Ziviler Ungehorsam
Vom Bombodrom zum G8 Gipfel Heiligendamm
Ich beginne mit meiner Erfahrung zivilen Ungehorsams in den 80er Jahren.
Zum Münchner Friedensbündnis, das heuer zum 25. Mal den Ostermarsch organisiert, gehört die Gruppe „Öffentliche Aufforderung zum gewaltfreien Widerstand gegen Rüstung und Krieg.“ Wir haben uns 1985 gegründet, als beim Amtsgericht in Schwäbisch Gmünd im Fließbandverfahren Hunderte von FriedensfreundInnen wegen Sitzdemonstrationen gegen die Stationierung der Atomwaffen Pershing und Cruise Missels vor den Toren der US-amerikanischen Standorte verurteilt wurden. Sitzdemonstrationen wurden nach §240 StGB als verwerfliche Gewalt definiert. Mit einer solchen Verurteilung waren alle kriminalisiert.
Unsere Gruppe „Öffentliche Aufforderung …“ begann nun – nach guter Vorbereitung und juristischer Schulung - in München und Städten der Umgebung wie Dachau, Starnberg u. Fürstenfeldbruck – zu Sitzdemonstrationen in verschiedenen ABC-Waffen-Standorten aufzufordern. Wir machten uns dabei strafbar nach § 111 StGB – öffentliche Aufforderung zu einer Straftat und bekamen unsere Strafprozesse hier in München, bei ganz verschiedenen Richtern. Es folgten auch Verurteilungen je nach Verdienst mit x Tagessätzen. Einige von uns gingen ins Gefängnis, andere gingen in Berufung in die nächste Instanz. Die Zeitungen berichteten darüber und über die Atomwaffengefahr und Atomkrieg wurde öffentlich diskutiert, ( was ich übrigens in unseren Tagen sehr vermisse). Einer von uns ging schließlich bis vors Verfassungsgericht nach Karlsruhe und die Wende kam.
Gewaltfreie Sitzdemonstrationen wurden fortan nur als Ordnungswidrigkeit eingeordnet und die „Friedenstäter“ rehabilitiert. Das war 1992! Es war ein Lernprozess bei der Justiz und auch für uns in der Zivilgesellschaft, was Solidarität und langen Atem anbetrifft.
Ein Sprung zum heutigen Tag. Wir beklagen die zunehmende Militarisierung Europas, die wachsenden Rüstungsausgaben und Rüstungsexporte, die Umfunktionierung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu „einer weltweit einzusetzenden und präventiv tätigen Interventionsarmee ,“ so dargestellt im neuen Weißbuch der Bundeswehr und damit sind wir bei meinem anderen Stichwort „Bombodrom “. Krieg und Interventionen müssen ja geübt werden. Wirklich, müssen sie das? Bei Frau Merkels Berliner Erklärung zum 50.jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge heißt es: „Wir setzen und dafür ein, dass Konflikte in der Welt friedlich gelöst und Menschen nicht Opfer von Krieg, Terrorismus oder Gewalt werden.“ Gleichzeitig plädiert sie für eine Europa-Armee. Wozu? Um die Interessen Europas in der Welt zu vertreten? Dass Europa auch Interessen hat, ist legitim.
Aber darf sie diese mit Hilfe ihrer Armee durchsetzen? Das kann doch nicht ohne Gewalt geschehen, die in der Berliner Erklärung verurteilt wird.
Doch das Bombodrom ist Realität. Es geht um das Bombodromgelände in der Ruppiner Heide, etwa 80 km nordwestlich von Berlin. Seit 15 Jahren schon streitet die Bundeswehr vor Gericht darum, das ehemalige sowjetische Bombodrom als Luft-Boden-Schießplatz nutzen zu dürfen, also das Zusammenwirken von Luftwaffe und Bodentruppen und das mit EU- und NATO-Truppenverbänden. Die Bevölkerung der Region weht sich standhaft gegen die Pläne mit Protestwanderungen, Petitionen, vielen kreativen Aktionen und auf juristischem Wege. Im Vorfeld des G8 Gipfels in Heiligendamm, am 1.Juni ist ein Aktionstag geplant: Eine symbolische Besiedlung des Bombodromgeländes mit Hütten, die wie die Zielpyramide der Bundeswehr gebaut sind. Motto: Jedes Ziel ist ein Zuhause. Über 30 Organisationen rufen dazu auf, darunter auch die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen GAAA und Christen für gerechte Wirtschaftsordnung CGW.
Es ist eine Aktion des Zivilen Ungehorsams. Das Betreten des militärischen Geländes und schon der Aufruf dazu kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Es gilt den Wahnsinn zu stoppen! Was dort geschieht, geht uns alle an. Darum verteilt die Aufrufe, schickt sie an Eure Verwandten und Freunde in der Berliner Ecke und Mecklenburg. Wir haben die Kriegsübungen satt. Unser aller Ziel ist ein friedliches Zusammenleben aller Völker und das ist unvereinbar mit „Übungen für den Krieg!“ Darüber hinaus sollte uns allen klar sein, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise, wie sie die G8-Staaten betreiben, in zahlreichen Ländern zu unerträglichen Lebenssituationen für die Menschen führt und zunehmend auf Widerstand stößt. Die Folge sind soziale Unruhen und Bürgerkriege. Wir treten ein für ein Wirtschaften im Dienst der Menschen, für das Leben, für die Natur – nicht gegen sie . Konzepte sind da, Alternativen werden hier und dort ausprobiert. Wir brauchen eine solidarische Ökonomie, ein Konzept für eine bedarfsgerechte Geldversorgung der Realwirtschaft. Mit dem Münchner REGIO z.B.lässt sich ein neuer Umgang mit Geld lernen.
Parallel zum wirklich undemokratischen G8Gipfel in Heiligendamm werden bei einem Internationalen G8 Alternativkongress in Rostock Konzepte „ von unten“ diskutiert und erarbeitet.
Die Verantwortlichen der G8 sollten nicht vergessen: Wir sind das Volk. „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.“ Grundgesetz, Art.20,2