Bündnisrede von Michaela Amiri, Attac und zur Kundgebung
Walter Listl, Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus
am Antikriegstag, 1. September 2021 in München
Liebe Freundinnen und Freunde,
Weil wir vom 2. Weltkrieg wissen, dass Kriege nur den Machtinteressen von Regierungen dienen, ungeachtet des unsäglichen Leids , dass sie all den Menschen bringen, die von diesen Kriegen betroffen sind, gab es einmal die Erkenntnis: Von deutschem Boden aus, darf nie wieder Krieg ausgehen. Krieg ist keine Lösung!
Ungeachtet all unserer Erfahrungen, hat sich Deutschland wieder am globalen Machtkampf der USA und der NATO beteiligt, und damit 20 Jahre lang das unsägliche Leid in Afghanistan durch Krieg mitverantwortet. Dieser Krieg hinterlässt ein verwüstetes Land, und eine traumatisierte und verarmte Bevölkerung.
Nach einer Studie des „Watson-Instituts der Brown-University of USA“ starben in Afghanistan und Pakistan mindestens 238.000 Menschen in direkter Folge von Kriegshandlungen, davon 59 deutsche Bundeswehrsoldaten und über 71.000 Zivilist*innen. Nach der IPPNW-Studie „Body Count“ ist die tatsächliche Zahl der zivilen Opfer vermutlich fünf- bis achtmal so hoch. Zudem sind 45% der Bevölkerung inzwischen unterernährt. Es fehlt an Gesundheitsversorgung, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, Rechtsbeistand und menschenwürdigen Unterkünften.
Derzeit sind 2,9 Millionen Afghanen Binnenvertriebene und weitere 2,6 Millionen Afghanen auf der Flucht im Ausland. Davon sind allein 58% Kinder.
In Deutschland hingegen wurden die afghanischen Flüchtlinge bis vor kurzem wieder abgeschoben, obwohl die Studie der Afghanistan-Expertin Friedericke Stahlmann, im Auftrag von Diakonie und Brot für die Welt, ganz klar zu dem Schluss kommt, dass sie der Gefahr für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung ausgesetzt sind. Und in diesem Wissen hat die Bundesregierung auch die in Afghanistan unterstützenden Ortskräfte und ihre Familien im Stich gelassen, indem sie die Ausreise schlecht und viel zu spät organisierte. Das Desaster am Kabuler Flughafen ist daher nur die Spitze des Eisbergs.
Der Krieg und seine schrecklichen Auswirkungen haben den Hass auf den Westen befördert und damit auf alle, die diesen unterstützen oder aus dem Westen zurück kehren. Damit hat der sogenannte Krieg gegen den Terror, den Terror befördert.
Der Krieg hat allein für die USA 2 313 Mrd Dollar gekostet, eine unvorstellbar hohe Zahl. Deutschland hat nach offiziellen Angaben 12,5 Mrd bezahlt, die tatsächlichen Ausgaben liegen wahrscheinlich doppelt bis dreimal so hoch, während das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen wieder, wie bereits 2015, nur 48% der benötigten Gelder für Hilfsmaßnahmen von den Staaten bekommen hat.
Allein mit dem Geld, das für den Krieg in Afghanistan ausgegeben wurde, hätte der Hunger in der ganzen Welt besiegt werden können.
Doch statt Lehren daraus zu ziehen, wiederholt die NATO die Fehler seit 8 Jahren in Mali und rüstet für neue Kriege z.B. im südchinesischen Meer.
Weder in Afghanistan noch anderswo ging es den Militärstrategen des Westens je darum Demokratie oder Frauenrechte zu verteidigen. Da hätten sie bei ihrem Verbündeten Saudi-Arabien genug zu tun.
Es ging vielmehr um die geostrategische Vorherrschaft der NATO-Staaten in Zentralasien, in unmittelbarer Nähe zu Russland, Iran und der VR-China, die von den USA zu ihren Feinden erklärt werden.
Es ist aber nicht die Zeit, über bessere Strategien nachzudenken, sondern an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für all das Leid, das die deutsche Regierung mitverursacht hat. Und es ist an der Zeit, klar und deutlich einzugestehen: Nie wieder Krieg, war die richtige Losung und wird es auch in Zukunft immer sein!
Daher fordern wir von der Bundesregierung:
- Allen, deren Leben in Afghanistan bedroht ist, muss die Einreise nach Europa ermöglicht werden!
- Die nach Europa Flüchtenden dürfen nicht länger kriminalisiert werden!
- Schluss mit allen Abschiebungen nach Afghanistan!
- Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr!
Wir solidarisieren uns mit den fortschrittlichen und emanzipatorischen Kräften in Afghanistan, die für Demokratie und gegen jede ausländische Einmischung kämpfen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Bei der Flutkatastrophe in NRW und in Rheinland Pfalz, bei den Waldbränden in Californien oder Südeuropa erleben wir gerade, was Naomi Klein in ihrem Buch „Klima vs. Kapitalismus beschrieben hat
„ … Der Klimawandel ist ein Weckruf für die Zivilisation – eine machtvolle Botschaft –
Und diese Botschaft wird überbracht in der Sprache von Feuern, Überschwemmungen, Dürren und Artensterben …“
Der jüngste Bericht des Weltklimarates sagt apokalyptische Verwüstungen vorher, wenn nicht sofort umgesteuert wird. Und dieses Umsteuern muss mit Schritten zur Abrüstung beginnen.
Die Schlussfolgerungen können nur lauten:
- Wir brauchen Löschflugzeuge statt Kampfflugzeuge!
- Wir brauchen keine Kriegsschiffe, sondern Schiffe die Flüchtlinge retten!
- Wir brauchen keine neuen milliardenschweren Waffensysteme, sondern Geld für die Bekämpfung von Hunger und Armut, für das Gesundheitswesen oder den sozial-ökologischen Umbau!
- Wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung!
Ja, wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung, doch stattdessen sind die Rüstungsausgaben weltweit auf Rekordniveau gestiegen während Hunger und Armut weltweit zunehmen:
„Es ist ein Skandal, dass die Umsätze der größten Rüstungsfirmen weltweit steigen, während das Geld für eine nachhaltige Bekämpfung des Hungers fehlt", kritisiert die Welthungerhilfe"
Und während exzentrische Milliardäre in den Weltraum fliegen Verhungern laut Oxfam täglich 15 000 Kinder unter 5 Jahren. Und diese Kinder verhungern nicht, sie werden ermordet! Ermordet von einem profitbasierten System der Ausbeutung von Mensch und Natur.
Für eine Welt ohne Hunger bedarf es laut Entwicklungsminister Gerd Müller 40 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich bis 2030 . 40 Milliarden!
Allein für den Krieg gegen Afghanistan wurden weit mehr als 2000 Milliarden Euro ausgegeben.
Was für ein menschenverachtendes System, in dem weltweit Kinder verhungern, während sich ein obszöner Reichtum in den Händen einer kleinen Minderheit ansammelt und Kriege finanziert werden.
Angesichts der globalen Probleme wäre ein sozial-ökologisches Umsteuern, eine globale Strategie gegen die Pandemie, eine konsequente Bekämpfung des Hungers und der Armut und politische Entspannung und Abrüstung notwendig.
Doch das genaue Gegenteil passiert. In dieser Situation steigen die weltweiten Ausgaben für Militär, Aufrüstung und Kriege um fast auf rund 2 000 Milliarden Dollar. Und vom „Westen“ wird ein neuer kalter Krieg entfacht, der das Potential zu einem heißen Krieg hat.
Allein die USA gaben im Vorjahr 778 Mrd. Dollar für Militär, Waffen und Kriege aus, das sind 39 % der Weltmilitärausgaben.
1 100 Mrd. Dollar, mehr als die Hälfte der weltweiten Rüstungsausgaben entfallen auf NATO-Staaten. Rechnet man die mit der NATO verbündeten Staaten dazu sind diese für 70 Prozent der weltweiten Militärausgaben verantwortlich.
Die 28 europäischen NATO-Mächte bringen es zusammen auf über 300 Mrd. Dollar Militär- und Rüstungsausgaben. Das ist fast das Fünffache des russischen Militäretats.
Mit dem alten Feindbild Russland rüstet auch Deutschland auf. Deutschland erhöhte seine Ausgaben für Militär und Waffen um über 5% auf 52,8 Mrd. Dollar und sie sollen in den nächsten Jahren auf mehr als 80 Mrd. Euro steigen.
In den kommenden Jahren sollen neue Waffensysteme finanziert werden, darunter das neue europäische Kampfflugzeug und eine neue Generation des Kampfpanzers – jeweils im Bereich von je 100 Mrd. Euro.
Mit der Osterweiterung der NATO rückt die NATO an die Westgrenze Russlands vor.
14 Länder des ehemaligen Ostblocks wurden in die NATO integriert. Damit sieht sich Russland zunehmend von NATO-Stützpunkten umgeben. Und heute, 80 Jahre nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion stehen Bundeswehrtruppen wieder an der Westgrenze Russlands, beteiligen sich an NATO-Kriegsmanövern und an Atomkriegsübungen, die sich gegen Russland richten.
Wir fordern ein Ende des Konfrontationskurses gegen Russland und China
Denn die Erfahrung zeigt:
>Man muss Putin nicht lieben, aber Frieden gibt es nicht gegen, sondern nur mit Russland. Ohne Frieden mit Russland gibt es keinen Frieden in Europa (Egon Bahr)
Wir sagen:
Schluss mit dem Truppenaufmarsch gegen Russland und China!
Liebe Freundinnen und Freunde
Ja, wir bräuchten Abrüstung statt Aufrüstung. Dies gilt auch für Atomwaffen, denn diese bedrohen die Menschheit weltweit
Papst Franziskus sagte bei der Atomwaffenkonferenz 2017 im Vatikan:
"Die Welt steht am Beginn des dritten Weltkrieges und man muss alles tun, um einen Atomkrieg zu vermeiden". Und weiter: „Die Welt riskiere den Selbstmord. Die Drohung mit Atomwaffen ist Geiselnahme“. Ein weltweites Verbot von A-Waffen sei „ein humanitärer Imperativ“.
Doch wie sieht die Realität aus? Mit hunderten Milliarden werden derzeit die Atomwaffenarsenale der NATO modernisiert. Das Ziel: Einen begrenzten Atomkrieg
führbar zu mache 259 Millionen Euro durch die Bundesregierung modernisiert.
Als Ersatz für die Tornado-Flugzeuge sollen neue atomwaffenfähige Kampfflugzeuge gekauft werden – für zig- Milliarden EURO.
Welch ein Wahnsinn angesichts maroder Brücken, einem desolaten Gesundheitswesen und wachsender Armut auch bei uns.
- Wir brauchen keine moderneren Atomwaffen, sondern modern ausgestattete Schulen.
- Wir brauchen keine moderneren Atomwaffen, sondern moderne ökologische Mobilitätssysteme.
- Atomwaffen gehören abgeschafft, bevor sie die Menschheit abschaffen.
Nach wie vor besteht Deutschland aber auf die sog. „atomare Teilhabe“ ! Die atomare Teilhabe ist aber ein Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag, den Deutschland 1976 unterzeichnet hat. Darin haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet – Zitat: „Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“.
Wir fordern:
- die Modernisierung von Atomwaffen beenden, die nukleare Teilhabe beenden, denn diese Teilhabe ist Teilhabe am angedrohten Massenmord.
- und wir fordern, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen und zu ratifizieren.
In der neu entstehenden Welt(un)ordnung wächst die Kriegsgefahr.
„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“
Dieses Zitat des französischen Politikers Jean Jaurès zeichnet zwar ein anschauliches Bild, trifft die Sache aber nicht genau.
Kriege werden von Menschen gemacht und können von Menschen verhindert werden.
Sie entstehen eben nicht naturnotwendig, wie der Regen. Regen ist nicht verhinderbar, Krieg schon. Daran müssen wir arbeiten!