wälder jagen.
 
Teil 2: G7 und der Kapitalismus
 
Das also ist Europas Antwort auf die Klimakrise. Seit die Regierungen der Welt '92 die katastrophalen Folgen ihres Energiehungers anerkannt haben, sind die Emissionen um 60% weiter angestiegen. Denn wir leben im Kapitalismus und das bedeutet Freiheit. Nämlich vor allem die Freiheit der wenigen, die Lebensgrundlagen aller zu zerstören. 
 
Das zeigt sich zum Beispiel in Lützerath, wo bis heute ganze Dörfer abgerissen werden, um RWE und Co. weiter Milliardengewinne mit dreckigem Kohlestrom zu bescheren. Aktivist:innen, die sich dem widersetzen, werden von der Staatsmacht gewaltsam beseitigt und mit repressiven Polizeigesetzen systematisch kriminalisiert.
 
Weltweit werden widerständige, oft indigene Bevölkerungen wie die Aboriginees in Australien oder die Lakota in den USA auch mit Waffengewalt unterdrückt. Das zählt zu den unzähligen Beispielen, wie kapitalistische Staaten ihre schützende Hand über die zerstörerischen Konzerne halten. 
 
Das geht vor allem von den Staaten des imperialistischen Kerns aus, angeführt und vertreten durch die G7. Mit internationalen Institutionen wie dem IWF oder der Weltbank zwingen sie mittels ihrer Staatsschulden den ausgebeuteten Ländern vor allem in Südamerika und Afrika Reformen auf. Neoliberale, meist umweltschädliche und ausbeuterische Reformen. 
 
Wenn die G7 Kriege und Putsche vom Zaun brechen und Deals mit Diktatoren machen, um den Fluss des Öls zu sichern, ist kein Zufall. Transnationale Ölkonzerne brauchen keine gebildeten und gesunden Bürger:innnen, sie brauchen nur Platz, Zugriff und einen Sicherheitsdienst. Eine Goldmine ist nicht weniger profitabel, wenn sie von hungernden Sklaven betrieben wird. 
 
Dieser Neokolonialismus ist eine logische Weiterentwicklung des Kapitalismus. Auch wenn die Form der Ausbeutung sich geändert hat, die Kolonien heute formell unabhängig sind und eigene Verfassungen haben: Die G7 und ihre Verbündeten sind die Imperialherren unserer Zeit. Auch an der realen Verteilung der Macht hat sich seit dem 19. Jahrhundert wenig geändert: Im internationalen Wettbewerb des Kapitals um Macht, Einfluss und Zugang treten die G7 als Erfüllungsgehilfen der Konzerne an, um den Vorsprung ihrer nationalen Kapitalinteressen zu sichern.
 
Sie berechnen nationale Emissionen und Minderungsziele, führen CO2-Steuern und Zertifikatehandelssysteme ein. Umweltschädliche Industrien verschwinden deshalb aber nicht, sondern sie werden nur in die ausgebeuteten Teile der Welt verlagert. 
 
Uns kann man erzählen, die europäischen Emissionen würden sinken, ohne dass die Ausbeutung von Natur und Menschen tatsächlich eingeschränkt werden müsste. Man zeigt auf China, Brasilien und andere Länder der Semiperipherie und benennt DEREN Emissionen in UNSEREM Namen als Ausrede, um UNSERE heimischen Emissionen nicht oder weniger stark zu reduzieren.
 
Wind- und Solarenergieanlagen müssen einmal gebaut danach nur gewartet werden. Busse und Straßenbahnen generieren viel weniger Umsatz als Millionen Privatautos. Niemand verdient dabei Abermilliarden mit dem Verkauf von Brennstoffen, und das kann aus Sicht der Großkonzerne nicht angehen. Kein Wunder also, dass sie die nötigen gesellschaftlichen Veränderungen nicht zulassen. Echten Frieden kann es nur mit Klimagerechtigkeit geben und Klimagerechtigkeit nur ohne den Kapitalismus.
 
Denn im Kapitalismus wird produziert, was Profit verspricht, nicht was Bedürfnisse befriedigt. Kapital muss wachsen, das ist sein einziger Zweck. Jeder letzte Teil der Erde wird dafür der seiner Logik unterworfen: Natur, Menschenleben, die Stabilität der Biosphäre und das Fortbestehen der Menschheit selbst: all das bringt keinen Profit und wird deshalb im Kapitalismus hintenan gestellt.
 
Wie wir an ihren Kriegen, ihrer ausbeuterischen internationalen Politik und ihrer inländischen Repression sehen: Es wäre naiv, auf Regierungen zu vertrauen, dieser Probleme Herr zu werden. Denn Staaten, ihre Verfassungen und Institutionen sind stets Produkte der jeweils herrschenden Ordnung. Ihr oberster Auftrag ist der Erhalt bestehender Ausbeutungsverhältnisse.
 
Teil 3: (Schein-)Lösungen
 
Die Staatschefs der G7 wollen, dass wir Elektroautos kaufen, auf eine Wärmeversorgung mit "grünem" Wasserstoff spekulieren und an Mythen wie grünes Wachstum mit Carbon- Capturing glauben. Auch die einstigen Umweltschützer der Grünen blasen heute in dieses Horn, sobald sie nur an die Macht kommen, und lassen dann Proteste gegen neue Autobahnen aus den Bäumen prügeln. Ihre Scheinlösungen haben alle drei Dinge gemein: Erstens, sie funktionieren nicht. Zweitens, sie ändern nichts an der Produktionsweise und drittens, sie gefährden die Profite der Kapitalist:innen nicht. Die interessiert es nicht im geringsten, dass das nichts mit dem radikalen Wandel zu tun hat, den das IPCC als notwendig erklärt.
 
Aber es gibt auch jetzt schon Wege in eine andere Welt, aus den kapitalistischen Krisen heraus. So setzt sich beispielsweise die internationale Initiative „Climate Debt Swap“ für den Erlass der riesigen Schuldenberge ausgebeuteter Länder ein, angehäuft für falsche Versprechen von kapitalistischer „Entwicklung“. Damit die Länder nicht länger gezwungen sind, ihre fossilen Ressourcen für den Profit der Reichen zu verkaufen. 
 
Es gibt Gesellschaften wie die Zapatistas, Rojava und viele indigene Communities, die nicht in kapitalistischen Systemen gefangen sind und in denen die Produktion an der Bedürfnisbefriedigung aller ausgerichtet ist. Aber auch in kapitalistischen Ländern gibt es wirkmächtigen Widerstand, wie Ende Gelände in Deutschland oder die Sabotage von Pipelines in Nordamerika und Australien zeigen. 
 
Dieses Jahr treffen sich die G7 wieder in Elmau, um unter anderem über die weitere Ausbeutung der Welt zu beraten. Das werden wir wieder mit Protesten begleiten. Das fängt schon übermorgen an, wenn die Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung zur Friedenswanderung nach Elmau einlädt. Das ist Montag, Treffpunkt 10 Uhr am Hauptbahhof Nordseite. Während dem Gipfel Ende Juni wollen wir den Staatslenker:innen auch keine Ruhe lassen. Tragt euch am besten schon heute zwei große Demonstrationen in eure Kalender ein: Am 25. Juni in München und am 26. Juni in Garmisch-Partenkirchen. 
 
Das ist nicht alles, vom 24. bis 28.6., also von Freitag bis Dienstag, lädt die Plattform Stop G7 zum Protest- und Aktionscamp nach Garmisch. Von dort werden vielfältige Aktionen sowie ein buntes kulturelles Programm ausgehen, also kommt vorbei und unterstützt die Proteste.
 
Erneuerbare Energien, lokale Gemeinschaften, bedürfnisorientierte Produktion - Gegenentwürfe zu unserer zerstörerischen Lebens- und Produktionsweise funktionieren nur, wenn wir unsere gemeinsamen Probleme auch gemeinsam und demokratisch lösen. Und nicht alle wichtigen Entscheidungen einer Hand voll Staatslenker auf einer abgeschotteten Alm überlassen. 
 
Eine andere Welt ist möglich. Sie ist nötig. Eine Welt mit Frieden und Klimagerechtigkeit. In der natürliche Ressourcen und menschliche Arbeitskraft nicht bis auf den letzten Tropfen für den Profit der Wenigen ausgebeutet werden. Ohne unerträgliches Leid für Milliarden und Exzess für ein paar Superreiche. In der nicht Kriege darum geführt werden, in wessen Tasche der Reichtum der Natur wandert. Eine Welt ohne Kapitalismus. Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen und dem Kapitalismus der Konzerne und Staatsregierungen - der kapitalistischen Weltzerstörung – Einhalt gebieten. Für Frieden und Klimagerechtigkeit! 
 
Brecht die Macht der Staaten und Konzerne.