Redebeitrag Karin Wurzbacher (Umweltinstitut München e.V.)
67 Jahre Hiroshima und Nagasaki
Es ist ein Verdienst der Münchner Friedensinitiative, dass sie immer wieder auf militärische Auseinandersetzungen aufmerksam macht
- auf deren Unsinnigkeit
- auf deren Abscheulichkeit und Brutalität, auch gegenüber der zivilen Bevölkerung.
Und so auch heute wieder – 67 Jahre nach den ersten Atombomben-Abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki, den abscheulichsten Angriff, der je stattgefunden hat. Die beiden Städte wurden mit einem Schlag dem Erdboden gleich gemacht.
Ich bin gebeten worden, über HEU zu sprechen
- nicht über übliches Heu für das Vieh
- sondern über hoch angereichertes Uran,
highly enriched uranium in Englisch,
also abgekürzt HEU.
Hoch angereichertes Uran (HEU) ist hervorragend für den Bau von Atombomben geeignet. Angereichert wird der Spaltstoff Uran-235. Im natürlich vorkommendem Uran ist der Spaltstoff Uran-235 nur zu 0,7 % enthalten. Für den Betrieb von Atomkraftwerken ist eine Anreicherung des Brennstoffs von 3,5 bis 4 % ausreichend. Uran mit einer Anreicherung von kleiner als 20 % gilt als nicht waffenfähig . Man spricht dann von niedrig angereichertem Uran, kurz LEU, abgeleitet aus dem Englischen (low enriched uranium). Seine Verwendung im zivilen Bereich, meist in Forschungsreaktoren, ist weltweit akzeptiert. Ab einer Anreicherung von 20 % und mehr gilt Uran aber als waffenfähig. Je höher die Anreicherung um so weniger Material benötigt man für den Bau einer Uranbombe, idealerweise wählt man dafür also eine Anreicherung von 90 oder 93 %.
Für die Anreicherung benötigt man Gaszentrifugen. Tausende davon werden hintereinander geschaltet, um dann die Anreicherung Schritt für Schritt zu erhöhen. Als Abfallstoff fallen große Mengen abgereicherten Urans (etwa 0,2 % U-235) an. Daraus, weil sonst kaum zu gebrauchen, wird Uran-Munition mit hoher Durchschlagskraft gefertigt. Bei seinem Einsatz wird das hochgiftige Uran in der Umwelt fein verteilt. Die Bevölkerung in ehemaligen Kriegsgebieten hat noch viele Jahre später unter den gesundheitlichen Schäden zu leiden.
Die Nutzung der Atomkraft begann mit der militärischen Nutzung, der Atombombe. Sie hat als erstes ihre enorme Zerstörungskraft in Hiroshima und Nagasaki demonstriert. Für friedliche Zwecke, zur Energiegewinnung, wurde sie erst später, aufbauend auf den Erfahrungen der militärischen Nutzung, entwickelt. So ist es nur logisch, dass militärische und zivile Nutzung der Atomkraft fest miteinander verflochten sind. Wer das nötige KnowHow in der zivilen Atomtechnik besitzt, kann auch Bomben bauen.
Es gibt bestimmte Schlüsseltechnologien, die ursprünglich für die militärische Nutzung entwickelt wurden, aber auch benötigt werden, wenn man Atomkraftwerke betreiben will. Man spricht dann von Dual-Use Anlagen. Typische Dual-Use-Anlagen sind Anreicherungsanlagen und Wiederaufarbeitungsanlagen. Wer eine zivile Anreicherungsanlage betreibt, kann auch den Bombenstoff HEU erzeugen. Wer eine zivile Wiederaufarbeitungsanlage hat, kann den Bombenstoff Plutonium abtrennen.
Der Iran zum Beispiel hat 2 Anreicherungsanlagen. Er hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und damit ein Recht auf den Zugang zu Atomtechnik für friedliche Zwecke.
Dennoch steht der Iran schwer im Verdacht, nach der Atombombe zu streben.
Bislang hat es der Iran geschafft, mit 10.000 Zentrifugen Uran auf bis zu 20 % anzureichern. Dieses niedrig angereicherte Uran (LEU) ist angeblich für einen Forschungsreaktor und den Bereich Medizin bestimmt. Das ist alles noch legal und im akzeptierten Rahmen.
Aber jüngst wurde die Anzahl der Zentrifugen um 10 % auf 11.000 erhöht. Die Anreicherungsanlage FORDO ist versteckt unter 90 Meter Fels, gemäß dem iranischen Verteidigungsminister in einer „Zone der Unverwundbarkeit“. Die Inspektoren der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) erhalten keinen Zugang zur Anlage. Und der Iran droht, die Urananreicherung auf 56 %, also HEU, zu erhöhen sowie den Bau von Atom-U-Booten in Auftrag zu geben.
Solche Drohungen nähren die Befürchtung, dass der Iran auch eine Anreicherung von 90 % produzieren könnte. LEU ist ein idealer Ausgangsstoff für die Herstellung von HEU. Denn wenn man schon einmal LEU in ausreichender Menge hat, ist der Zeitaufwand wesentlich kürzer, um eine Anreicherung von 90 % zu erreichen. Bis zur Herstellung von LEU ist nämlich schon ¾ der für HEU benötigten Trennarbeit aufgewendet worden.
Der Westen reagiert mit Sanktionen, die EU mit einem Ölembargo, die USA mit Sanktionen gegen iranische Firmen und mit militärischer Präsenz. Bisher haben aber Sanktionen und Verhandlungen nichts bewirkt. Die Chancen zur Beilegung der Krise schrumpfen leider zusehends.
Aber wer hat schon eine weiße Weste?
Schauen wir auf Garching und die TU München. Dort, vor den Toren Münchens, wird ein Forschungsreaktor mit atomwaffenfähigem HEU betrieben. 2004 wurde er in Betrieb genommen. Proteste dagegen, auch von internationaler Seite, gab es genug.
Die zivile Nutzung von HEU, insbesondere in Forschungsreaktoren, birgt das Risiko der Proliferation, der Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Material. Deshalb wurde im Rahmen des RERTR-Programms (reduced enrichment for research and test reactors) hochdichter Brennstoff zur Umrüstung von Forschungsreaktoren von HEU auf LEU entwickelt. In Garching hat man aber die Frechheit besessen, ausgerechnet diesen für die Umrüstung entwickelten Brennstoff wieder mit HEU zu bestücken. Der Garchinger Reaktor ist der einzige Forschungsreaktor weltweit, der so gebaut wurde.
Der Forschungsreaktor Garching muss abgerüstet werden, so steht es in der Genehmigung. Die Bemühungen dafür sind mäßig. Die vorgegebene Frist musste schon einmal verlängert werden. Nach allem, was man so hört, wird nur eine Anreicherung von 30 – 50 % angestrebt. Damit bleibt man im atomwaffenfähigen Bereich.
Herstellung und Verbreitung von Atombomben, Uranmunition sowie von HEU-Brennstoff für Forschungsreaktoren müssen geächtet werden, so eine Forderung des Umweltinstituts München, der sich das Münchner Friedensbündnis sicher anschließen kann.