Ostermarsch München 2007 - Beatrice Altman-Schevitz

Jürgen Rose * Christoph Marischka * Stefan Jagel * Inge Ammon

Rede zum Ostermarsch am 7.04.2007 auf dem Orleansplatz (Auftakt)

Beatrice Altman-Schevitz, Munich American Peace Committee

Ich bin ein Kind des Kalten Krieges,

Ich bin 1955 geboren.

Mein Vater war Jude, meine Mutter evangelisch

Das Land Israel hat für meine Familie immer etwas Positives dargestellt.

Nach dem Holocaust war Israel ein Zeichen für das Weiterleben

des jüdischen Volkes.

„Wir sind noch da und wir leben!“

Meine Eltern sind in den USA geboren und hatten dort ihre Heimat.

Trotzdem verfolgten sie den 6- Tage Krieg in Israel 1967 mit Sorge und betrachteten ihn kritisch .

Es wurde in der Familie gefragt:

  „ist das ein gerechter Krieg?“ oder „ ist das eine gewaltsame Besetzung?“

Es wurde aber mit Sorge gefragt:

Wo sollen die Juden aus Israel hin wenn sie diesen Krieg verlieren?

Die Idee eines jüdischen Staates, wie sie von der UNO-Vollversammlung am 29. November 1947 in der Resolution 181 entwickelt wurde, ist rechtlich vernünftig und legitim. Wir sollen uns aber daran erinnern, dass dieser jüdische Staat neben einem arabischen, das heißt palästinensischen Staat gegründet werden sollte , mit Jerusalem unter Verwaltung der UNO.

Die Arabischen Länder haben die Resolution 181 nie akzeptiert.

Heute stehe ich vor Ihnen hier in München,  im Jahr 2007,

 40 Jahre nach dem 6-Tage Krieg von 1967.

Und ich will einige Themen, auch unbequeme ansprechen .

Wir sollten heute sehr besorgt über einen israelischen Angriff auf den Iran sein, der vielleicht zusammen mit dem USA stattfinden wird. Er würde die Instabilität des Nahen Ostens drastisch erhöhen und wäre zunächst besonders für die Menschen im Iran gefährlich, aber auch für die ganze Region ...einschließlich Israel.

Die militärische Umzingelung Irans mit US-amerikanischen Stützpunkten

(Irak im Westen, Afghanistan und Pakistan im Osten) und Flugzeugträgern (im

Persischen Golf)

 

ist weit fortgeschritten. Militärexperten sprechen davon,

dass der Truppenaufmarsch am Golf zumindest für Luftangriffe auf ausgewählte

Ziele im Iran (vermutete Atomanlagen bis hin zu politischen Führungsriege des

Staates) ausreichend ist.

Nach einem Bericht der "Jerusalem Post" haben zahlreiche Botschaften im

Nahen Osten angesichts der sich verschärfenden Situation neue

Evakuierungspläne erarbeitet.

Die USA führen in diesen Tagen ein Großmanöver vor der Küste Irans durch,

von dem der russische Außenminister sagte, dass es die ohnehin angespannte

Situation in der Region weiter erschwere:

In Deutschland und in Europa hat der Holocaust stattgefunden.

Wenn die Menschen in Israel heute sagen,

„Nie wieder Opfer sein“ ,

statt laut zu sagen ,

„Nie wieder Krieg“

dann muss ich als Jüdin fragen, warum ?

Warum stellen so viele Israelis sich für den Militarismus in Israel hin

statt für einen Weg zum Frieden durch Entspannungspolitik ?

Entspannungspolitik wie damals in Ost und West Europa der 80ziger Jahren?

Die Israelische Aussage: „ Nie wieder Opfer sein“,.....

Ist es ein Trauma von damals

 auf die dritte Generation übertragen?

Ich möchte das verstehen und deswegen habe ich in den letzten Monaten das Buch „Defending the Holy Land“ gelesen.

Geschrieben von Zeev Maoz, Israelischer Sicherheitsexperte, Israelischer Staatsbürger und Geisteswissenschaftler.

Er hat selber in drei Kriegen, 1954, 1967, und 1973 für Israel gekämpft

 und war beratend tätig in der Israelischen Regierung und Direktor des Magister Programm an der Hochschule für Nationale Verteidigung. Heute lebt er in Kalifornien und unterrichtet an der University of California at Davis.

Er schreibt in seinem Buch über die zahlreiche, zahlreiche verpassten Gelegenheiten den Friedensprozess in Israel zu fördern . Er analysiert, wie israelische Politiker seit 1948  die Bedrohung durch arabische Länder wahrgenommen haben.

Er beschreibt die Positionen der beteiligten Außenminister und Premier Minister seit 1948 so;

Ich Zitiere...

„Von Zeit zu Zeit muss der Staat Israel seine Stärke zeigen und unter Beweis stellen. Sollte der Staat Israel nicht seine zerstörischen Kräfte zeigen , dann wird er von seinem  Nachbarn   verschlungen und wird von der Erdoberfläche verschwinden.“

 Maoz betrachtet diese Wahrnehmung und die starke Präsenz von Militärs in der israelischen Regierung als eines der größten Probleme in diesen Zusammenhang.

Er kritisiert den Glauben seitens der Politiker und des Militärs seit den 50ziger Jahren in Israel, dass die nukleare Abschreckung die gemeinsamen Angriffskriege aus den arabischen Ländern verhindern kann.

 Ich möchte noch ein anderes Thema heute ansprechen.

Es heißt „the terrible love of war” “die schreckliche Liebe zum Krieg“.

Die Liebe zu etwas Unmenschlichem, die Liebe zu den Kriegsgöttern, zur Macht über Leben und Tod.

Nicht nur in Israel hat sich eine Sehnsucht entwickelt ,

  „nie wieder Opfer sein“,

 sondern

auch in Palästina, auch im Libanon, auch im Irak und auch im Iran.

Heute ist die Hoffnungslosigkeit und der wirtschaftliche Ruin für ganze Familien in diesen Ländern und in den besetzten Gebieten an der Tagesordnung. Mütter, Kinder, Väter wissen nicht wie es weitergehen soll,

sie sind traumatisiert durch die Kriegsbedrohung, die Zerstörung, die Ungewissheit und das führt zur Liebe zu den Kriegsgöttern

Wir müssen dafür sensibilisiert werden, dass diese Liebe zum Krieg, zur Macht über Leben und Tod lebt ...

 und mit jedem Tag im Mittleren Osten mehr gedeiht.

Die Bush-Regierung hat durch ihre „Angriffskriege“ allen Politikern und gewaltbereiten Gruppierungen in der Region des Mittleren Ostens einen Freibrief gegeben .  

Viele haben volles Zutrauen zum Militarismus.

Jede Nation und jede Religion hat ihre Kriegstreiber,

jedoch im Amerika von heute regieren die

Kriegstreiber, die Neokonservativen und die „Wiedergeborenen“ Christen im Schulterschluss zusammen. Für manche Christen in Amerika heute ist der biblische Entscheidungskampf im Mittleren Osten die Voraussetzung für die Auferstehung Jesu Christi.  

Das führt auch in den USA zur Liebe zu den Kriegsgöttern

Die Menschen in Amerika, die diese Meinung vertreten,

sind meine Feinde.

Sie haben imperialistische Bestrebungen. Sie sehen die Ölfelder im Iran und Irak und wollen diese Region in ihrem Sinne neu gestalten.

 In diesen Ländern gibt es aber auch reaktionäre

und sie wollen ihren Dschihad, sie sind aber gleichzeitig „antiimperialistische Kräfte“.  Wie sollen wir uns als Friedensaktivisten  diesen politischen Strömungen gegenüber verhalten?  

In Palästina haben wir Hamas

in Libanon haben wir Hisbollah,

 in Irak und Iran haben wir andere Gruppierungen,

die für den nationalen Widerstand gegen die Aggression Israels und der USA stehen.  

Aber dort, wo diese reaktionäre Kräfte an die Regierung kommen, führt es zur Etablierung brutaler theokratischer Diktaturen.

Diese Herrschaftsform, bei der die Staatsgewalt allein religiös legitimiert wird, führt zu einem Gottesstaat.

Deshalb darf sich die Friedensbewegung nicht von der Devise leiten lassen, dass der Feind meines Feindes...mein Freund und Verbündeter ist.

Ich habe persönlich große Probleme wenn ich innerhalb Friedenskreisen die Diskussion höre „über die angeblichen Äußerungen des iranischen Präsidenten (Ah má din ed schad) Ahmadinedschad.

Ich habe seine Rede vom 30. Oktober 2005 ausführlich auf Englisch und auf Deutsch gelesen. Ich finde es töricht zu behaupten , dass er es anders gemeint hat, oder falsch zitiert wurde.

Er hat länger als ein Jahr Zeit gehabt, Klartext zu reden und seine Ziele deutlicher zu schildern.

Nein, ich glaube wir erleben beim Präsidenten (Ah ma din ed schad) , wohl

wieder - Die Liebe zu etwas Unmenschlichem, die Liebe zu den Kriegsgöttern, die Liebe zur Macht über Leben und Tod.

Präsident (Ah ma din ed schad) ist 1956 geboren.

Er ist groß geworden unter der Regierung von Ayatollah Khomeini.

Nachdem Amerika so lang den Schah gestützt hat, ist es heute unschwer zu verstehen , warum viele Iraner mit Groll an diese amerikanische Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihre Landes zurückdenken.

Präsident Ahmadinedschad ist ein Kind dieser Zeit und ist durch seine Erlebnisse geprägt.

Genau wie das israelische Volk heute durch ihre Erlebnisse geprägt ist.

Im Jahr 2007 spricht der iranische Präsident für

- die junge Iranische Bevölkerung, für die Libananische Bevölkerung und für die Palästinische Bevölkerung

Er schreibt in Oktober 2005: Ich zitere:

„Wir können keine Kompromisse zum Thema Palästina eingehen.“

„Dies wäre eine Niederlage“

 „und Wer die Berechtigung des Regime Israels akzeptiert, hat in der Tat die Niederlage der Islamischen Welt unterschrieben.“

Sein Ziel kann nicht unser Ziel sein.

Friedensaktivisten sind weltweit darauf angewiesen, einen dritten Block in diesem Konflikt zu stärken.

Nämlich diejenigen Kräfte, Parteien und Bewegungen, die sowohl die imperialistische Aggression und Unterdrückung

im Mittleren Osten bekämpfen, als auch gleichzeitig sich  

reaktionären, fundamentalistischen Bewegungen entgegenstellen.

Solidarität und Unterstützung kann es nur mit diesen fortschrittlichen Kräften geben, weil sie sich Emanzipation und gesellschaftlichen Fortschritt auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Frieden kann nur durch Verhandlungen erreicht werden, in denen die Gegensätze ausgeglichen und alle noch offenen Fragen gelöst werden.

Um Verhandlungen zu ermöglichen und Erfolgschancen zu sichern, muss dem palästinensischen und Hisbollah Terror offen entgegengetreten werden .

Genauso vehement muss darauf bestanden werden , dass den Israelischen Angriffskriegen eine Ende gesetzt und die besetzten Gebieten von 1967 zurückgegeben werden.

Zeev Maoz, der kritische israelischer Sicherheitsexperte schlägt einen

 5 Jahre lang kompletten Waffenstillstand und konzentrierte Friedensverhandlungen vor.

Diese Friedensverhandlungen brauchen

Zeit, ich hoffe wir haben noch die Zeit  zu verhandeln.

 

Ich kann nur mit größter Besorgnis und Trauer beobachten, wie Israel sein Bett mit dieser amerikanischen Regierung gemacht hat.  (Wie man sich bettet, so liegt man.)

Es gibt weltweit jüdische Stimmen, die Israel dazu aufrufen , von seinem selbstzerstörischen Kurs mit amerikanischen Waffen, Beratern und Unterstützung Abschied zu nehmen .

Diejenigen, die diese Aufrufe verantworten, werden oft als „Antisemitisch“  oder selbsthassende Juden bezeichnet.

Als Mensch, als Friedenaktivisten, als Jüdin, glaube ich tief in meinem inneren Herzen, das israelische Dilemma zu verstehen.

„Wo sollen die Juden aus Israel hin, wenn sie diesen Krieg verlieren?“

Die heutige israelische Öffentlichkeit ist vom Krieg  nicht begeistert. Sie hat sich mit stoischem Fatalismus damit abgefunden , weil man ihr erzählt hat, es gäbe keine Alternative.

Der Weg zum Frieden erfordert Zugeständnisse auf beiden Seiten.

Manche Zugeständnisse werden schmerzhaft sein.

Die Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern muss ebenso wie Israels Beziehung zu allen seinen Nachbarn auf eine neue Basis gestellt werden, die nicht durch Antagonismus und Konfrontation, sondern durch Dialog und Kooperation geprägt sein.

Ich wohne seit 30 Jahren in Deutschland,

ich spüre Kraft und Mut jedes Mal wenn ich

denke, wir müssen aus der Vergangenheit lernen .

Ich denke immer wieder an meine Kindheit und den Kalten Krieg,

wir haben durch die Entspannungspolitik Alternativen gefunden .

„Nie wieder Opfer sein“

 ist heute in unserem nuklearen Zeitalter viel zu gefährlich,

„Nie wieder Krieg“

muss heute die Parole sein.

Beatrice Altman-Schevitz, Ostern 2007