Grusswort zum Ostermarsch am 3. April 2010 auf dem Marienplatz
Stephan Lippels (GEW - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft München)
AG Friedliche Schule bei der GEW München
Servus, mein Name ist Stephan Lippels, ich bin eines der Mitglieder der AG Friedliche Schule bei der GEW München. Die AG wurde gegründet, nachdem die GEW beschloss, etwas gegen den fortschreitenden Demokratieabbau, den Aus- und Umbau des staatlichen Gewaltapparates und die Militarisierung der Innen- und Außenpolitik zu unternehmen.
Wir wollen keine Gewöhnung an militärische Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Wir können auch nicht dulden, dass die Akteure dieser Gewalt ihr Handeln selbst definieren. So wird von den Jugendoffizieren der Bundeswehr zusammen mit dem ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung) ein Seminar zum „erweiterten Sicherheitsbegriff“ für die gymnasiale Oberstufe vorgeschlagen, in der u.a. folgende Themen genannt werden
- Kosovo als Beispiel für Friedenssicherung
- Afghanistan als Beispiel für Friedenssicherung
- Migration als Herausforderung für die EU
Allein diese verlogene Formulierung der Themen macht klar, in welche Richtung es inhaltlich geht!
Über 400.000 Jugendliche sind im vorigen Jahr in der Schule von Offizieren der Bundeswehr direkt beeinflusst worden. Wenn nicht zum Anwerben, dann zumindest um die Mehrheitsmeinung in diesem Land zu kippen, dass deutsche Soldaten im Ausland nie wieder was verloren haben. Dazu kamen zahlreiche Anzeigen in Schülerzeitungen und Jahresberichten. Gehirnwäsche in Millionenhöhe mit unseren Steuergeldern! Und für die Schülerzeitungen und Jahresberichte sollen wir erneut zahlen!
Die Bundeswehr will ihre Bemühungen im laufenden Jahr weiter ausbauen. So haben sich die Zentren für Nachwuchsgewinnung die Teilnahme an 684 Messen und Veranstaltungen vorgenommen, darunter Volksfesten und Ausbildungsmessen, aber auch zahlreiche Werbeauftritte auf Schulhöfen. Hinzu kommen der so genannte Karriere-Truck und die „Tage der Schulen“ - fast 20.000 Schüler unternehmen dabei jährlich Schulausflüge in Kasernen. Museum? Kino? Zoo? Nicht doch: Kaserne inklusive Schießsimulatoren - auch für Minderjährige!
Sobald die Jugend auf Arbeitssuche geht, wird die Bundeswehr als normaler Arbeitgeber auch von anderen zivilen Stellen empfohlen. Die ARGE München wird vom Generalstabsoffizier Bernd Becking geleitet. Ein Beispiel von vielen, wie zivile Einrichtungen mit militärischem Personal durchsetzt werden. Ein anderes Beispiel ist der Innenminister Herrmann, der während des letztjährigen Gelöbnisses hier auf dem Marienplatz als Sold die Beförderung zum Major der Reserve erhielt! Wann, frage ich euch, sind zum letzten mal in der Geschichte dieses Landes deutsche Minister in Uniform aufgetreten - und welche Minister waren das?
Bei diesem Gelöbnis haben wir gesehen: An einer demokratischen Auseinandersetzung ist der Bundeswehr bei ihren Veranstaltungen nicht gelegen. Wirbel gab es zuletzt z.B. auf der Didacta in Köln, als beim Stand der GEW ein Flugblatt mit Friedensforderungen entdeckt wurde. Und auf der Azubimesse in München am 20. März bekam jeder kritisch Fragende sogleich Hausverbot - durch Frisur oder Kleidung verdächtig aussehende Menschen sogar vorsorglich. Dies hat uns aber nicht gehindert, unsere Meinung draußen vor der Messe zu äußern!
Von den Jugendoffizieren wird außerdem das mehrtägige Simulationsspiel POL&IS angeboten, in welchem man selbst jedes Mittel der Politik bis hin zur Atombombe verwenden darf und wovon die Organisatoren begeistert berichten, wie sie Lichterkettenanhänger innerhalb von drei Tagen dazu bringen Krieg zu führen.
360 Simulationen fanden allein 2008 statt mit rund 17.500 Schülern mit ihren Lehrern sowie Studenten und Referendaren an mehr als 2.000 Seminartagen. Referendare meiner Schule, die noch am ersten Tag im Nahen Osten Frieden schlossen, führten am dritten Tag den Atomkrieg
An der indirekten Beeinflussung der Jugend wird also auch gearbeitet, denn die Referendare und Lehrer sind nicht wenig Propaganda ausgesetzt. Als normal soll empfunden werden, dass das Militär immer massiver an der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte teilnimmt und diese Lehrer dann das beim Militär erworbene „Wissen“ oder einseitig ausgearbeitetes, von der Bundeswehr produziertes aber neutral aussehendes Unterrichtsmaterial an die Schüler weitergeben. Einige meiner Kollegen lesen mit den Schüler noch im Unterricht „Im Westen nichts Neues“ - dieses Buch zeigt gleich zu Beginn, welche ideologische Macht Lehrer über Schüler ausüben können. Über die Münchner Verhältnisse vor den letzten beiden Weltkriegen berichtet z.B. „Zeit zum Aufsteh'n“ von August Kühn.
Es soll aber nicht nur eine Meinung als einzig richtige verkauft werden. Es wird auch gesammelt, wer anderer Meinung ist und damit ein „Sicherheitsrisiko“ darstellt.
Wie würdet ihr reagieren, wenn die Lehrer Berichte über die Gesinnung der Schüler oder Eltern verfassen, Berichte, die ihr nie zu lesen bekommt?
Oder wenn Polizisten, die an vielen Schulen Anti-Drogen-Projekte machen, Berichte über die Schüler und Lehrer schreiben sollten?
Nun: Die Jugendoffiziere und die Werber sind beauftragt, Berichte über die Arbeit an den Schulen und mit den Lehrern zu verfassen!
Die Bundeswehr verhandelt gerade mit dem Freistaat Bayern über einen so genannten Kooperationsvertrag, wie er bereits in fünf Bundesländern existiert. Auf Anfrage wird behauptet, dass sich dadurch „nichts ändern“ würde ? Wozu dann der Kram, wenn sich nichts ändern würde?
Tatsächlich ändert sich dadurch eine Sache grundlegend: Die bisherige Freiheit der Schulleiter und Lehrer wen sie in den Unterricht lassen und das Mitspracherecht der Eltern und der Schüler dabei werden dadurch abgeschafft!
Nach dem Vertrag wären die Schulen zukünftig dazu verpflichtet, die Bundeswehr rein zu lassen und jeder Lehrer wäre dienstlich zur Unterstützung, jeder Schüler zur Teilnahme verdonnert. Schleswig-Holstein hat so ein Abkommen deshalb aus gutem Grund abgelehnt und auch hier in Bayern sollte klar sein: „Wir sagen NEIN!“
Schulen sollen Bildungsstätten bleiben und dürfen nicht als Werbeanstalten für das Militär oder zur Gesinnungsschnüffelei missbraucht werden. Wir wollen nicht, dass die heutige Generation zu Tätern oder Opfern neuer Kriege wird.
Heute berichtet die Presse von drei toten Bundeswehrsoldaten und sechs afghanischen Soldaten, die „versehentlich“ von der Bundeswehr getötet wurden. Das Blut aller neun Opfer klebt an den Händen derer, welche die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt haben
Wir wollen die Jugend zum kritischen Denken und im Geiste von Frieden und Demokratie erziehen.
Deshalb: Ein „Nein“ der Lehrer gegen jede Kriegswerbung an der Schule.
Ein „Nein“ der Schüler gegen militärischen Zwangsunterricht.
Ein „Nein“ der Eltern. Weder Geld noch Unterschrift für Kriegswerbung
Gegen den Kooperationsvertrag brauchen wir ein gemeinsames „Nein“. Wenn noch nicht geschehen, dann schnappt euch bitte unserer Flyer und nehmt Kontakt auf
(*).
Wir wünschen der Veranstaltung und der weiteren Arbeit für den Frieden viel Erfolg!
* Weitere Informationen:
Dort bei der GEW
- Es gilt das gesprochene Wort! -