Liebe Freundinnen und Freunde,
zur Auftaktkundgebung des Ostermarsches 2006 in München möchte ich Euch ganz herzlich begrüßen. Der Ostermarsch steht in diesem Jahr unter dem Motto: "Eine andere Welt, eine friedliche Welt ist möglich! Nein zum Krieg gegen Iran".
Nachdem im Januar 2006 der französische Präsident Chirac mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen Länder drohte, die den Einsatz von Massenvernichtungswaffen erwägen, machte in den letzten Tagen der US-Journalist Seymour Hersh öffentlich, dass auch die US-Regierung konkrete Pläne für einen Krieg gegen Iran vorbereitet. In diesen Plänen ist auch der Einsatz von Nuklearmunition vorgesehen. Hohe US-Generäle erwägen bereits ihren Rücktritt, sollte George Bush seine Pläne in die Tat umsetzen.
Liebe Freundinnen und Freunde, wo bleibt eigentlich der Protest der Bundesregierung gegen diese Planungen? Ich fordere Frau Merkel und Herrn Steinmeier auf, der US-Administration offen gegenüber zu treten und z.B. den Austritt Deutschlands aus der NATO anzukündigen, sollte Washington weiter an seinen Atomwaffen-Einsatz - und sonstigen Kriegsplänen gegen Iran festhalten.
Viele von Euch wissen, dass ich im Dezember 2005 im Rahmen einer Friedensdelegation des Internationalen Versöhnungsbundes im Iran war. Wir hatten Gelegenheit, mit dem Bischof der armenischen Kirche in Esfahan, mit Geistlichen in der für Schiiten heiligen Stadt Qom, mit Studierenden der Journalismus-Hochschule in Teheran und mit einer Frauen-Umweltschutz-Gruppe zu sprechen, die den Einsatz erneuerbarer Energien im Iran voranbringt.
In der größten Synagoge in Teheran sprachen wir mit dem jüdischen Parlaments-Abgeordneten, Dr. Moris Motamed, der uns ausführlich über das jüdische Leben im Iran berichtete. Sollte sich die israelische Regierung an einem Militärschlag beteiligen, würden jüdische israelische Männer auch gegen jüdische iranische Männer kämpfen. Jüdische Soldaten in der iranischen Armee werden in der Regel heimatnah stationiert, um ihnen den Zugang zu koscherem Essen und zu den Synagogengottesdiensten zu ermöglichen.Der israelische Staatspräsident Katzav wie auch der israelische Verteidigungsminister Mofas sind beide in Iran geboren
Ich habe den jüdischen Parlamentsabgeordneten auch gefragt, wie er auf die antiisraelischen Äußerungen des iranischen Präsidenten im Oktober 2005 reagiert habe. Er bat um ein Gespräch bei Ahmadinedschad, bei dem er dem iranischen Präsidenten einen Protestbrief der jüdischen Minderheit im Land übergeben hat, der deutlich machte, wie sehr diese Äußerungen die Gefühle jüdischer Menschen im Iran verletzt haben.
Vor allem auch inneriranische Proteste gegen die Leugnung des Holocaust oder die Verlegung Israels nach Europa haben wohl dazu geführt, dass Ahmadinedschad in den letzten Wochen keine weiteren Provokationen gegenüber Israel von sich gegeben hat.
Liebe Freundinnen und Freunde,
gibt es bei diesem Konflikt eine Lösungs-Qadratur des Kreises, die sowohl verhindert, dass Iran bombardiert wird - und ebenso sicherstellt, dass Iran nicht in den Besitz von Atombomben gelangt? Ich bin überzeugt, dass es sie gibt - allerdings nicht auf dem Verhandlungsweg, wie die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens dies mit ihren Maximalforderungen vom August 2005 versucht haben.
Wieso ist eigentlich nicht auch die deutsche Bundesregierung auf die Ideen gekommen, dieRussland vorgeschlagen hat? Die Vorschläge, eine gemeinsame Uran-Anreicherung auf russischem Boden zu verknüpfen mit einer sehr begrenzten Zahl von Zentrifugen in Natanz, die den Bau einer iranischen Atombombe auf Jahre hinaus unmöglich macht, aber dennoch im Falle eines Konfliktes die eigene Energieversorgung sichern würde, könnte noch immer einen gesichtswahrenden Ausweg für alle Beteiligten bieten.
Neben dieser kurzfristigen Lösung sind allerdings schon jetzt mittelfristige Schritte einzuleiten, die sehr viel grundsätzlicher sind.Dazu gehören:
Liebe Freundinnen und Freunde,ich habe im Iran die Erfahrung gemacht, dass sich die Bevölkerung eine Überwindung des derzeitigen klerikalen Systems wünscht - allerdings nicht durch einen Krieg von außen, sondern aus eigenen Kräften. Ich habe niemanden getroffen, der für eine Militärintervention von außen war, so repressiv das System derzeit auch sein mag.
An vielen Motiven für eine mögliche Bombardierung Irans könne wir selbst etwas ändern:
Von dem persischen Dichter Rumi ist der Satz überliefert: "Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort - dort treffen wir uns". Ich hoffe, dass die an der Lösung des Iran-Konflikts beteiligten Akteure sich immer wieder diesen Satz vergegenwärtigen.
Uns in der Friedensbewegung wünsche ich Hoffnung - im Sinne des Philosophen Kierkegaard, der einmal Hoffnung definierte als Leiden an der Wirklichkeit - und Leidenschaft für das Mögliche.
Ich wünsche uns einen guten Demonstrationszug durch die Münchner Innenstadt und dass unsere Botschaften in Berlin, Washington, Teheran und Jerusalem gehört werden.