Ostermarsch München 2009 - Reiner Braun

RednerInnen: Max Steininger * Brigitte Wolf * Martin Löwenberg * Johannes Jonic

Rede zum Ostermarsch am 11.04.2009 auf dem Marienplatz

Redebeitrag Reiner Braun

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir riechen es noch und fühlen es, das Tränengas, die Wasserwerfer und den Polizeiknüppel mit der uns die Regierungen Deutschlands und Frankreichs letzte Woche gezeigt haben, was sie von den Grundrechten auf Demonstration und freier Meinung halten: nämlich wenig, wenn es gegen ihre Kriege und die Institutionen des Krieges geht.

Ich wiederhole es heute noch einmal : die vielfältigen Proteste anlässlich des 60. Geburtstages der NATO waren politisch richtig, berechtigt, legitim und notwendig.

Sie waren politisch hochaktuell u.a. gegen den sich ausweitenden Kriegskurs in Afghanistan. Strategisch wandten sie sich gegen die weitere Ausweitung der NATO gen Osten bis an die Grenze Chinas. Sie waren berechtigt, u.a. weil die ungeheure Rüstungsausgaben zugunsten der sozialen und ökologischen Entwicklung der Welt umverteilt werden müssen, Moralisch wandten sie sich gegen das Kriegbündnis der Welt. Sie waren mit Teilnehmerinnen aus 25 Ländern international, wurden in einer breiten internationalen Friedenskoordination vorbreitet und werden fortgesetzt.

Aggression nach außen - Krieg, Interventionen und Besetzungen - bedarf und führt zu Aggression nach Innen, besonders zum Abbau von Demokratie und Freiheitsrechten.

Strassburg und Baden-Baden sind dazu die aktuellen Lehrbeispiele.

Wer den Frieden will, muss ihn auch immer auf der Strasse erkämpfen.
Deswegen werden wir unsere Aktionen für ein Ende der NATO auch fortsetzen - friedlich - und davon lassen wir uns weder vom Polizeiterror, Provokateuren oder scheinbar radikalen gewalttätigen und wie auch immer gekleideten Minderheiten abhalten .

Unsere Aktionen sind notwendig, es geht um das Erringen von gesellschaftlichen Mehrheiten für den Frieden, um eigenständiges Handeln oder anders gesagt um die Gramcische Hegemonie .

Dieses ist gerade jetzt: nach der Rede des US Präsidenten in Prag zur Abschaffung aller Atomwaffen gefordert.
Eine Welt ohne Atomwaffen ist die Vision der Friedensbewegung, ist die Identifikation der Ostermärsche seid dem ersten Marsch 1959 in Großbritannien, war das Ziel des Krefelder Appells.

Sollte diese unsere Vision nach Gorbatschows gescheiterten Anlauf jetzt Realität werden? Die Chance ist da, sie ist eine große Herausforderung aber noch ist keine Atomraketen seid dem historischen Mittelstreckenraketenabkommen von 1987 verschrottet worden, noch geht der atomare Aufrüstungskurs bei allen Atommächten ungebremst weiter.

Aber, eine historische Chance, ein window of opportunity ist da, nicht nur wegen Barak Obama. Die Mehrheit der Völker will keine Atomwaffen, die Bewegung dagegen wird in allen Ländern vielfältiger und breiter, erreicht selbst konservative ja Kreise von Kriegverbrechern und Rüstungsbefürwortern wie Kissinger oder Helmut Schmidt. Dieser Weltwille ist ein Hintergrund der neuen Chance. Neue strategische Überlegungen auch herrschender Kräfte der NATO, mit die konventionellen und technologischen Überlegenheit der USA besonders auch im Weltall ,auf die Atomwaffen verzichten zu können, um alte Ziele der Überlegenheit und der Gewinnbarkeit von Kriegen zu erreichen, sind eine Zweite. Die zur Zeit dominierende Art von asymetrischen Kriegen und ihre neue Bewaffnungsanforderung eine Dritte, die Gefahren der Proliferation eine weitere, die auch in etablierten politischen Kreisen ein Umdenken bewirken

Wir wollen diese Welt ohne Atomwaffen, weil sie die schlimmsten Massenvernichtungswaffen abschaffen würde und eine Dynamik der Abrüstung hin zu einer Welt ohne Kriege freisetzen könnte.

Aber liebe Freundinnen und Freunde, diese Welt ohne Atomwaffen gibt es nicht mit einer Rede . Wir werden sie erkämpfen müssen, gegen den härtesten Widerstand des rüstungs-militärischen Komplexes und vieler seiner nicht nur konservativen Unterstützer in der Welt. Dieser Widerstand wird bald beginnen und Obama spürt ihn, nicht umsonst formulierte er den Nebensatz in seiner Rede, in der er andeutet, er wird die atomwaffenfreie Welt möglicherweise nicht mehr erleben.
Wenn Obama die Welt ohne Atomwaffen wirklich will, dann braucht er die weltweite Friedensbewegung, dann sind millionenfache Demonstrationen für die Abschaffung aller Atomwaffen notwendig. Deswegen ist die Antwort auf die Frage, ob die Friedensbewegung unter Obama noch gebraucht wird, eindeutig: jetzt erst Recht, um die Atomwaffen endgültig von diesem Planeten verschwinden zu lassen.

Deswegen muss Obama auch mit den Kritikern und nicht nur mit handverlesenen Jugendlichen und ausgesuchten Bürgerinnen reden.
Wir haben ihn bei unseren Aktionen während des NATO Gipfels dazu aufgefordert.

Liebe Freundinnen und Freunde
Der Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen beginnt jetzt und ist konkret.
Deshalb fordern wir als erstes:
Abzug aller Atomwaffen aus Europa und Deutschland. Mr President Obama, Herr Außenminister Steinmeier dieses können Sie sofort und allein veranlassen.
Des weiteren müssen sofort alle Raketenstationierungspläne in der CR und in Polen beendet werden. Jede Aufrüstung hat zu unterbleiben.

Das Ziel der Abschaffung muss immer auch konkret benannt werden. wir verlangen : sofortige Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention, die wie der Vertrag über Chemiewaffen, die Atomwaffen endgültig und überprüfbar vernichtet. Die Nuklearwaffenkonvention ist die Messlatte, die blumige Worte Realität werden lässt. Der erste Schritt dazu ist ganz einfach. Die NPT Prepcom in New York im Mai 09 verabschiedet ein Bekenntnis zu dieser Konvention und beginnt mit den Verhandlungen. Bilaterale Verhandlungen sind gut, können Zwischenschritte ergeben, ersetzen aber niemals eine umfassende Konvention

Taten für Abrüstung sind jetzt gefragt.

So sehen wir auch mit großer Skepsis auf die Pläne des US-Präsidenten: der Rüstungshaushalt 2009/10 der USA steigt noch einmal um 20 Milliarden Dollar, Umrüsten um effektiver Kriege führen zu können ist keine Abrüstung und erst Recht keine Friedenspolitik.

An den Taten messen wir besonders die Afghanistanpolitik des US-Präsidenten und der Bundesregierung.

Jeder Soldat mehr (allein 17000 durch die USA, weitere durch andere NATO-Länder, Ausweitung des deutschen Engagements)) bedeutet mehr Opfer für die Zivilbevölkerung, bedeutet eine noch weitere Ausweitung des Krieges nicht nur in Afghanistan sondern auch auf Pakistan. Krieg in dieser Region ist nicht nur tausendfaches menschliches Leid, es ist das Spiel mit dem Pulverfass einer hochgerüsteten Atomwaffenbestückten Region.
Das Wort zivil in der Doppelnutzung zivil-militärisch, das besonders die Bundeskanzlerin wie ein deutsches Markenzeichen vor sich herträgt, ist eine Lüge und Mogelpackung, es heißt in der Realität nicht weiteres als militärische Kriegführung in geschickterer (Akzeptanz) Verpackung und unter Missbrauch ziviler Kräfte und eines friedliche klingenden Wortes.
Krieg bleibt Krieg.
Deswegen heißt auch Frieden und zivile Lösungen für dieses leidgeprüfte Land zuerst: Abzug aller Besatzungstruppen, Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan.
Was wir brauchen ist eine zivile friedliche Konfliktlösung. Die ist in einem Land, dass seid 30 Jahren im Krieg ist, nicht einfach, auch nicht ohne Opfer zu erreichen, aber es ist der einzige Weg in eine Zukunft, in der Menschenrechte und Frauenrechte (was für ein Schindluder, wenn man das neueste Ehe-Gesetz sieht und dieses nach 7. Jahren angeblicher Frauenbefreiung) gewahrt und entwickelt werden können. Der Weg ist steinig aber ohne Alternative - das sage ich besonders an alle die - auch in den Gewerkschaften und Kirchen, die immer noch glauben mit Soldaten, Waffen und ziviler Garnierung zum Frieden kommen zu können.
Afghanistan wird Obamas Vietnam, wenn wir nicht vorher den Abzug der Besatzungstruppen durchsetzen.
Deswegen heißt es auch auf dem Ostermarsch 2009: Truppen raus aus Afghanistan.

Wie oft sind wir schon für überflüssig oder totgesagt erklärt worden. Totgesagte leben sprichwörtlicher weise länger.
Wir werden gebraucht, um die Atomwaffen von diesem Planeten zu verbannen, eine Welt ohne Krieg durchzusetzen.
Deswegen sind wir Ostern 2009 auf den Strassen, wir werden wiederkommen und weitermachen- auch die aktuelle tiefe kapitalistische Krise zwingt uns dazu. Es wäre historisch nicht das erste Mal, dass das Profit- System in der großen Krise seinen Ausweg auch in einem großen Krieg sucht.

Die Friedensbewegung - und dieses sage ich bewusst im 60. Jahr der Bundesrepublik Deutschland - ist eine konstante und zuverlässige politische, parteiübergreifende, zivile, gesellschaftlich verankerte, außerparlamentarische Kraft: wir sind nicht immer Millionen, wir sind aber immer da, wenn es gilt Krieg und Gewalt in die Arme zu fallen - heute und in der Zukunft.

„Frieden ist nicht alles - aber alles ist nichts ohne Frieden” (Willy Brandt)


Reiner Braun, Geschäftsführer der IALANA und einer der Sprecher der „Kooperation für den Frieden”