Redebeitrag von Brigitte Wolf bei der Abschlußundgebung des Münchner Ostermarsches 4.4.2015 in München
am Sendlinger-Tor-Platz

PEACEOstermarsch München 2015

Brigitte Wolf am Sendlinger-Tor-Platz

Stadträtin "DIE LINKE" www.dielinke-muenchen-stadtrat.de/

Liebe Münchnerinnen, liebe Münchner, liebe Freunde der Friedensbewegung!

Ich freue mich, Ihnen am heutigen Ostersamstag in Vertretung von Oberbürgermeister Reiter ein Grußwort der Stadt überbringen zu können.

Im diesjährigen Ostermarschaufruf setzen Sie sich ein für „Gerechtigkeit, Frieden und Verständigung“. Es gibt im Deutschen kaum ein so gutes Wort wie das vom VERSTEHEN. Denn wer sich um Verständnis bemüht, kann trotz Meinungsverschiedenheiten und sogar schwerwiegender Interessenkonflikte das Gespräch und den Weg zur konstruktiven Zusammenarbeit suchen. Auch auf örtlicher Ebene, in den Quartieren und Stadtbezirken ist das VERSTEHEN die Voraussetzung für kooperationsfähige Lösungsansätze. Im letzten Jahr aber tobte in den Medien eine Schlacht um die Deutung des Ukraine-Konflikts – und aus dem Bemühen um Verstehen wurde ein Spott- und Schimpfwort: Begriffe wie „Putinversteher“ oder gar „Russlandversteher“ sollten notwendige Debatten im Ansatz stoppen.

Damit wirft man aber den Schlüssel zum Frieden weg. Das ist nicht nur ein Kulturverlust. Da geht auch eine Entwertung des Grundgesetzes vor sich. Es gilt, inne zu halten und die Öffentlichkeit daran zu erinnern, dass die VÖLKERVERSTÄNDIGUNG im Grundgesetz als Norm verankert ist. In Spannungszeiten kommt es oft vor, dass politische Grundsätze und Grundwerte beiseitegeschoben werden. Doch die Ostermarschbewegung hat sich seit ihren Anfängen in der Zeit des kalten Krieges nicht beirren lassen. Sie hat stattdessen immer gemahnt, dass es einen Weg zum Frieden gibt, und auch, dass dieser Weg gesucht und gefunden werden muss.

Liebe Friedensfreunde,

in der globalisierten Welt bleiben die Konflikte nicht am Ort der Entstehung, keine Außengrenze hält sie ab. Die Menschenrechte müssen nicht irgendwo in fernen Welten durchgesetzt werden. Sie müssen sich in unserem Gemeinwesen, in unserer Nachbarschaft als Richtlinie praktischen Handelns bewähren. Angesichts des Flüchtlingselends hat sich gezeigt, dass auch in unserer Stadt eine Kultur der Verständigung vorhanden ist, die gegenüber rassistischen und nationalistischen Verirrungen handlungsfähig ist. Das Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Menschen verschiedener Religionen, aus verschiedenen Kulturkreisen und mit verschiedenen Vorstellungen der Lebensgestaltung ist nicht nur möglich, sondern höchst attraktiv für Viele. Wenn wir in allen Konfliktlagen an der unverbrüchlichen Gültigkeit der Grund- und Menschenrechte festhalten, so entwickelt sich eine Kultur des Verstehens, die praktisch geübt und im Alltagsleben gefestigt wird – und so auch Impulse für eine Außenpolitik der Verständigung setzen kann. Wenn wir in der modernen, internationalen Stadt zusammenleben können, dann können wir auch in der Welt zusammenleben.

Damit das aber kein Traum bleibt, brauchen wir einen klaren Blick für Interessenlagen, die den Weg zum Frieden beschwerlich machen. Und eine florierende Rüstungswirtschaft – seien es Gewehre, Panzer oder Drohnen – ist kein Faktor, der die Suche nach Verständigung und Friedenserhaltung bestärken wird. Abrüstung und Rüstungskonversion sind leider immer noch aktuelle Forderungen der Friedensbewegung – auch für München und die Region.

Liebe Münchnerinnen, liebe Münchner,

die Kraft und die Ausstrahlung der Ostermarschbewegung liegt darin, dass sie sich von den Spannungen und Feindbildern der letzten Jahrzehnte niemals mitreißen ließ, sondern immer darauf bestand, dass eine politische und militärische Konfrontation kein Schicksal ist, sondern Verständigung möglich ist.
Die Landeshauptstadt München bedankt sich bei Ihnen für dieses langjährige Engagement.

Brigitte Wolf ist Stadträtin der Landeshauptstadt München.