Liebe Friedensfreundinnen, liebe Freunde!
Wenn ein anderes Europa möglich werden soll, dann müssen wir unseren Widerstand gegen die sich formierende Militärmacht EU verstärken und europaweit koordinieren.
Wenn der Weg offen bleiben soll, für die Vision von einem Europa der Abrüstung, der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit, dann müssen Friedensbewegung und Gewerkschaften, Arbeiterbewegung, soziale und demokratische Bewegungen gemeinsam gegen Militarismus und einen entfesselten Kapitalismus kämpfen.
Vorbei ist offenbar die Zeit, da die Europäische Union in Selbstdarstellungen als reine "Zivilmacht" posierte. Immer offener werden globale Machtansprüche formuliert und die militärische Stärke der EU propagiert.
"Wenn es stimmt, dass die Welt ein Dschungel ist" wird ein hoher Beamter aus dem Stab des außenpolitischen Beauftragten der EU, Javier Solana, zitiert, "dann sollten wir sicherstellen, dass Europa zu den Tigern gehört und nicht zu den Affen."
Anfang November 2004 beschwor "Verteidigungs"minister Struck beim 15. Forum "Bundeswehr und Gesellschaft" der "Welt am Sonntag" ein militärisch starkes Europa, das künftig "seinen Einfluss auf die amerikanische Supermacht besser geltend" machen kann. Einer Studie des German Marshall Fund (,Transatlantic Trends 2004") zufolge seien zwar "über 70 Prozent der Europäer dafür, dass die EU eine Supermacht wie die USA werden sollten. Aber nur gut 20 Prozent wären bereit, dafür höhere Militärausgaben zu akzeptieren. Der politische Anspruch, den Europa formuliert, muss in der Realität eingelöst werden. Und dies gilt für verschiedene Handlungsebenen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Eine Ebene sind die militärischen Fähigkeiten der EU."
Die von Javier Solana parallel zum EU-Verfassungsentwurf vorgelegte Europäische Sicherheitsstrategie fordert den Umbau der Armeen der EU-Länder zu "flexibleren, mobilen Einsatzkräften". Dazu sollen die Militärausgaben "aufgestockt und effektiver genutzt werden."
Dabei ist schon heute in dieser EU ein gigantisches militärisches Potential angehäuft.
Die 25 Mitgliedstaaten geben rund 182 Milliarden Dollar jährlich für Rüstung aus, 500 Millionen an jedem Tag.
In ihren Armeen stehen fast 2 Millionen Soldaten unter Waffen.
Von den 100 größten Rüstungskonzernen der Erde haben 32 ihren Sitz in der Europäischen Union - und zwar konzentriert in lediglich sechs Ländern: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Schweden.
Inzwischen haben die EU-Staaten sich zum zweitgrößten Waffendealer der Welt entwickelt. Im Jahr 2003 lagen ihre Waffenexporte erstmals über denen der USA und hatten einen Weltmarktanteil von 25,2 Prozent. Rund 80 Prozent stammen dabei aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien.
Die rosa-olivgrüne Bundesregierung hat 1999 die Bundeswehr zum ersten Mal nach 1945 in einen Krieg geschickt, in den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Sie hat gemeinsam mit Paris entscheidend zur Militarisierung der EU beigetragen und sie hat auch im internationalen Waffengeschäft inzwischen die Kohl-Regierungen weit hinter sich gelassen. Die deutschen Ausfuhrgenehmigungen für Waffen wurden 2003 gegenüber dem Vorjahr um 49 Prozent gesteigert, die Waffenlieferungen haben sich vervierfacht.
Konsequent verfolgen Schröder und Co. das Ziel, die deutsche Rüstungsindustrie zur europäischen Spitze zu machen.
Wozu - das erklärt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der SPD-Fraktion, Hans-Ulrich Klose, im Interview mit dem Handelsblatt so: "Aus außenpolitischer Sicht bedeutet die Rüstungsfähigkeit einen Machtfaktor. Eine Preisgabe bedeutet also einen Machtverlust (...) Das Ziel muss sein, eigene Rüstungskapazitäten zu erhalten und sogar auszubauen." (HB 18.6.02)
Rüstungsexport ist aus dieser Sicht ein gewichtiger Beitrag zur Auslastung und Stärkung einer nationalen Rüstungsbasis und damit kein "Ausrutscher" der Regierungspolitik.
Es ist kein Zufall, dass ein Schwerpunkt dabei im Nahen Osten liegt. Neben Israel gingen Waffen made in Germany in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Saudi-Arabien, Ägypten, Kuwait, Jordanien, Bahrain, in den Irak und nach Libyen.
Bundeskanzler Schröder machte sich bei seiner Reise durch die Golfstaaten Anfang März persönlich zum obersten Werbeträger der deutschen Kriegswaffenindustrie und die Konzernbosse in seinem Tross fühlten sich offenkundig wohl.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur der Vereinigten Arabischen Emirate (Emirates News Agency vom 3. März) erklärte er auf die Frage nach den Zielen seiner Reise:
"Der arabische Golf ist eine Region von strategischer Bedeutung für Deutschland und Europa. Denken Sie nur an die umfangreichen Rohölvorkommen, die dort lagern. Deren verantwortungsvolle Exploration ist eine wichtige Voraussetzung für die Energiesicherheit unserer Volkswirtschaften."
Es geht um Öl und Macht bei der Aufrüstung der Staaten am Golf durch Deutschland, die EU-Staaten und die USA.
Es geht um Öl und Macht, wenn die Bundesregierung nun immer offener den Schulterschluss mit der US-Politik im Irak sucht und die US-amerikanischen Truppen in Afghanistan entlastet, bei der Ausbildung der irakischen Armee tätig wird, Waffen an den Irak liefert und logistische Unterstützung für die US-Truppen leistet.
Es geht um Öl und Macht, wenn Bush und Schröder die gemeinsame Linie gegen den Iran betonen und die strategische Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens beschwören.
Zwar ist die Militärpolitik der EU nach wie vor stark von nationalen Entscheidungen geprägt, aber seit einigen Jahren ist sie der politische Bereich innerhalb der EU, der sich am dynamischsten entwickelt. Selbst Militärs und Rüstungsbürokraten geraten angesichts des Tempos in Verzückung.
Walter Kolbow, Parlamentarischer Staatssekretär im Struck-Ministerium, stellte in einem Vortrag an der NATO-Schule Oberammergau am 27. September 2004 begeistert fest, die Europäische Union sei im Jahr "2003 von der Aufbauphase zur Anwendung ihrer Fähigkeiten übergegangen (...) Knapp fünf Jahre nach ihrer Geburtsstunde beim Europäischen Rat in Köln ist die ESVP (Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik) operativ."
Heute sind, nach Kolbow, weit über 25.000 europäische Soldaten an weltweiten Einsätzen beteiligt.
Am 15. März 2003 brachten die EU-Militärs den NATO-Einsatz in Mazedonien (Amber Fox) "unter die politische Kontrolle und die strategische Führung" (FR 6.2.02) der EU, wie Javier Solana das nannte. Der Einsatz von 400 Soldaten der EU fand nach den Vereinbarungen des sogenannten "Berlin-plus"-Abkommens statt, also unter Rückgriff auf Ressourcen der NATO statt.
Der erste autonome Militäreinsatz der Europäischen Union folgte vom Juni bis September 2003 nicht zufällig auf dem afrikanischen Kontinent. Die Operation "Artemis" in der Demokratischen Republik Kongo machte deutlich, dass Afrika von den EU-Verantwortlichen als ureigenes Interessengebiet gesehen wird.
Anfang Dezember 2004 übernahm die EU von der NATO die SFOR-Truppe in Bosnien-Herzegowina. Die Operation "Althea" ist mit 7.000 Soldaten aus 22 EU-Mitgliedsländern und 11 weiteren Staaten der bislang umfangreichste Militäreinsatz der Europäischen Union. Die Bundeswehr stellt mit 1.100 Soldaten das größte Kontingent. Der Bundestag hat am 26.11.2004 sogar bis zu 3.000 Soldaten für den Einsatz genehmigt. Das Mandat ist zunächst für 12 Monate begrenzt. Die Vorgängertruppe SFOR ist allerdings bereits seit 1995 in Sarajevo. Nichts deutet dabei darauf hin, dass sich am Protektoratsstatus Bosnien-Herzegowinas im nächsten Jahr etwas ändern wird.
Liebe Friedensfreunde,
die im Dezember 1999 beschlossene EU-Eingreiftruppe aus rund 60.000 Soldaten ist inzwischen einsatzbereit, wenn auch zur vollen Zufriedenheit europäischer Generale noch Militärtransporter, Spionagesatelliten und Marschflugkörper fehlen.
Die sind längst auf den Weg gebracht. Ab 2010 wird der Militärairbus A-400M für Waffen- und Truppentransporte zur Verfügung stehen.
Die Bundeswehr hat 60 dieser Großraumtransporter geordert, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Belgien, Luxemburg und die Türkei weitere 120. Bei einem offiziell angegebenen Stückpreis von 128 Millionen Euro spült das rund 26 Milliarden Euro in die Kassen des Rüstungskonzerns EADS.
Noch in diesem Monat will die Bundeswehr ihren ersten Spionagesatelliten des Systems SAR-Lupe ins Weltall schießen. Vier baugleiche Exemplare werden im sechsmonatigen Abstand folgen.
Für die EU-Militärpolitik sollen auch die sogenannte "GMES"-Plattform und das "Galileo"-Projekt eingespannt werden.
Die globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES) wurde auf dem Gipfeltreffen der EU im Jahr 2001 in Göteborg ins Leben gerufen. Das damals verkündete Ziel war die Bereitstellung von Daten für Umweltschutz, Landwirtschaft, Fischfang, Verkehr und Regionalentwicklung. Jetzt soll es auch um die "Unterstützung von Kampfverbänden in Krisenmanagement- und Befriedungseinsätzen" gehen, wie es im Europäischen Weißbuch zur Raumfahrtpolitik heißt.
Im November 2004 beschlossen die EU-,Verteidigungsminister" in Brüssel den Aufbau hochmobiler Kampfeinheiten, die innerhalb weniger Tage am jeweiligen Einsatzort sein sollen und die auch für den Kampf im Dschungel, im Gebirge, in Wüstenregionen und für den Häuserkampf ausgebildet sind.
Das "battle groups"-Konzept, eine französisch-britisch-deutsche Initiative, gilt als Beispiel für die sogenannte strukturierte oder verstärkte, militärische Zusammenarbeit, wie sie im EU-Verfassungsvertrag von den Regierungen in Berlin und Paris durchgesetzt wurde.
Inzwischen sind 13 battle groups mit jeweils 1.500 Soldaten konzipiert. Die Einsatzfähigkeit für kleinere Militäraktionen im Umkreis von 6.000 Kilometern rund um Brüssel soll bereits in diesem Frühjahr 2005 erreicht sein.
Mit diesem battle-groups-Konzept sind auch die osteuropäischen EU-Mitgliedsländer und diejenigen, die wie Österreich und Finnland traditionell eine neutrale und zurückhaltende Militärpolitik betreiben, in die Interventionsstrategie der EU eingebunden.
"Europa so zu schaffen, dass dauerhaft Frieden auf diesem Kontinent herrscht" erklärte Außenminister Fischer während der Bundestagsdebatte zum EU-Verfassungsvertrag im Februar zum obersten Ziel.
Wer sich den Text dieses Verfassungsvertrages ansieht, wird ganz andere Ziele feststellen:
Dort geht es um Interventionseinsätze des EU-Militärs, um "Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung", um Kriege also - und zwar in aller Welt.
Zu diesem Zweck werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Eine europäische Rüstungsagentur wird als Vertreterin der Interessen des Militärisch-Industriellen-Komplexes in der Verfassung etabliert, die Druck auf rüstungsunwillige Mitglieder ausüben soll.
Wer uns diese Verfassung als einen friedenspolitischen und zivilgesellschaftlichen Fortschritt verkaufen möchte, der möge uns zeigen, wo in dieser Verfassung das Verbot von Interventionskriegen zur Rohstoff- und Einflusssicherung steht, wo das Verbot von Rüstungsexporten verankert ist und wo von einer Abrüstungsagentur die Rede ist.
Pünktlich zum Ostermarsch darf heute Angelika Beer, jetzt Europaabgeordnete der Grünen, in der Frankfurter Rundschau verkünden, dass die These von der Militarisierung der EU haltlos sei. Wer gegen die „Friedensverfassung“ der EU sei, der gefährde das „Friedensprojekt Europa“, verharre „im Denken des Kalten Krieges“ und beweise „absolute Orientierungslosigkeit“. Es gebe in der Verfassung keine Verpflichtung zur Aufrüstung. Die Formulierung „die militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ biete die Chance zur Harmonisierung, Aufgabenteilung und Nutzung von Synergieeffekten. Die „Verteidigungsagentur“ habe den Auftrag, nationale Alleingänge zu verhindern und militärische Überkapazitäten abzubauen.
Liebe Angelika Beer!
Nicht alles lässt sich mit dem „grünen Star“ und fehlender Lesebrille aufgrund rot-grüner Gesundheitsreform entschuldigen!
Sie haben doch auch den Bombenkrieg gegen Jugoslawien als humanitäre Aktion verniedlicht.
Wir lassen uns den EU-Militarismus nicht als olivgrüne Friedensbewegung andrehen.
Solche Ausfälle haben mit Panik zu tun. Mit Panik, weil es in Frankreich und Großbritannien, in den Niederlanden, Dänemark und Irland knapp werden könnte für den Verfassungsvertrag. Da müssen schon jetzt Sündenböcke her – und die werden in der Friedensbewegung gesucht.
Inzwischen wird in einem sog. "European Defence Paper" (EDP), das der EU-Rat beim Institut für Sicherheitsstudien in Auftrag gegeben hat, erläutert, dass es bei der "Transformation Europäischer Streitkräfte von der Landesverteidigung in Richtung Intervention und Expeditionskriegszüge (,expeditionary warfare")" um den "Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen" geht. Dafür gelte es, "Regionalkriege zur Verteidigung europäischer Interessen" zu führen.
Liebe Friedensfreunde!
"Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten", schrieb Albert Einstein in seinem Artikel "Für einen militanten Pazifismus".,Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden."
Das ist eine Vision, die unserem Lande 60 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus aktueller ist, denn je.