Rede zur Kundgebung am Freitag, 9.02.2007 auf dem Marienplatz
Heute findet die zweite Finanzierungskonferenz der „Nordafrika-
Mittelost-Initiative der Deutschen Wirtschaft“ statt:
- Veranstalter sind der Bundesverband deutscher Banken und der Bundesverband der
Deutschen Industrie, mit Unterstützung der Vereinigung der Bayerischen
Wirtschaft.
- Veranstaltungsort ist das Haus der Bayerischen Wirtschaft in der
Max-Joseph-Straße 5, nicht weit entfernt vom Bayerischen Hof, dem Tagungsort
der sogenannten „Sicherheitskonferenz“.
- Gesponsert wird die Finanzierungskonferenz von Siemens, Commerzbank und MAN.
Mitwirken werden hochrangige Vertreter von Unternehmen, internationalen
Finanzierungsinstituten, Geschäftsbanken und Politik, aus Deutschland sowie aus
Nordafrika und Mittelost. - Ein Einführungsreferat wird interessanterweise der
persönliche Beauftragte der Bundeskanzlerin für die G8 Gipfel, Dr. Bernd
Pfaffenbach, halten.
Worum geht es auf der 2. Finanzierungskonferenz Nordafrika-Mittelost?
Zwei Podiumsdiskussionen setzen die Schwerpunkte dieses Kapitalistentreffens:
- „Geschäftsmöglichkeiten für Investoren aus Nordafrika und Mittelost in
Deutschland“.
- „Stärkung der Handels- und Investitionsbeziehungen mit Nordafrika und
Mitttelost“.
Die Erschließung sogenannter „Schlüsselmärkte“ wie Algerien, Libyen und die
Golfstaaten, alle finanziell gut aufgestellt wegen ihrer Erdöl- und
Erdgasvorkommen, steht dabei im Vordergrund deutscher Wirtschaftsinteressen.
Das in diesen Ländern vorhandene Anlagekapital soll zudem durch gezielte
Maßnahmen der Standortwerbung, wie etwa auf dieser Konferenz, stärker für den
deutschen Wirtschaftsstandort mobilisiert werden.
Ähnlich wie im Rahmen der EU-Osterweiterung drängt die deutsche Wirtschaft
außerdem auf Privatisierung staatlicher Unternehmen und gleichzeitiger
Aufhebung von Investitionsschranken in der gesamten Region. Deshalb fordert
die Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft:
„Die
Rahmenbedingungen für Investitionen müssen den internationalen Standards
angeglichen werden, z.B. die Möglichkeit von 100%-igem ausländischen Besitz.
Die Öffnung im Banken-, Versicherungs- und Dienstleistungssektor sollte
vorangetrieben werden“. - Zitatende
Dass es auf dieser Konferenz nicht ausschließlich um deutsche
Wirtschaftsinteressen geht, belegt die Anwesenheit von Vertretern der
„International FinanceCorporation“ - das ist eine Gesellschaft der
Weltbankgruppe - und der „Europäischen Investitionsbank“.
Wer steckt hinter der Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft
(NMI)?
Für Deutschland war die Neuordnung des Balkans und die EU-Osterweiterung
entscheidendes Projekt der Neunziger Jahre, die Präsenz deutscher Unternehmen
in der Mittelmeerregion war hingegen eher marginal. Um dieses „Defizit“
wettzumachen und deutsche Kapitalinteressen in der Region wahrzunehmen, wurde
1996 die „Nordafrika Mittelost Initiative“ vom „Bundesverband der deutschen
Industrie“ (
BDI) ins Leben gerufen. Zusammen mit dem Deutschen Industrie- und
Handelskammertag, dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels und
dem Nah- und Mittelost-Verein. - Später kamen der Afrika-Verein sowie der
Bundesverband deutscher Banken hinzu.
Die hochkarätige Besetzung des NMI-Präsidiums, u.a. aus den Chefetagen von
Daimler-Chrysler, Siemens, Deutscher Bank, Commerzbank, ABB, MAN und Dresdner
Bank, lässt darauf schließen, dass es der Initiative um lukrative Geschäfte für
deutsche Konzerne und Banken geht. - Insgesamt betreut die Nordafrika-
Mittelost-Initiative der Deutschen Wirtschaft 21 Länder der Region.
Weshalb eine Finanzierungskonferenz zu dieser Region?
Im letzten Jahr veröffentlichte die NMI einen Forderungskatalog an die neue
Bundesregierung, der mit der Feststellung begann: „Nordafrika und der Mittlere
Osten sind unmittelbare Nachbarregionen Europas. Hier liegen mehr als 50% der
weltweiten Reserven an den wichtigen Energieträgern Erdöl und Erdgas“. -
Zitatende
Um den bundesdeutschen Energiehunger zu stillen, drängen sich deshalb die
rohstoffreichen Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens als Objekt der
Begierde geradezu auf. Beispielsweise ist Libyen inzwischen der viertgrößte
Erdöllieferant Deutschlands, unmittelbar gefolgt von Algerien auf Platz 5.
Algerien ist zudem nach Russland der wichtigste Erdgaslieferant der EU.
Es geht jedoch nicht nur um die Ausbeutung der reichhaltigen Rohstoffvorkommen,
sondern um die noch ungesättigten Absatzmärkte und billige
Produktionsmöglichkeiten. Deutsche Unternehmen nutzen etwa Tunesien wegen des
dort üblichen geringen Lohnniveaus und des Ausbleibens sozialer Proteste als
zuverlässige Billig-Produktionsstätte. Um ausländische Investoren anzulocken
wird der libysche Staat bis zum Jahr 2008 360 bisherige Staatsunternehmen
privatisieren. Allein für die Überholung der Erdölindustrie sollen 8,6
Milliarden Euro an Auslandsinvestitionen angezogen werden. Prompt wurden
bereits 2004 wieder die bundeseigenen Hermes-Bürgschaften für Investitionen in
Libyen eingeführt.
Der Ressourcenreichtum in der Region weckt nicht nur Begehrlichkeiten von außen,
sondern ist auch fatal für die eigene wirtschaftliche Entwicklung.
Beispielsweise stammen 98 % der Staatseinnahmen Algeriens aus dem Erdöl- und
Erdgasexport. Dies wirkt sich geradezu vernichtend auf die Entwicklung einer
einheimischen produktiven Ökonomie aus, da die Deviseneinnahmen die Sicherung
der Grundbedürfnisse ohne eigene Produktivität ermöglichen.
Ein weiteres statement aus dem Forderungskatalog der NMI lautet: „Instabilität
und Konflikte in der Region Nordafrika/Mittelost berühren Europa und auch
Deutschland direkt. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklungen in diesem Raum werden die Sicherheit und den Wohlstand Europas im
21. Jahrhundert wesentlich mitbestimmen“. Zitatende
Es wird vom Westen zwar immer wieder die Respektierung der Menschenrechte, als
Grundvoraussetzung für politische und Entwicklungszusammenarbeit, eingefordert.
In der praktischen Politik scheint jedoch das unmittelbare Interesse an einer
"Stabilität" zu dominieren. Wahlen, die jedes demokratischen Sinnes entleert
sind, werden zum willkommenen Anlaß für die Unterstützung von Regimen
herangezogen, die sich nur durch Terror gegen die eigene Bevölkerung an der
Macht halten können.
Deutschland kooperiert seit Jahrzehnten mit den repressivsten Regimen in der
Region: Saudi-Arabien, Tunesien, Algerien, Marokko und Libyen. Dies nicht
zuletzt um unerwünschte Migration aus den afrikanischen Elendsstaaten in die
europäischen Wohlstandszentren zu verhindern. So demonstriert Berlin mit einer
eigenständigen Aufrüstung der nordafrikanischen Küstenüberwachung seine
nationalen Handlungsoptionen. Die vom ehemaligen Innenminister Schily
geforderten Auffanglager in den Maghreb-Staaten, sollen zudem die Abschottung
der Außengrenzen des europäischen Wohlstandsblocks vervollständigen.
Andererseits wird die Anwerbung gesuchter Fachkräfte von der deutschen
Wirtschaft, als ein wichtiger
"Schlüssel des Standortvorteils" angesehen. Den
Ruf der Kapitalisten nach einem maßgeschneiderten Zugriff auf die regionalen
Arbeitsmärkte, gilt es mit dem
"Schutz" der Wohlstandsinseln vor den Ansturm
der
"Unnützen" in Einklang zu bringen.
Ein flüchtiger Blick auf die Braune Vergangenheit
Zu den NMI-Trägerorganisationen gehören der Nah- und Mittelost-Verein und der
Afrika-Verein, beide 1934 gegründet. In seiner Selbstdarstellung rühmt sich der
Nah- und Mittelost-Verein auch seiner Erfolge in der Zeit des
Nationalsozialismus, ohne diesen auch nur mit einem Wort zu erwähnen.
Bezeichnend ist zudem, dass der Hamburger Industrielle und frühere
NS-Geheimdienstspezialist, Alfred Toepfer, einer der Nachkriegs-Vorsitzenden
war. Toepfer finanzierte u.a. Thies Christophersen, den Autor des Buches
„Die Auschwitz-Lüge“.
Der Afrika-Verein wiederum unterstützte aktiv die Politik des Naziregimes zur
Rückgewinnung der Kolonien und die südafrikanische Nationalpartei bei der
Etablierung der Apartheid, der Rassentrennung.
2 Konferenzen 1 Ziel
Der Mittlere Osten und Nordafrika werden vom Westen auch als „Krisenbogen von
Marokko bis Pakistan“ bezeichnet und als Zentrum internationaler geopolitischer
Ordnungsbemühungen und Auseinandersetzungen eingeschätzt. Während der
Sicherheitskonferenz 2004 versuchte deshalb der damalige Außenminister Fischer
eine „transatlantische Initiative für den gesamten Mittelmeerraum“, auf die
Tagesordnung zu setzen. Der BDI ergriff die Gunst der Stunde und beraumte für
2005, unter dem Slogan „spezifische Sicherheitsinteressen behindern Handel und
Investitionen in der Region“, die 1. Finanzierungskonferenz an, ganz bewusst in
Kooperation mit der Sicherheitskonferenz.
Die Angliederung der Zusammenkunft der deutschen Wirtschaftselite an die
Münchner Militärkonferenz ermöglicht nämlich einen Abgleich wirtschaftlicher
und militärischer Expansionskonzepte. Die Eliten aus Wirtschaft, Militär und
Politik treffen sich an diesem Wochenende hier in München, um weitere Pläne für
die Umgestaltung der Region nach kapitalistischen Verwertungskriterien zu
entwerfen.
Machen wir den Kriegstreibern im „Bayerischen Hof“ und den Wirtschaftsbossen im
„Haus der Bayerischen Wirtschaft“ mit unseren Aktionen deutlich, dass sie hier
nicht willkommen sind - auch nicht anderswo.