Redebeitrag von Brigitte Wolf bei der Schlusskundgebung des Münchner Ostermarsches 26.3.2016 in München
am Max-Joseph-Platz

PEACEOstermarsch München 2016

Brigitte Wolf am Max-Joseph-Platz

Stadträtin DIE LINKe www.dielinke-muenchen-stadtrat.de

Grußwort aus dem Rathaus

Liebe Münchnerinnen, liebe Münchner, liebe Aktive der Friedensbewegung,

ich freue mich, Ihnen und Euch auch dieses Jahr wieder ein Grußwort der Stadt zum Ostermarsch überbringen zu können.

Ostern 2016: Europa verwandelt sich in eine Festung. An den Grenzen und in Nachbarländern werden Kriege geführt. Viele sterben auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Elend. Es sind unsere Nachbarn, Menschen und Staaten an den südlich des Mittelmeeres, die in Bürgerkriegen und Terror versinken. Wir kennen diese Länder, haben uns dort im Urlaub erholt, haben Arbeitskollegen, Freunde und Nachbarn, die dorthin heimatliche Bindungen haben. Es waren die zahlreichen Interventionskriege, an denen auch Deutschland beteiligt war und ist, die den Weg für Bürgerkrieg und Terror bereitet haben. Und der Terror hat auch Europa schon lange erreicht. Die aktuelle Politik ist gescheitert, das ist offensichtlich. Aber wo sind die Alternativen?

Die Bundes- und Außenpolitik, gefangen in ihrer Eigenlogik von Macht und Herrschaft, von Kriegseinsätzen und Militärbündnissen, wird diese Alternativen nicht finden. Sie muss von der Öffentlichkeit darauf gestoßen werden. Wer soll das tun? Wer kann das tun? Wie kann der Wunsch nach Völkerverständigung und Frieden, den wir mit der übergroßen Zahl unserer Mitmenschen teilen, Wirklichkeit werden?

Die wirtschaftliche, kulturelle und mitmenschliche Verflechtung der Welt stellt uns, der Zivilgesellschaft, diese Aufgabe und sie gibt uns auch Mittel, dies zu erreichen. In unserer unmittelbaren Umgebung kommen die Menschen an, die vor dem Grauen des Krieges fliehen. Wir Alle sind gefragt bei der Aufgabe, das Zusammenleben von Verschiedenen sozial, solidarisch und demokratisch einzurichten.

Was hat das mit der großen Politik zu tun? Wenn Menschen aus Ländern, die durch Krieg und Bandenwesen zerstört sind, Zuflucht suchen, dann ist das eine Form der Kriegsdienstverweigerung, eine Stellungnahme gegen den Krieg. Diese Zuflucht müssen wir, die in – relativ – befriedeten Regionen leben, den Menschen in den Kriegsgebieten weiter gewähren. Wenn Menschen aus Ländern fliehen, deren wirtschaftliche Basis auch durch die Wirtschaftspolitik der Industriestaaten zerstört wurde, so bestärkt uns dies in unserem Einsatz für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.

Eines hat sich letztes Jahr gezeigt: Wenn die zivile Gesellschaft diese Aufgabe wahrnimmt, wenn sie dabei von Initiativen und Vereinigungen aller Art unterstützt wird, und wenn dann auch noch die kommunale Politik mitzieht, dann müssen auch Landes- und Bundespolitik dies berücksichtigen. Wir kennen die nationalistischen Reaktionen auf Destabilisierung und Kriegswirren. Wir haben in München aber auch gesehen: Wenn Stadtgesellschaft und Kommunale Selbstverwaltung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zusammenstehen, kann dieser verhängnisvolle, menschenfeindliche Irrweg blockiert werden.
Bund und Land beschäftigen sich leider damit, die Fluchtwege zu blockieren, die Menschenrechte der Flüchtenden sind ihnen gleichgültig. Das Mittelmeer wird zum Massengrab. Das Recht auf Asyl wird minimiert. Das Aufenthaltsrecht der Menschen, die Zuflucht fanden, wird eingeschränkt. Wer solche Pläne schmiedet, will Europa vielleicht zur Festung machen. In Wahrheit baut er aber ein Gefängnis. In dieser politisch kritischen Lage wird humanitäres, sozial und solidarisch inspiriertes Engagement schwieriger, aber auch immer wichtiger.

Denn, liebe Freunde,
Politik besteht nicht bloß aus Macht und Geld. Eine erfolgreiche Praxis solidarischer Problemlösung stärkt friedensschaffende Maßnahmen. Zu dieser Praxis gehört nicht nur, jenen Zuflucht und Aufenthalt zu ermöglichen, die sich dem Krieg verweigern. Weil die Welt wirtschaftlich und kulturell, durch Handel, Reisen, Technik und Migration verflochten ist, kann man sich aus der Diskussion der Probleme „anderswo“ nicht mehr ausklinken. Türkei, Kurdistan, Israel, Palästina, und viele weitere Länder – die Suche nach friedlichen Auswegen ist lange überfällig, und sie kann und muss auch in unserer Gesellschaft geführt werden.

Das ist NICHT leicht. Ein Beispiel des Misslingens haben wir neulich im Münchner Stadtrat erlebt. Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF), eine Organisation die auf mehr als 100 Jahre Kampf gegen Unrecht und Krieg zurückblicken kann, sollte durch den Anita Augspurg Preis geehrt werden. Die Dachorganisation der IFFF unterstützt die international umstrittene Kampagne zum Boykott von Waren aus von Israel besetzten Gebieten. Im Vorfeld der Preisverleihung hatte die Münchner Sektion der IFFF mitgeteilt, dass sie die Kampagne nicht unterstützt habe, weil Boykottaufrufe nicht zur Lösung des Israel-Palästina-Konflikts beitrügen. Eine Politik der Deeskalation hätte dies genutzt, um den Dialog aufzunehmen. Doch der Stadtrat hat mehrheitlich durch die Nicht-Vergabe des Preises seinerseits den Streit angeschürt. Dies ist für mich ein Beispiel, wie Politik Konflikte nicht löst, sondern verschärft.

  • Wenn es uns jedoch gelingt, in unserer bunt gemischten Gesellschaft den politischen Dialog aufrechtzuerhalten,
  • wenn es uns gelingt, das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen zu entwickeln, zu pflegen und zu schätzen,
  • wenn es uns gelingt, Wege für Menschen in Not offen zu halten,
  • wenn es uns gelingt, die soziale Spaltung und das soziale Elend bei uns und weltweit durch solidarisches Handeln zurück zu drängen,
  • wenn wir, um auf eine alte Losung zurück zu kommen, global denken und lokal handeln,
  • dann bleibt trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit der Ausweg einer friedlichen Entwicklung von Gesellschaften sichtbar.

Lassen Sie uns gemeinsam weiter dafür eintreten, auf der Basis der unverbrüchlichen Gültigkeit von Grund- und Menschenrechten – für Alle und überall.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!