Redebeitrag Mechthild von Walter, Stadträtin der ödp im Münchner Stadtrat)
Begrüßung auf dem Marienplatz
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
im Namen der Landeshauptstadt München und in Vertretung von Herrn Oberbürgermeister Ude begrüße ich Sie zu dieser Stunde des Gedenkens an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor 60 Jahren.
Wir gedenken der Menschen, die in der Flammenhölle umkamen, wir gedenken derer, die an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung qualvoll starben, wir gedenken derer, deren Leben durch diese Katastrophe zerstört wurde.
Es war keine Naturkatastrophe, die über die Menschen von Hiroshima und Nagasaki hereinbrach. Es war ein von Menschen ersonnener, von Menschen seit langem geplanter, von Menschen präzise ausgeführter Massenmord.
Voller Scham nehmen wir erneut wahr, zu welchen Unmenschlichkeiten wir Menschen fähig sind. Seit 60 Jahren ist diese schmachvoll Untat in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt - seit 60 Jahren.
Was hat sich seitdem geändert?
In Deutschland lagern immer noch zwischen 130 und 150 atomare Sprengköpfe. In den USA werden neue Atomwaffen konstruiert. Mit ihrem Einsatz wird gedroht. Politiker in Deutschland planen die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. Das alles sind tödliche Gefahren.
Wenn unser Gedenken an die Opfer von Hiroshima und Nagasaki nicht wohlfeiles Trauerritual bleiben soll, dann müssen wir Konsequenzen ziehen.
1. Konsequenz
Wir müssen öffentlich die Forderung erheben, und das tue ich hier und jetzt, dass alle, die sich an diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligen, vor dem internationalen Gerichtshof angeklagt werden.
2. Konsequenz
Wir müssen uns eingestehen, dass unsere viel gepriesene Demokratie dringend zu einer wirklichen Demokratie weiter entwickelt werden muss.
Wenn hier in Deutschland weiterhin in eine Technik investiert werden kann, die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ablehnt, dann haben wir noch keine wirkliche Demokratie.
Wir müssen uns eingestehen, dass wir uns belügen, wenn wir uns einbilden, dass bei uns alle Staatsgewalt vom Volke ausginge.
Daraus ergibt sich als - 3. Konsequenz - die Verpflichtung, sich mit der unbequemen Frage zu beschäftigen, wer hier in Deutschland eigentlich an der Macht ist. Wir müssen verstehen lernen, wie Macht funktioniert. Und wir müssen dafür sorgen, dass sie kontrolliert wird und dem Wohl der Allgemeinheit dient, nicht dem Wohl der Konzerne. Nur wenn wir diese Aufgabe gemeinsam anpacken, haben wir die Chance, sie zu bewältigen.
Es gibt aber auch viel, was jeder einzelne tun kann. Drei konkrete Schritte möchte ich Ihnen vorschlagen. Es sind kleine Taten und doch haben sie die Kraft, die Welt zu verändern:
- Werden Sie ein kritischer Stromverbraucher. Wechseln Sie zu einem Stromanbieter, der keinen Atomstrom im Programm hat.
- Werden Sie ein kritischer Konsument. Kaufen Sie nur Produkte, die auf menschenwürdige Weise hergestellt sind und die fair gehandelt werden.
- Werden Sie ein kritischer Zeitgenosse. Informieren Sie sich nicht nur über die gängigen Medien, sondern mit der Hilfe von Zeitschriften und Büchern.
Tauschen Sie wichtige Informationen mit Ihren Freunden aus, wirken Sie als Aufklärer. Dabei möchte ich Sie auf eine "neue Tugend" hinweisen, um die wir uns bemühen sollten: Die "Tapferkeit vor dem Freund". Sagen Sie Ihren Freunden auch dann was Sie denken, wenn Sie nicht einer Meinung sind. Engagieren Sie sich bei vernünftigen Projekten - es gibt genug davon.
Uns ist das Geschenk des Lebens nicht genommen worden, wie den Opfern von Hiroshima und Nagasaki. Dieses Geschenk ist aber auch eine Verpflichtung, die Verpflichtung, sich für eine lebensfreundliche, gerechte und friedliche Welt einzusetzen.
Friede wird uns nicht geschenkt. Friede muss hart erarbeitet werden, denn Friede ist die Frucht der Gerechtigkeit. Nur wenn wir uns mit aller Kraft für Gerechtigkeit einsetzen - und zwar weltweit - dürfen wir auf Frieden hoffen.
Ich danke Ihnen.
Mechthild von Walter Stadträtin der ödp im Münchner Stadtrat.