Heidi Meinzolt vertritt die "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit", und somit auch das Münchner Friedensbündnis. Der mündliche Vortrag war gegenüber dem Manuskript gekürzt.
Wirtschaft ist die Fratze des Krieges
Vor wenigen Tagen hat Bundespräsident Gauck mit „demonstrativer Gemächlichkeit“ (SZ vom 5.6.) gesagt:“ Kapitalismus und Wettbewerb sind nicht schuld an der Entfremdung des Menschen, sondern können im Gegenteil ein Mittel zu seiner Befreiung sein“. Da spricht jemand, der sich schon immer auf der richtigen Seite der Geschichte wähnte und das ist der Geist der auch oben in Elmau vorherrscht bei den 7 „Weltenlenker“. Wir werden es schon richten kraft unser Macht und unseres Weltverständnis. Aber die Freiheit von der ihr redet, ist nicht nur die der Andersdenkenden, sondern gibt es nur im Paket mit Gerechtigkeit. Erst dann kann man von Frieden reden, genauso wie es den Kapitalismus nur im Paket mit Krieg gibt. Und wir wollen eure Kriege nicht mehr!
Unser historisches Gedächtnis, unsere politischen Analysen über Grenzen hinweg haben uns nicht in der Illusion der Macht verblendet.
Zur Erinnerung: 1914, also vor 100 Jahren, sind nicht alle begeistert oder „schlafwandlerisch“ in den Krieg gezogen! Das wird in der historischen Rezeption z.T. geflissentlich übersehen.
Clara Zetkin hat vom Kongress der Sozialistinnen in Zürich 1915 an die in Den Haag zeitgleich versammelten über 1000 Frauen auf dem 1.internationalen Frauenfriedenskongress telegraphiert und die Solidarität gegen den Wahnsinn des Krieges angesprochen als „eine Erweiterung und Ausdehnung des Massenmordes, dessen sich der Kapitalismus auch im sog. Frieden schuldig macht.“ Lida Gustava Heymann, eine der aus Deutschland stammenden Gründungsfrauen der Internationalen Frauenliga sprach dort gleichzeitig davon, dass es ein vorrangiges Ziel sei, „eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, die die Bedürfnisse der Menschen berücksichtige, nicht die von Profit und Privilegien“.
In dieser Analyse von Kriegsursachen trafen sich die so verschiedenen und unterschiedlich sozialisierte Frauen.
Ihre Sätze sind so wahr und logisch wie eh und je, nur haben sich die Weltwirtschaftsbedingungen inzwischen dramatisch verschärft und Gewalt und Krieg haben 100 Jahre später mehr Konjunktur denn je (auch wenn wir das in Deutschland – in der westlichen Welt noch kaum wahrnehmen wollen). 2015 retten unsere Regierungen, unter dem Druck und Einfluss multinationaler Kapital-und Wirtschaftsinteressen Banken. Mit der Hilfe multinationaler Konzerne reißen sie sich die letzten Ressourcen auf dem Globus unter den Nagel, führen Stellvertreterkriege um Rohstoffe und Wasser, produzieren neueste Waffengenerationen (bis hin zu autonomen Drohnen), die diese Begehrlichkeiten „absichern“. Außerdem lassen sich damit Geschäfte machen. Sie zerstören die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen, insbesondere aber der indigenen Bevölkerung, der Armen, der Frauen – und das passiert in unserem Namen und gegen unseren Willen weltweit. Deswegen stehen wir heute auch in Garmisch/Elmau. Wir wollen den Krieg nicht!
Globalisierung ist in sich voller Widersprüche: das ganze vorhandene weltweite Wissen – auch aus der Friedens- Konflikt -und Genderforschung - die weltweite Vernetzung von „ExpertInnen“ auf allen Sektoren steht uns zwar als Potential zur Verfügung. Aber das Wissen verleiht uns – Bürgern, Mitmenschen, Frauen und Männern - keine größere Autonomie im Handeln und Denken.
Die entgrenzte, hier von Myriaden an Sicherheitskräften geschützte Macht dient nur mehr einige wenige, immer reicher werdenden Privilegierte, ihren Geschäften und ihrem Geld. Die überwiegende Mehrheit landet in (neuen) Sklavenverhältnissen, stirbt beim Versuch, die Wohlstandsfestungen zu erreichen, verliert ihr Land, den Zugang zu Ressourcen. Sie werden zu traumatisierten ZeugInnen der drohenden Apokalypse des Kapitalismus. Das bedeutet soziale Spaltung, Gewalt und Krieg – das dürfen wir nicht zulassen. Die medial gepredigte Alternativlosigkeit kreirt währenddessen permanent neue Ängste und Feindbilder. Wir dagegen haben das Gemeinwohl im Blick und fürchten uns nicht!
Wachstum ist immer noch das dominantes Narrativ unserer Wirtschaftsvertreter und das Credo der Fachwissenschaft. Die Behauptungen Wohlstand, Stabilität und Jobs beruhten darauf, haben sich aber längst in Gift verwandelt, das den drohenden Kollaps nur beschleunigt.
Ob es der Kampf gegen den Klimawandel ist, den Naomi Klein als Dreh-und Angelpunkt sieht, ob es der Protest gegen neue Handelsverträge ist (wie TTP, CETA, TTIP), überall müssen wir gegen die allgegenwärtige Maschinerie der Lügen und ihrer teuer bezahlten Marketingstrategen antreten: es gibt keine Ernährungssicherheit mit Massenproduktion, kein sauberes Wasser durch Privatisierung, kein grünes Afrika durch Hybride und GMOs!
Maria Mies weist klar nach, dass neoliberale Globalisierung zu Krieg führt und gleichzeitig Kriege Globalisierung befördern: „der Krieg um die Köpfe hat nur dann Erfolg wenn er begleitet wird von der materiellen Gewalt, der strukturellen und der kriegerischen“. Die „corporate warriors“ gehen von der selben Logik aus wie die „military warriors“. Diese „neuen“ Kriege des 21. Jahrhunderts sind – auch wenn vermeintlich lokal (in Bosnien, Afghanistan, Irak, Palästina) - global und ohne Ende. Sie generieren aus sich heraus neuen blutigen Widerstand. Dazu wird die Militarisierung aller Lebensumstände als „Sicherheitsbussiness“ cachiert und seine Akteure unter Straflosigkeit gestellt - Menschen-und Frauenhandel im Dienste der Global Players inklusive.
Globalisierung, Krieg und Sozialabbau haben eine gemeinsame Logik, die z.B. in der Kampagne „du kriegst was du bezahlst/you get what you pay for“ ihren Widerhall hat und die WILPF international unterstützt. Die Rüstungsindustrie verprasst das Geld für massive Zerstörungen, die sich absurderweise immer noch positiv im Bruttosozialprodukt des Reparaturbusiness niederschlagen. Die Bundeswehr soll die familienfreundlichsten Arbeitsplätze bekommen – Erzieherinnen und Hebammen bleiben auf der Strecke.
Wir kennen die Opfer in der Zivilgesellschaft, die ihr als „Kollateralschäden“ bezeichnet: die Frauen im Swattal in Pakistan, die unter den Drohnenangriffen nicht mehr ruhig leben können, die Menschen in Gaza, die Ruinenexistenzen führen, die Irakerin, die Syrerin, die in einer waffenstarrenden Männerwelt das Überleben organisieren – aber nicht an den Verhandlungstischen sitzen, die Bosnierin, die nach mehr als 20 Jahren nach dem Krieg immer noch Minenopfer in der Landwirtschaft zu beklagen hat und deren Peiniger langsam in die Dörfer zurückkehren, die Kinder mit Erbschäden durch den Einsatz von abgereichertem Uran, die Traumata durch sexualisierte Gewalt im Krieg, den Frauenhandel und die Zwangsprostitution auch im Gepäck der „Friedenstruppen“. Davon werden wir nicht schweigen!
Die von der EU verordnete Austeritätspolitik hat jetzt in Südeuropa große Teile des sozialen Gefüges zerstört, Menschen wegen Mietschulden auf die Straße gesetzt, Frauen zur Geburt ihres Kindes nur mehr gegen 1000.-€ Direktzahlung ins privatisierte Krankenhaus aufgenommen. Dies alles sind keine neuen Mechanismen. Unsere Freundinnen aus dem globalen Süden kennen die dramatischen Auswirkungen auf die Zerstörung gesellschaftlicher Grundlagen nur allzu gut aus der verheerenden Schuldenpolitik der (Neo-)Kolonialisten.
Die Milleniumsentwicklungsziele, die bis 2015 z.B. Armut um die Hälfte reduzieren sollten, ebenso Müttersterblichkeit, Gesundheitsversorgung, wurden insbesondere in Konflikt-und Kriegszonen grandios verfehlt. Bauern aus Indien, Burkina Faso sind Opfer des „Freihandels-Kriegssystems“. Maria Mies führt ihre Argumente wieder zurück zu uns, indem sie von „interner Kolonisierung“ als Strukturmerkmal des globalen Kapitalismus spricht, das „Gefälle muss stimmen“. Susan George spricht von „ideologischen Krieg gegen den Sozialstaat“.
Die neoliberale Globalisierung steckt inzwischen selbst in einer tiefen (systemimmanenten) Krise. Deswegen werden die Auseinandersetzungen im Run um das was es zu verteilen gibt, härter: Wachstum stagniert, Ungleichheit wächst dramatisch, Profite gehen zurück, ganze Staaten verarmen. Wir verlieren öffentliche Dienstleitungen (im Gesundheits- und Reproduktionssektor), die Demokratie wird zunehmend zur „alternativlosen“ Farce bzw. Falle. Heere von Investoren und Spekulanten, multinationale Firmen und nicht fassbare Akteure im Finanzbereich bearbeiten PolitikerInnen auf allen Ebenen, sie lassen alle Hemmungen fallen, kippen die Reste kollektiver Infrastruktur, sponsern den Erziehungssektor und die Medien – aber der König, dessen Tross noch durch die Lande zieht (bis nach Elmau) ist bereits nackt in unseren Augen!
Wie sollte da Konfliktprävention boomen? Die Veränderungsdynamik kann – davon bin ich überzeugt - nur von unten und aus tausend Nischen erwachsen (TATA statt TINA): aus der Antiwachstumsbewegung, in der schon heute viele junge Leute engagiert sind, aus der Aufwertung der Care-Economy, aus vielen Sharing-Initiativen, aus der Gemeinwohlökonomie und den Commons, aus der Glücksforschung.
Sehr viele Frauen sind in diesen Bereichen aktiv. Ja es geht wie schon LGH sagte um die „Bedürfnisse der Menschen“. Nur so bekommt „Women’s power to stop war“ Luft zum Atmen.