Wir | Aktuelles | Rundbrief | Archiv | Links | Home |
Sehr geehrter Herr Dr. Schmidbauer, ich war in diesem Jahr der Vertreter des Münchner Friedensbündnisses bei der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, schreibe Ihnen aber einen Tag nach der Demonstration privat, um Ihnen meine Eindrücke möglichst frisch zu übermitteln. Zunächst einmal ist Ihnen zu danken für das völlig überzogene Verbot der „venezianischen Masken“. Die Zeitungen haben des Thema freundlicherweise in großer Aufmachung aufgegriffen, und so hat ein erheblich größerer Kreis von Münchnern über die Gefährlichkeit dieser Masken erfahren. Natürlich wäre es uns lieber gewesen, wenn die Masken zu einer mehr karnevalistischen Stimmung beigetragen hätten. So blieb nur „Rumsfeld – Massenmörder“, eine Entwicklung, die ich in mehrfacher Hinsicht bedauerlich fand, nicht weil die Behauptung falsch wäre, sondern weil dadurch das eigentlich vorgesehene Hauptthema, nämlich der bevorstehende Krieg gegen den Iran nach bekanntem Schema, weitgehend unterging. Wie absurd das Verbot der „Masken“ war, kann man daran ermessen, daß besonders an einem windstillen Tag wie gestern jedes simple größere Flugblatt – und jedes Zeitungsformat sowieso - den Zweck der ja ausdrücklich nicht vorgesehenen Gesichtsverdeckung wesentlich besser erfüllen kann als die relativ kleinen Masken, die aus einem gefalteten DIN A4-Blatt bestehen. Aber vermutlich hat vor allem auch die aufgedruckte politische Botschaft nicht gefallen. Als durchaus positiv empfand ich das Flaschenverbot. Es war vermutlich der Grund, weshalb die Polizeieinsatzkräfte auf das Aufsetzen der Helme verzichteten, was ja ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. Ansonsten war aber von Deeskalation von Seiten der Polizei wenig zu bemerken. Der vordere Teil der Demonstration wurde von einer Achterreihe (jeweils vier auf beiden Seiten) der Polizei begleitet, die teilweise einen beachtlichen Teil der für die Demonstration vorgesehenen Straßenfläche für sich beanspruchte, oft, wie mir schien, unnötigerweise, d.h. nur zu dem Zweck, den Demonstrationzug schmal zu halten. Die Polizeikräfte werden anscheinend mit Kraftmeierhormonen gefüttert, weil sie sich ihren Platzbedarf, wenn nötig, nur mit Stößen erkämpfen mochten, von denen man auch als Ordner einiges abbekam. In meiner Eigenschaft als Ordner hatte ich in diesem Jahr erstmals Gelegenheit, die mir bis dahin nur erzählungsweise bekannte brutale Vorgehensweise der Polizei aus eigener Erfahrung kennenzulernen. Dazu ist zu erwähnen, daß ich als Ordner gut zu erkennen war. Ich hatte das Ordnerband, hatte mir ein „Münchner Friedensbündnis“-Schild auf meine (eigens zu diesem Zweck angeschaffte) Mütze geklebt, war deutlich sichtbar mit einem Funkgerät ausgerüstet und gehöre im übrigen schon zu den älteren Herrschaften. Wie bereits im letzten Jahr am
Lenbachplatz, versuchte die Polizei auf dem Marienplatz im Bereich vor
dem Hugendubel, zu einer Zeit, als ein Großteil der Demonstranten
den Platz schon verlassen hatte, an zwei Demofahrzeugen vorbei, die
dort auf dem Platz hielten (d.h. am linken Rand des Bildes), einen
Zugriff. Die Menge der meist jüngeren aber auch älteren
Leuten stemmte sich den Einsätzkräften unter dem Ruf „Wir
sind friedlich, was seid ihr?“ entgegen, was die Polizisten sichtlich
nervte. Es war für mich keine Schwierigkeit, an die „Front“ zu
kommen. Als ein Polizist in schwarzer Uniform mich plötzlich in
der sich inzwischen gebildeten Lücke vor sich erblickte, fuhr er
mich an: „Was willst du denn hier?“ und stieß mich mit aller ihm
zur Verfügung stehenden Wucht mit einem Stoß gegen die Brust
zurück.
Die Polizisten begradigten die Frontlinie und wichen so weit
zurück, daß sie weiter außen (hinter dem weißen
Fahrzeug) standen. Ich blieb in der vorderen Reihe und hatte
genügend Zeit, mir eine Reihe von haßerfüllten
Gesichtern anzuschauen, wie ich sie in meinem Leben noch nicht gesehen
habe. Direkt unter diesen Gesichtern befanden sich Schlagstücke,
neben ihnen eine Batterie von Pfeffersprayern. Ich hatte den Eindruck,
einer Horde von in die Enge getriebenen wilden Tieren
gegenüberzustehen. Seitlich von mir stand ein älterer Mann
mit einer „Pace“-Fahne auf einer dünnen Latte. Ehe er sich
versehen konnte, schnellte eine Hand aus der Polizistenreihe heraus und
machte daraus einhändig Kleinholz. Immerhin kam es zu keinen weiteren Gewalttätigkeiten, und die Polizei zog sich unter dem Gejubel der Menge vom Platz zurück. Diese ganze Aktion wurde von allen Seiten ausgiebig gefilmt, und ich hoffe auf diesen Filmen meinen Angreifer zu finden, um ihn anzuzeigen zu können. Im übrigen hoffe ich, daß das Aktionsbündnis sich im nächsten Jahr darauf vorbereiten wird, bei den Koordinierungsgesprächen im KVR zur Klärung beitragen zu können, wo sich bei diesen Demonstrationen in Wirklichkeit die Gewalttäter befinden. Mit freundlichen Grüßen gez. Voß |