Ostermarsch München Königsplatz - Rede Claus Schreer
Liebe Teilnehmer und Teilnehmer*innen des heutigen Ostermarsches
Vor 60 Jahren fand der erste Ostermarsch in München statt.
Bereits 1955 hatten die USA – unter strengster Geheimhaltung – damit begonnen, atomare Kurzstrecken-Raketen in Westdeutschland zu stationieren. Die damalige Bundesregierung unter Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß forderte gemeinsam mit der Bundeswehrführung die Verfügungsgewalt über diese Atomwaffen.
Daraufhin entstand mit der Kampagne „Kampf dem Atomtod“ – eine bundesweite Protestwelle gegen die atomare Aufrüstung – mit damals hunderttausenden Teilnehmern in der Bundesrepublik und drei Jahre später begannen die Ostermärsche der Atomwaffengegner.
Vorbild für die Ostermärsche war damals der Aldermaston-Marsch, der von London aus zum 80 km entfernten Atomwaffenzentrum Aldermaston führte.
Ich war damals Mitglied der Internationale der der Kriegsdienstgegner und 1961 organisierten wir in München den ersten Ostermarsch. Er an der KZ-Gedenkstätte in Dachau und endete am Königsplatz in München. Die BILD-Zeitung erschien an diesem Osterwochenende mit der Schlagzeile: „Atomverrat beim Ostermarsch“.
Bei der Abschlusskundgebung auf dem dem Königsplatz sprach der Schriftsteller Erich Kästner. Er zitierte die Aussage des Atomphysikers Carl Friedrich von Weizsäcker, ein Atomkrieg werde etwa eine Milliarde Menschen töten und Millionen Menschen verstrahlen. „Entweder wird das technische Zeitalter den Krieg abschaffen, oder der Krieg wird das technische Zeitalter abschaffen“.
Diese Vorhersage eines deutschen Atomphysikers – sagte Erich Kästner – sei tausendmal realistischer als der Traum deutscher Generäle, Westdeutschland und die westliche Weltbei Hof und Helmstedt mit Atomwaffen zu verteidigen.
Die ca. 6 000 taktischen US-Atomwaffen, die in den 1960er Jahren in Westdeutschland stationiert waren und die im Ernstfall auf dem Gebiet der DDR oder der BRD zum Einsatz gekommen wären, wurden schließlich, ebenso wie die Pershing-II Mittelstrecken-Raketen – nicht zuletzt durch den jahrzehntelangen Kampf der Friedensbewegung – bis zum Ende des „Kalten Krieges“ abgezogen.
Übrig geblieben sind bis heute die auf dem Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt in Büchel stationierten US-Atombomben.
Die Bundesregierung genehmigt nicht nur die Stationierung dieser Atomwaffen, sondern lässt auch Piloten der Bundeswehr den Atomwaffeneinsatz für den Kriegsfall trainieren.
Uns und der Öffentlichkeit erzählt sie das Märchen, dass für die Entscheidung über den Abzug der Atomwaffen die USA und NATO zuständig seien.
Aber, ob Massenvernichtungswaffen in Deutschland stationiert werden und ob die Bundeswehr im Ernstfall Atombombenangriffe gegen Russland führt das hat weder die US-Regierung noch die NATO zu entscheiden.
Das zweite Märchen der Bundesregierung ist die Behauptung, die in Büchel stationierten Atomwaffen würden die Sicherheit Deutschlands und Europas garantieren.
Von welcher Sicherheit reden die da? Jeder Einsatz dieser Atomwaffen - unter welchem Vorwand auch immer - würde Europa in eine atomare Wüste verwandeln.
Liebe Freundinnen und Freunde
Keine Atomwaffen auf deutschem Boden diese Losung der Ostermärsche von 1961 gilt heute immer noch. Es liegt in unserer Hand, die derzeitige und jede zukünftige Bundesregierung daran hindern, sich an der Atomkriegsplanung der USA zu beteiligen.
Erich Kästner endete 1961 seine Rede mit den Worten: „Unser friedlicher Streit für den Frieden geht weiter, im Namen des gesunden Menschenverstands und der menschlichen Phantasie. Resignation ist kein Gesichtspunkt“.
Das gilt heute genauso wie vor 60 Jahren. Lasst uns weiterhin aufstehen, gegen Kriegsvorbereitung und die Milliarden-Verschwendung für militärische Aufrüstung
nicht nur heute und morgen, sondern solange, bis dieser Aufrüstungswahnsinn endlich beendet wird und alle Atomwaffen verschrottet sind.